Kommentar
16:23 Uhr, 13.01.2020

Besteuerung von Termingeschäften: Die schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich!

Eine Veränderung der Besteuerung von Termingeschäften sorgt für viele Diskussionen unter Tradern. GodmodeTrader hat beim Bundesministerium der Finanzen nachgefragt. Die Antwort sorgt für Klarheit – und neue Sorgenfalten.

Ein Artikel meines Kollegen Armin Hecktor zur Veränderung der Besteuerung bei Termingeschäften hat für viel Diskussionsstoff unter Tradern und aktiven Anlegern gesorgt. Bundestag und Bundesrat hatten nämlich kurz vor Weihnachten eine Änderung im Einkommensteuergesetz beschlossen, die für Trader, die mit Terminprodukten handeln, gravierende Nachteile bedeutet.

Die wichtigsten Änderung kurz zusammengefasst: Verluste aus Termingeschäften können künftig nur noch mit Gewinnen aus Termingeschäften verrechnet werden und zwar nur noch bis zu einer Höhe von 10.000 Euro pro Jahr. Dies führt zu paradoxen Ergebnissen bei der Besteuerung. Die Begrenzung der Verlustverrechnung kann im Extremfall sogar dazu führen, dass Steuern gezahlt werden müssen, obwohl Verluste erwirtschaftet wurden (Beispiel siehe unten).

Da der Artikel hohe Wellen schlug und da im Internet zeitweise auch die Falschmeldung verbreitet wurde, die unterjährige Verlustverrechnung sei von der Neuregelung gar nicht betroffen, haben wir noch einmal mit konkreten Fragen beim Bundesministerium der Finanzen nachgefragt. Die Fragen und Antworten sollen hier in Gänze wiedergegeben werden:


Frage 1: Können bei Termingeschäften auch innerjährig künftig nur Verluste von höchstens 10.000 Euro mit Gewinnen verrechnet werden? Angenommen, es wurden aus Termingeschäften im selben Jahr sowohl Bruttoverluste von 15.000 Euro als auch Bruttogewinne von 20.000 Euro erzielt. Werden dann wie bisher 5.000 Euro besteuert (20.000 Euro minus 15.000 Euro) oder werden künftig maximal 10.000 Euro als Verluste von den Gewinnen abgezogen, was dann bedeuten würde, dass 10.000 Euro zu versteuern wären (20.000 Euro minus 10.000 Euro)?

Antwort des BMF:

Nach § 20 Absatz 6 Satz 5 EStG können Verluste aus Termingeschäften, insbesondere aus dem Verfall von Optionen, künftig nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit den Erträgen aus Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustverrechnung ist beschränkt auf 10.000 Euro jährlich. Nicht verrechnete Verluste können auf Folgejahre vorgetragen werden und jeweils in Höhe von 10.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Stillhalterprämien verrechnet werden, wenn nach der unterjährigen Verlustverrechnung ein verrechenbarer Gewinn verbleibt. Die Verluste können nicht mit anderen Kapitalerträgen verrechnet werden. Die Regelung greift für Verluste aus Termingeschäften, die nach dem 31. Dezember 2020 eintreten.

Ab dem 1. Januar 2021 würden in Ihrem Beispiel 10.000 Euro Verluste mit Gewinnen verrechnet werden und 10.000 Euro Verluste auf das Folgejahr vortragsfähig.

Fazit: Es ist tatsächlich wie befürchtet: Die unterjährige Verlustverrechnung ist auf 10.000 Euro beschränkt. Im konkreten Beispiel muss ein Betrag von 10.000 Euro versteuert werden, obwohl nach Abzug von Verlusten nur ein Nettogewinn von 5.000 Euro verblieben ist. Im Extremfall kann die Regelung sogar dazu führen, dass beim Handel mit Termingeschäften Steuern gezahlt werden müssen, obwohl unter dem Strich Verluste erwirtschaftet wurden (siehe unten). Dass die nicht verrechneten Verluste auf die Folgejahre vorgetragen werden können, ist dabei nur ein schwacher Trost, denn fallen dann wieder Gewinne und Verluste in ähnlicher Größenordnung an, entsteht mit der Zeit ein riesiger Verlustvortrag, der gar nicht mehr abgebaut werden kann.


