Kommentar
21:51 Uhr, 01.06.2006

Die Sharpe-Ratio - Stehen Gewinne in einem gesunden Verhältnis zum Risiko?

„Es kommt nicht darauf an, wie viel Geld man verdient, sondern wie viel Geld man nicht verliert“. Diese Börsenweisheit mag auf den ersten Blick etwas pessimistisch wirken, zwischen den Zeilen steckt jedoch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Im Frühjahr 2000 waren fast alle Börsianer im Plus, dick im Plus. Man sprach von Realschülern, die sich vollkommen dem Daytrading verschrieben hatten. Es war ja auch nicht sonderlich schwierig: Eine Aktie, dessen Name mit „.com“ endete galt es an der Nasdaq zu kaufen, einen Tag musste man sie halten, um sie dann anschließend mit zweistelligem Prozentgewinn wieder verkaufen zu können. Die Boomphase verhalf vielen dazu kleine Konten von $10,000 auf ein Volumen im sechsstelligen Bereich aufzublähen. Doch wie schon eingangs erwähnt: Auf die Gewinne kommt es nicht an. Was zählt, das ist der langfristige Ertrag an der Börse. „Never confuse brains with a bull market“, sagen die alteingesessenen US-Händler. „Verwechseln Sie niemals ‚Können’ mit einer ‚Hausse’“, würde der Deutsche wahrscheinlich sagen. Da ist etwas Wahres dran! Die letzten 5 Jahre haben die Spreu vom Weizen getrennt. Wer 50% an der Börse verliert, der muss 100% erwirtschaften, um wieder dort zu stehen wo er schon einmal war. Leider gilt diese Regel auch umgekehrt: Wer 100% gewinnt, aber anschließend 50% verliert, der findet sich in seiner Ausgangsposition wieder. Es gilt für den guten Trader herauszufinden, ob seine Gewinne auf Können („brains“) oder Glück („bull-market“) zurückzuführen sind.

Die Sharpe-Ratio

Doch wie findet man heraus, was man selber ist? Spreu oder Weizen? An dieser Stelle kommt die Sharpe-Ratio, auch Sharpe-Maß genannt, ins Spiel. Die Formel für diese Berechnung geht auf William F. Sharpe zurück, der auch mit Harry M. Markowitz an der effizienten Portfolio-Theorie arbeitete. Bei der Sharpe-Ratio wird prinzipiell das Risiko in Relation zum Ertrag gesetzt. Die Sharpe-Ratio wird in Fachbüchern meist komplizierter dargestellt, als sie wirklich ist. Prinzipiell ist die jährliche Risikoprämie nur durch die jährliche Volatilität zu teilen – und fertig ist die Gleichung.

Risikoprämie

Was ist denn die Risikoprämie? Bei der Risikoprämie wird vom jährlichen Ertrag ihres Portfolios der (mehr oder minder) risikolose Ertrag abgezogen. Unter einem risikolosen Ertrag versteht man etwa Sparbücher oder kurzfristige Anleihen. Auch Garantieprodukte aus der Welt der Zertifikate kann man getrost in diese Kategorie mit einbeziehen. Gehen wir also nun von einem risikolosen Ertrag von 3% p.a. aus. Ihr Depot erwirtschafte letztes Jahr beispielsweise 23%. Die Risikoprämie beträgt in diesem Fall exakt 20% ( = 23 – 3).

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Sharpe-Ratio = Risikoprämie / Volatilität

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Volatilität

Nun gilt es die Volatilität ihres Depots zu berechnen. Die Volatilität wird aus der Standardabweichung mit der Wurzel des Beobachtungszeitraums multipliziert. Das klingt komplizierter als es ist. Wenn man beispielsweise 12 Monatswerte zur Verfügung stehen hat, und die Standardabweichung daraus z.B. 5 beträgt, dann ist die annualisierte Volatilität 5% multipliziert mal der Wurzel aus 12, also 17,32%. Wie bei Aktien können auch für das Depot Tagesdaten als Berechnungsgrundlage herangezogen werden. Bei 250 Handelstagen pro Jahr und einer unterstellten Standardabweichung von 3%, so beträgt die annualisierte Volatilität 3 multipliziert mit der Wurzel (250). Das Ergebnis: 47,43%. Eine 30% Volatilität sagt folgendes aus: Mit einer Wahrscheinlichkeit von 68,3% schwankt der Kurs zwischen 70% und 130% um den Mittelwert. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 95,4% wird der zukünftige Kursverlauf zwischen 40% und 160% vom Mittelwert variieren. Bei der impliziten Volatilität ist die Erwartung entsprechend um den aktuellen Kurs angesiedelt. Die Volatilität soll jedoch nicht Thema dieser Ausgabe werden. Lesen Sie ggf. bitte in Ausgabe 04/2005 nach.

Die Berechnung

Berechnung A: Risikoprämie / Volatilität = (30%-3%) / 20 = 1.35

Berechnung B: Risikoprämie / Volatilität = (30%-3%) / 25 = 1.08

In diesen zwei Beispielen ist der Ertrag (30%) gleich. Die Volatilität bei der ersten Berechnung geringer. Würde es sich um zwei Fonds handeln, so ist definitiv Fonds A zu bevorzugen.

Berechnung A: Risikoprämie / Volatilität = (12-3) / 12 = 0.75

Berechnung B: Risikoprämie / Volatilität = (12-3) / 5 = 1.8

Auch in diesen zwei Beispielen ist der Ertrag (12%) gleich. Die Volatilität bei der ersten Berechnung fällt allerdings mehr als doppelt so hoch aus. Generell gilt: Liegt die Sharpe-Ratio unter einem Wert von 1, dann ist das langfristige Totalausfallsrisiko enorm. Die bisher erzielten Erträge stehen in keinem Verhältnis zum Risiko – und sind wahrscheinlich auf eine kurzfristige Glückssträhne zurückzuführen.

Fazit

Fällt ihre individuelle Sharpe-Ratio signifikant unter 1, dann ist es ratsam ihre Tradingaktivität zu reduzieren bzw. vorübergehend einzustellen. Sonst ergeht es Ihnen, wie den meisten Anlegern nach dem März 2000 – die Gewinne schwinden, und schwinden, und schwinden. Die Sharpe-Ratio führt Ihnen knallhart vor Augen, ob ihre Gewinne auf Glück basieren, oder ob Sie den Sprung zum konstant erfolgreichen Trader geschafft haben. In der nächsten Ausgabe werden wir uns damit befassen, warum nur die Sharpe-Ratio zählt, und die eigentliche Performance für den Ertrag auf ihrem Portfolio vollkommen irrelevant ist.

Viel Spaß beim Traden,

Pierre M. Daeubner - Trader bei GodmodeTrader.de und stellvertretender Chefredakteur vom Tradersjournal

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