Die Rückkehr der USA auf der Weltbühne – als Energieriese
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Die Rückkehr der USA auf der Weltbühne – als Energieriese
Der amerikanische Erdgas-Boom könnte schon bald den globalen Energiemarkt neuen Gesetzlichkeiten unterwerfen. Energie ist mit einem mal in der von Rezession und Krise geprägten Supernation wieder erschwinglich. Unternehmen aus der ganzen Welt entdecken die USA als hochinteressanten Standort. Erdgasautos könnten sich schneller auf dem Markt etablieren als die Elektrovehikel. Die USA kehrt als Energieriese auf die Weltbühne zurück. In den nächsten Jahren muss jedoch die Frage beantwortet werden, ob das „Fracking“, die revolutionäre Abbaumethode bei der Erdgasgewinnung, die Umwelt nicht zu sehr in Mitleidenschaft zieht.
Von Dr. Eike Wenzel, Institut für Trend und Zukunftsforschung (ITZ)
Das Thema Energie steht ganz oben auf der Wahlkampfagenda von US-Präsident Barack Obama und seinem Herausforderer Mitt Romney: Obama hat angekündigt, die USA in zehn Jahren weitgehend unabhängig von Energieimporten zu machen. Romney kokettiert mit ähnlichen Versprechen. Die Wege, mit denen die beiden Kontrahenten das erreichen wollen, sind durchaus unterschiedlich: Obama fühlt sich nach wie vor der Stärkung der erneuerbaren Energien und dem „New Green Deal“ verpflichtet. Romney bedient natürlich stärker die Erwartungen der amerikanischen Erdöl-Lobby. Das amerikanische Energiewunder, entstanden vor allem durch enorme Vorkommen von Schieferöl und Schiefergas, gibt der „abdankenden Weltmacht“ plötzlich wieder großartige Perspektiven. Amerika könnte sich tatsächlich und in relativ kurzer Zeit von einem Energiekonsumenten zu einem Energieproduzenten verwandeln – dank der Schiefergas-Vorkommen. Die machen jetzt schon ein Drittel der US-Gasversorgung aus – 2035 könnte der Anteil bei 50 Prozent liegen.
Was sind die Hintergründe dieses neuen amerikanischen (Energie-)Märchens? Welchen Konsequenzen hat das für ein Land, das sich gerade mühselig von einer ausgewachsenen Rezession erholt. Wie sehen die Konsequenzen für die Weltwirtschaft aus? Und vor allem: Welche Unternehmen profitieren schon jetzt von dem Energie-Boom made in USA?
1. Rückkehr der USA als Energieriese
Der Energieboom revitalisiert die amerikanische Wirtschaft. Mit Steuereinnahmen von jährlich zusätzlich 49 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren, rechnet etwa das Beratungsunternehmen IHS Global Insight. Optimisten sprechen schon von den USA als der neuen Energiegroßmacht, Nordamerika (allerdings nicht in einem politischen Sinne) als der „neue Mittlere Osten“. Laut einer Studie von Goldman Sachs könnten die USA im Jahr 2017 sogar zum weltgrößten Erdölförderer werden.
2011 stieg die US-Gasproduktion mit acht Prozent mehr als doppelt so schnell wie die Weltproduktion. Laut US-Energiebehörde wird die Nachfrage nach Erdgas zur Stromerzeugung in den USA im Jahr 2012 um 20 Prozent zulegen. Insgesamt sei ein Nachfrageplus beim Erdgas von fünf Prozent zu erwarten, doppelt so viel wie 2011. Golden Nuggets tauchen am amerikanischen Horizont auf. Es entsteht Goldgräberstimmung, wieder einmal, auch an der Wallstreet: Der jetzige Einstieg in Natural Gas an der Nymex in New York sei nur vergleichbar mit dem Einstieg in Gold im Jahre 2001, so einige Experten aus Übersee.
Der Erdgas-Boom kurbelt die US-Wirtschaft an
Energie ist in den USA so billig wie seit zehn Jahren nicht mehr. Davon profitiert besonders die Industrie. Die Experten des Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers rechnen mit einer Million neuer Fabrikjobs bis 2025. Die Strompreise sind wegen der niedrigeren Brennstoffkosten ebenfalls gesunken. Laut IHS spart ein amerikanischer Durchschnittshaushalt dank des preiswerten Gases 926 Dollar pro Jahr. 2008 dominierte noch Kohle die US-Stromproduktion – seit vergangenem Monat jedoch ist Erdgas laut „Financial Times“ die wichtigste Energiequelle des Landes.
Maschinenbaufirmen und Logistiker in den Gebieten, in denen gerade Goldgräberstimmung herrscht, stellen in Vorfreude zusätzliches Personal ein. Das amerikanische Erdgaswunder zieht viele andere Branchen in seinen Bann. Und es sind nicht nur die benachbarten Branchen, die zusätzlich profitieren werden. Die ganze Wirtschaft, von der Transportlogistik über Maschinenbau und Bau bis Gesundheit und Handel erwarten neue Jobs durch die herbeigesehnte Energiewende.