Frage 2: Welche Produkte stellen im Sinne des Gesetzes "Termingeschäfte" dar? Futures, Optionen und Optionsscheine dürften eindeutig Termingeschäfte sein, aber was ist z.B. mit Hebelzertifikaten, Faktorzertifikaten, CFDs und gehebelten ETFs? Wonach richtet sich die Einstufung als "Termingeschäft"?

Antwort des BMF:

Termingeschäfte sind in Randziffer 9 des BMF-Schreibens „Einzelfragen zur Abgeltungsteuer“ vom 18. Januar 2016 (BStBl I S. 85) definiert:

„Der Begriff des Termingeschäfts umfasst sämtliche als Options- oder Festgeschäft ausgestaltete Finanzinstrumente sowie Kombinationen zwischen Options- und Festgeschäften, deren Preis unmittelbar oder mittelbar abhängt von

· dem Börsen- oder Marktpreis von Wertpapieren,
· dem Börsen- oder Marktpreis von Geldmarktinstrumenten,
· dem Kurs von Devisen oder Rechnungseinheiten,
· Zinssätzen oder anderen Erträgen oder
· dem Börsen- oder Marktpreis von Waren oder Edelmetallen.

Dabei ist es ohne Bedeutung, ob das Termingeschäft in einem Wertpapier verbrieft ist, an einer amtlichen Börse oder außerbörslich abgeschlossen wird. Zu den Termingeschäften gehören insbesondere Optionsgeschäfte, Swaps, Devisentermingeschäfte und Forwards oder Futures, vgl. Rzn. 36 und 37.“

Fazit: Die Antwort des BMF ist leider nicht sehr konkret, weil keine konkreten Produktgattungen genannt werden. Aus der Antwort lässt sich aber ableiten, dass so gut wie ALLE DERIVATE nach dieser Einstufung als Termingeschäfte gelten. Das bedeutet: Neben Futures, Optionen und Optionsscheinen stellen praktisch auch alle Zertifikate sowie CFDs Termingeschäfte dar und unterliegen damit der Begrenzung der Verlustverrechnung.


Frage 3: Frau Kristina Wogatzki vom BMF wird auf einer Internetseite mit der Aussage zitiert: "Eine Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften auf Ebene der Kreditinstitute (unterjährig) findet nicht mehr statt, da eine Verlustberücksichtigung in Höhe von 10.000 Euro nicht gewährleistet werden kann." Bedeutet das, dass Termingeschäfte nicht mehr unter die Abgeltungsteuer fallen, sondern wieder in der Steuererklärung deklariert werden müssen? Oder wie ist diese Aussage sonst zu interpretieren?

Antwort des BMF:

Termingeschäfte unterliegen weiterhin der Abgeltungsteuer; lediglich eine Verrechnung von Verlusten ist unterjährig (also auf Ebene der Kreditinstitute) nicht mehr möglich. Das jeweilige Kreditinstitut hat die angefallenen Verluste zu bescheinigen, um dem Steuerpflichtigen im Rahmen der Veranlagung bei seinem Finanzamt diese Verrechnung (beispielsweise mit Gewinnen, die bei einem anderen Kreditinstitut erzielt wurden) zu ermöglichen.

Fazit: Diese Antwort hat es wirklich in sich und führt zu einem weiteren Problem, das bisher gar nicht thematisiert wurde: Gewinne bei einzelnen Trades werden unterjährig mit der Abgeltungsteuer belastet und nicht automatisch mit Verlusten verrechnet, die man erzielt hat. Das gilt nicht erst ab Verlusten von mehr als 10.000 Euro im Jahr, sondern grundsätzlich! Will man Verluste gegenrechnen, geht das nur über die nächste Steuererklärung. Trader zahlen also künftig unterjährig ständig Abgeltungsteuer und können Verluste (bis 10.000 Euro) erst mit der nächsten Steuererklärung gegenrechnen lassen! Diese Veränderung betrifft nicht nur Trader, die mehr als 10.000 Euro an Bruttoverlusten pro Jahr haben, sondern JEDEN Trader, der mit Derivaten handelt! Nicht betroffen sind Kunden von Brokern im Ausland, die keine Abgeltungsteuer abführen und bei denen Trader ohnehin eine Steuererklärung abgeben müssen. Hier gibt es keinen unterjährigen Abzug der Abgeltungsteuer. Die Verlustverrechnung ist aber natürlich auch bei diesen Brokern auf 10.000 Euro pro Jahr begrenzt.


Wer meint, die Gesetzesänderung betreffe nur Trader mit einer gewissen Finanzkraft, die mehr als 10.000 Euro Gewinn im Jahr erwirtschaften, irrt sich. Im Einzelfall kann die Regelung nämlich sogar dazu führen, dass Steuern gezahlt werden müssen, obwohl Verluste erwirtschaftet wurden!

Hat ein Trader beispielsweise in einem Jahr mit Termingeschäften 20.000 Euro an Gewinnen und 30.000 Euro an Verlusten erzielt, so kann er von den 20.000 Euro an Gewinnen nur noch 10.000 Euro an Verlusten abziehen und muss den Restbetrag von 10.000 Euro versteuern. Steuerlich hat der Trader also einen Gewinn von 10.000 Euro verbucht, obwohl er tatsächlich einen Verlust von 10.000 Euro erzielt hat.

Die restlichen 20.000 Euro an nicht verrechneten Verlusten kann der Trader zwar auf die Folgejahre vortragen und dann jeweils 10.000 Euro pro Jahr gegebenenfalls mit neuen Gewinnen verrechnen. Liegen in den Folgejahren aber wieder Gewinne und Verluste in ähnlicher Höhe vor, so führt das zu einem stetig steigenden Verlustvortrag, den der Trader praktisch niemals mehr abbauen kann. Konkret zahlt der Trader aber jedes Jahr Steuern, ohne einen Gewinn erzielt zu haben!

Die neue Regelung scheint gegen etliche Grundsätze einer fairen Besteuerung zu verstoßen, unter anderem gegen das sogenannte Leistungsprinzip und gegen das sogenannte Nettoprinzip. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass der Gesetzgeber vielleicht selbst noch ein Einsehen hat und die katastrophale Neuregelung wieder kippt. Andererseits bleibt auch die Hoffnung, dass gegen die Gesetzesänderung auf dem Klageweg vorgegangen wird. Allerdings kann es hier Jahre dauern, bis eine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt. Und vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand...

Lesen Sie auch: Diese Gesetzesänderung hat katastrophale Folgen für den Privatanleger


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  • Steuerberater
    Steuerberater

    Der BFH hat am Freitag ein Urteil zu Zertifikaten veröffentlicht. Die Veräußerung fällt danach unter § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG. Überträgt man das auf alle Zertifikate, würde für diese die Beschränkung nicht gelten. Bleibt abzuwarten, was das BMF daraus macht.

    12:52 Uhr, 29.03.2020
  • Coronella
    Coronella

    Natürlich werden sich einige Leser wieder über mich ärgern aber meine vor Jahren gemachten Aussagen bewahrheiten sich eben: Die Ueberbevölkerung ist demokratisch NICHT regierbar - nur mit einer Diktatur klappt's. Thüringen war ja schon ein eindrücklicher Anfang und die Handelsverbote für Privatanleger ist ganz einfach ein weiterer Schritt in diese Richtung - natürlich, weitere werden folgen!!!

    01:13 Uhr, 18.02.2020
  • irdisch1
    irdisch1

    Cum Ex: Hamburg (unter dem damaligen Bügermeister Olaf Scholz) verzichtete auf 47 Millionen von Warburg Bank --

    https://daserste.ndr.de/panora...