Einfluss des Erdgas-Wunders auf die gesamte US-Jobentwicklung 2011-2020
Quelle: Citi: Energy 2020
In den USA wird zurzeit über einen Energiewandel diskutiert, der nicht so sehr die erneuerbaren Energien im Fokus hat, sondern den Erdgas-Boom. Im vergangenen Jahr hatten wir Erdgas in Cashkurs-Trends (August 2011: „Erdgas – mehr als eine Brückentechnologie“) noch als weltweite Brückentechnologie vorgestellt. Jetzt wird deutlich, dass der Erdgas-Boom die USA tatsächlich von der quälenden Ölabhängigkeit befreien könnte. Die U.S. Energy Information Agency (EIA) geht davon aus, dass die amerikanischen Ölimporte bis ins Jahr 2025 um 20 Prozent zurückgegangen sein werden. BP hat in einem Zukunftsszenario errechnet, dass die USA bis ins 2030 insgesamt 94 Prozent seiner Energie aus eigenen Quellen beziehen wird. Im Moment kommt die USA auf 77 Prozent Eigenanteil an der Energieversorgung.
Fracking: Umweltsauerei oder Lösung des globalen Energieproblems?
Der großartige Unternehmer und Menschenfreund George P. Mitchel (Mitchel Energy) entwickelte in den 1980er und 1990er Jahren die entscheidende Technologie für die Gewinnung von Schiefergas. Durch Mitchels Erfindungen wurde die profitable Förderung von Schiefergas erst wieder möglich. Vertikale, horizontale Bohrungen nach Schieferöl und –gas sind schon lange gebräuchlich. Aber erst das „Hydraulische Fractoring“ (hydraulisches Brechen) der Gesteinsschichten, das Mitchel perfektionierte, machte aus dem Fracking ein Geschäftsmodell. Mittels des Horizontalbohrens wird eine zunächst vertikale Bohrung im Zielgebiet in die Horizontale abgelenkt. Unter hohem hydraulischem Druck entstehen Risse in tiefliegenden Gesteinsformationen, die Erdgas leichter verfügbar machen. Die beim „Fracken“ verwandten Fluide funktionieren wie ein hydraulisches Medium, das den Druck zur Aufsprengung des Gesteins überträgt.
Erdgasförderung wurde durch das Fracking zum Game Changer, die Schlüsselinnovation, die künftig den gesamten Weltenergiemarkt kippen könnte – und den USA zu alter Stärke verhelfen könnte. Mitchels Unternehmen wurde später von Devon Energy (siehe „Unternehmen“) aufgekauft.
Der Boom in den Staaten stößt jedoch auch im eigenen Land und in großen Teilen der Wirtschaft auf immer größere Skepsis. Fracking belastet die Geologie. Einige Experten fürchten, dass durch Fracking die Erdbebengefahr steigt. Fracking findet unter enormem Ressourceneinsatz statt: Für das Aufbrechen einer Schieferschicht werden zwischen drei und 30 Millionen Liter Fracking-Flüssigkeit (ein Gemisch aus Chemikalien, Wasser und Sand) benötigt. Der Abbauvorgang führt zu starker Verschmutzung der Böden und Gesteinsschichten und die bei der Methode verwendeten Chemikalien – so die Bedenken nicht nur von Umweltschutzverbänden – könnten ins Grundwasser gelangen.
Höchste Schiefergas-Vorkommen nach erschlossenen Basins weltweit
Quelle: Citi: Energy 2020
Einstweilen gibt es noch keine endgültige Gewissheit darüber, wie umweltgefährdend Fracking wirklich ist. Den zunehmenden Bedenken steht die Tatsche gegenüber, dass bislang noch keine gravierenden Schädigungen nachweisbar sind. In Deutschland findet das Fracking einstweilen nicht statt. Laut Wirtschaftsminister sind bei der Methode noch zu viele Fragen offen. Diese sollen auf Basis eines unabhängigen wissenschaftlichen Gutachtens geprüft werden. Erst auf Basis der Ergebnisse eines solchen Gutachtens soll eine abschließende Bewertung vorgenommen werden. Anders bislang in den USA. Quer durchs Land erschließen gerade Energiekonzerne wie ExxonMobil, Chevron, Shell und viele andere mehr neue Quellen für Erdöl und Erdgas. Nach Schätzungen der US-Energiebehörde EIA lagern in Amerikas Gesteinsformationen rund 24 Milliarden Barrel Schieferöl und 24 Billionen Kubikmeter Schiefergas. Diese Ressourcen könnten für die Vereinigten Staaten laut Experten bis zu 100 Jahre reichen.
Um die Risiken zu minimieren, entwickelt die Gasindustrie mittlerweile saubere Fracking-Techniken. Das Unternehmen MIOX aus Alberquerque beliefert seit Jahren Kommunen und Verwaltungen mit Wasserfiltersystemen. Miox hat jetzt Technologien entwickelt, die das Fracking deutlich umweltschonender machen könnte. Mit dem Miox-Filter lässt sich der Einsatz von Chemikalien beim Fracking deutlich reduzieren. Darüber hinaus soll der Miox-Filter das Wasser, das nach dem Fracking wieder in den Kreislauf zurückkehrt, erheblich schadstofffreier machen. Miox hat seine viel versprechende Neuerung in enger Kooperation mit Schlumberger (s. „Die Unternehmen“) auf den Weg gebracht. Für die nächsten Monate sind in dieser Hinsicht weitere Neuerungen zu erwarten. Denn mittlerweile müssen die Unternehmen in den USA die Zusammensetzung ihrer Fracking-Chemikalien publik machen.
Bleibt das Klimaproblem. US-Wissenschaftler streiten heftig darüber, wie klimaschädlich die Schiefergas-Förderung wirklich ist. Fest steht: Mit herkömmlichen Verfahren gefördertes Erdgas verursacht beim Verbrennen 50 Prozent weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) als Kohle und ein Drittel weniger als Öl. Für Schiefergas ist die Rechnung komplizierter. Streitpunkt der Forscher ist, wie viel des Treibhausgases Methan (der Hauptbestandteil von Erdgas) beim Fracken in die Atmosphäre gelangt. Einige nehmen an, Schiefergas sei doppelt so klimaschädlich wie Kohle, weil während der Förderung massenhaft Methan durch undichte Bohrrohre austrete. Erst 2015 ist Abhilfe in Sicht: Dann sind die Unternehmen verpflichtet, ihre Bohrtürme mit Dichtungen und Auffangbehältern nachzurüsten.
Erdölimporte der USA gehen deutlich zurück
Quelle: Citi: Energy 2020
Die USA träumt nach der „Great Recession“ vom großen Neuanfang. So wie es in den 1930er Jahren nach der großen Depression und 1870 schon einmal gelungen: der Phönix-hafte Wiederaufstieg nach den bitteren Jahren des Niedergangs. Und es gibt sie auch wieder, die Wirtschaftswunder und Abenteuergeschichten aus den USA. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtete Anfang 2012 über ein solches Energieaufschwungmärchen: Cheniere Energy hatte sich mehrere Milliarden Dollar geliehen, um in Louisiana einen Import-Terminal für verflüssigtes Erdgas (liquified natural gas, abgekürzt LNG) zu errichten. Das klang zu einer Zeit, in der die Gaspreise in den USA hoch waren und manche glaubten, sie würden immer weiter steigen, nach einer guten Geschäftsidee.
Als Chenieres den Terminal Ende 2008 mitten in der Bankenkrise fertigstellte, ahnten schon viele, dass er niemals benötigt werden würde. Der Kurs der Cheniere-Aktie, der sich zwischen 2002 und 2007 von 40 Cent auf 40 Dollar verhundertfacht hatte, fiel innerhalb eines Jahres auf einen Dollar zurück. Die Firma stand vor dem Aus. Chef und Unternehmensgründer Charif Souki hatte eine Idee: Wenn die USA keinen Import-Terminal brauchen, wie wäre es dann mit einem Export-Terminal? Bereits im Oktober unterzeichnete Cheniere einen Liefervertrag mit dem drittgrößten britischen Energiekonzern BG Group. Ab 2015 soll Cheniere 20 Jahre lang die Flüssiggastanker von BG befüllen. Das Geschäftsvolumen beträgt zwölf Milliarden Dollar, und BG hat die Option, den Vertrag um zehn Jahre zu verlängern. Seither stehen die Interessenten bei Cheniere Schlange.
2. Die Roadmap: Amerikas neue Rolle als Energieriese
Wenn es gut geht, definiert das amerikanische Erdgaswunder in den nächsten Jahren die Regeln des überdrehten globalen Energiemarktes neu. Natürlich wird mittlerweile vor einer ausgewachsenen Erdgasblase gewarnt. Einige Förderunternehmen haben bereist Gewinnwarnungen aussprechen müssen, weil der Erdgaspreis immer weiter abrutscht. Aber die wankende Supermacht hat allen Grund, von besseren Zeiten zu träumen. Insbesondere die Ölkonzerne sind vom Erdgas-Potenzial überzeugt. Vor zwei Jahren kaufte Exxon für 41 Milliarden Euro das Gas-Unternehmen XTO Energy. Hauptgrund für den Kauf: die Erfahrung, die XTO im Fracking besitzt. Heute erzielt Exxon die Hälfte des Umsatzes mit Erdgas, und die Hälfte der nachgewiesenen Reserven bei Exxon sind mittlerweile ebenfalls gasförmig.
Sechs Argumente sind besonders wichtig bei der Einschätzung des weiteren Verlaufs des Booms in den USA:
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Dirk Müller
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