    15:30 Uhr, 13.02.2020
  • Delaney
    Delaney

    Also das hier ist die richtige Petition, die sich gg die Beschränkung der Anrechnung von Verlusten ausspricht: http://chng.it/dQpRkVRj5S

    Mag sein dass das ein Bettelbrief ist, aber was habt Ihr zu verlieren?

    Unterschreiben!

    Man kann nicht mehr versteuern als man eingenommen hat, das ist auch für hiesige Verhältnisse Wahnsinn!

    23:30 Uhr, 25.01.2020
  • SpreadHändler
    SpreadHändler

    Meldet Euch im Welt-Forum an und startet Aufrufe an der Petition teilzunehmen:

    https://www.welt.de/finanzen/a...

    http://chng.it/8c767M5T

    Stichworte für Googlesuche (ich glaube Links werden bei der Welt nicht korrekt dargestellt):

    change org Korrektur EST 2021

    12:34 Uhr, 19.01.2020
  • Tim Taler
    Tim Taler

    Dies betrifft einen nicht nur als Privatanleger.

    Sondern vielmehr ruhen damit auch bis auf Weiteres
    die Pläne zur Errichtung einer betriebsinternen, vermögensbildenden Altersvorsorge für das Personal unseres familiengeführten, mittelständischen Betriebes.

    15:27 Uhr, 18.01.2020
  • SpreadHändler
    SpreadHändler

    Schon eingetragen ? - bitte auch, wenn Ihr glaubt nicht besonders betroffen zu sein.

    In jedem Fall steigt für alle die Derivate handeln die Bürokratie.

    https://www.change.org/p/bunde...

    https://www.dsw-info.de/steuer...

    22:01 Uhr, 16.01.2020
  • xelax
    xelax

    Wie sieht die ganze Sache denn aus wenn man verheiratet ist? (Zugewinn) Haben meine Frau und ich dann insgesamt einen Verlusttopf von 20.000 Euro?

    15:25 Uhr, 16.01.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Tim Taler
    Tim Taler

    1.) Ende 2012: Verbot d. Handelsbörse Betfair für Wettscheine.

    Seit dem existieren nur noch staatliche Wettbüros.
    Diese dürfen allerdings Wettscheine handeln:
    Nämlich wenn man mit dem Wettschein klar vor vorne liegt!
    Dann kommt per App plötzlich ein Rückkaufangebot zu miserablen Konditionen!

    2.) 2016: ESMA Regulierung ausschließlich für CFD´s.
    Enorme Hebelregulierung für Retail-Händler.
    Der undurchsichtige Dschungel "KO-Zertifikatehandel" bleibt vollkommen unangetastet!

    3.) 2021: "Regulierung" von Termingeschäften, ausschließlich für Privatanleger, u volllkommen irrationalen Konditionen

    1-2-3 vorbei.

    Von Pflegenotstand, über erbärmliche 9,35€ Mindestlohn, zu unkontrolliert grassierender Bandenkriminalität, bis hin zum Supergau Flughafen BER, etc pp...

    Bye bye BRD!

    21:39 Uhr, 15.01.2020
    1 Antwort anzeigen
  • mr_tom
    mr_tom

    Ich muss allen hier konstruktiv diskutierenden Tradern und besonders den GMT-Redakteuren DANKE sagen. Regelmässige Informationen werden hier gepostet mit Verbesserungsvorschlägen, besten Dank dafür .

    Wie können wir noch mehr Aufmerksamkeit auf dieses Thema lenken?

    Ich habe bereits alle CDU, FDP und SPD-Bundestagsabgeordnete des Finanzausschusses angeschrieben (siehe Link: https://www.bundestag.de/finan...). Darüber hinaus DAI (https://www.dai.de/de/das-sind...), DDV (https://www.derivateverband.de...) und DSW (dsw@dsw-info.de). Und die Petition eines Traders im Internet unterschrieben (https://www.change.org/p/bundesregierung-korrektur-estg-2021?recruiter=189729231&utm_source=share_petition&utm_medium=copylink&utm_campaign=share_petition).

    Ich hoffe, ihr seid ähnlich aktiv wie ich statt hier im Forum nur zu meckern.

    18:50 Uhr, 15.01.2020

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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