Kommentar
13:23 Uhr, 03.07.2015

Die Reichen werden immer ärmer!

Eigentlich kennt man den Spruch als „Die Reichen werden immer reicher.“ Das ist seit Jahrzehnten Konsens, kaum jemand wiederspricht dem. Aber ist das wirklich so?

Ungleichheit ist die größte Gefahr für die Wirtschaft

Der französische Ökonom Thomas Piketty hat mit seinem Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ für viel Aufsehen gesorgt. Die Grundthese lässt sich auf ein bis zwei Sätze reduzieren: die Reichen werden reicher und die Ungleichverteilung von Vermögen nimmt zu. Damit spricht Piketty vielen Menschen aus der Seele und es ist auch nicht so, dass er die Behauptung einfach aus der Luft greift. Er belegt seine Thesen mit Daten und Beobachtungen.
Das Buch ist nicht nur ein Bestseller, sondern dient vielen Menschen den aktuellen Stand in unseren Wirtschaften zu kritisieren. Die Argumentation und die Beobachtungen haben es nicht nur in die Politik, sondern auch zu den Notenbanken geschafft. Vor allem die US Notenbank hat das Thema Vermögenskonzentration seit einem Jahr hoch auf der Agenda.

Die Schieflage in der Vermögensverteilung ist bei vielen inzwischen als die größte Gefahr für Wirtschaftswachstum anerkannt. Ich selbst zähle mich zu diesen Menschen. Die dahinterstehende Logik ist ziemlich einfach. Das macht sie nicht schlechter, sondern sehr robust.

Wieso zu hohe Vermögenskonzentration schädlich ist kann man sich anhand eines sehr einfachen extremen Beispiels vor Augen führen. Nimmt man an, dass sämtliches Vermögen einer einzigen Person gehört und alle anderen kein Vermögen besitzen, dann wird schnell klar, wieso eine solche Wirtschaft nicht lange funktionieren kann. Die Person, die sämtliches Vermögen besitzt, konsumiert einen Teil des Vermögens. Die Person baut sich vielleicht neue Häuser, kauft Konsumgüter, muss essen usw. Diese Güter müssen alle produziert werden und geben Menschen Arbeit.

Wie viele Menschen braucht es jedoch, um die Güter für einen Menschen zu produzieren? Wenn nur eine Person überhaupt das Vermögen hat, um zu konsumieren, wird das kaum für Vollbeschäftigung sorgen. Nachdem sehr viel Arbeitskraft vorhanden ist, die gar nicht gebraucht wird, ist Arbeit sehr günstig. Die gezahlten Gehälter sind minimal. Entsprechend niedrig ist der Gesamtoutput der Wirtschaft und entsprechend niedrig ist damit auch das Bruttoinlandsprodukt.

Im Kern ist eine Person reich und alle anderen bitterarm. Sie können nicht konsumieren und kommen so gerade über die Runden. Ein solches Szenario ist natürlich vollkommen überspitzt. Bevor es soweit kommen kann, gibt es wohl eher eine Revolution. Die Grundidee ist allerdings auch auf ein mehr oder minder gut funktionierendes System wie dem unseren anwendbar.

Geld, welches sich an einem Ort konzentriert, steht nicht mehr der Allgemeinheit zur Verfügung, um zu konsumieren. Eine Person wie Bill Gates, die knapp 80 Mrd. USD Vermögen besitzt, könnte all das Geld vermutlich selbst beim besten Willen nicht schnell unter die Leute bringen, wenn er es nicht einfach in Geldscheinen auf die Straße wirft. Würden diese 80 Mrd. nicht bei dieser einen Person liegen, sondern sich auf eine Millionen Menschen verteilen (80.000 USD pro Person), dann würde wohl ein Großteil davon in den Konsum fließen. Nehmen wir an, es fließen von diesen 80.000 ungefähr 50% in den Konsum. Das sind 40 Mrd. USD. Wie viel Geld fließt nun aber durch Bill Gates in den Konsum? – 40 Mrd. sind es wohl kaum.

Es lässt sich nicht bestreiten, dass in den meisten Wirtschaften die Vermögenskonzentration steigt. In den USA ist der Trend besonders ausgeprägt. Vor der Großen Depression der 30er Jahre hatten die top 1% der Gesellschaft knapp 20% aller Einkünfte. Dieser Wert sankt bis unter 8% in den 70er Jahren. Heute steht der Wert bei 18%. Das sind keine guten Aussichten, doch es ist nicht unbedingt alles so schlecht, wie es scheint, denn: die Reichen werden immer ärmer.


Die Reichen werden ärmer

Zunächst muss man festhalten, dass die Vermögenskonzentration vor allem seit der Finanzkrise dramatisch zugenommen hat. Verantwortlich dafür ist unter anderem die Politik der Notenbanken. Zinsen um den Nullpunkt haben zu einer drastischen Aufwertung von Assets wie Aktien und Anleihen geführt. Jene, die damals Vermögen besaßen, besitzen jetzt sehr viel mehr, weil die Assets so stark aufwerteten. Diejenigen, die damals kein Vermögen besaßen, besitzen immer noch keines.

Im Normalfall sollte finanzielle Repression (entspricht der aktuellen Notenbankpolitik) zu einem Vermögenstransfer von Gläubigern zu Schuldnern führen. In normalen Zeiten ist es umgekehrt, weil Schuldner auf die Schulden Zinsen zahlen müssen. Bei ultraniedrigen Zinsen bzw. negativen Realzinsen fließt Geld in geringem Ausmaß von denen, die Geld haben, zu denen, die keines haben.

Die derzeitige Phase ist nicht die erste Phase der finanziellen Repression. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschuldeten sich die USA über eine solche Politik in den 50er und 60er Jahren. Dieses Mal ist es jedoch anders. Die Repression funktioniert nicht richtig. Ein Grund ist die fehlende Inflation. Inflation ist ein Nachfragephänomen (je mehr Güter nachgefragt werden, desto höher steigt deren Preis um für ein Gleichgewicht zu sorgen), welches nur auftreten kann, wenn Menschen genug Geld für den Konsum haben. Das haben sie jedoch nicht, denn die Reallöhne stagnieren oder sinken und viele neue Jobs sind Teilzeitstellen.

Neben fehlender Inflation hat sich auch das ganze System gewandelt. Früher war es noch eher so, dass das Vermögen der einen als Kredit an andere vergeben wurde. Wenn dann die Realzinsen negativ sind, senkt das effektiv das Vermögen derjenigen, die Geld besitzen. Heute gibt es diesen Zusammenhang de facto nicht mehr. Der Vermögenstransfer findet nur noch begrenzt statt und zwar vor allem von denen, die wenig haben.
Die niedrigen Zinsen machen es für Sparer, die ein paar hundert oder ein paar tausend Euro im Jahr zur Seite legen können schwer noch einen positiven Zins zu erwirtschaften. Dazu gehört auch das ganze System der privaten Pensionsvorsorge. Lebensversicherungen haben größte Mühe die ohnehin schon mickrigen Garantiezinsen zu erwirtschaften. Es fließt letztlich vom Kleinsparer Geld zum Staat. Die, die es treffen sollte (diejenigen mit großem Vermögen), trifft es nicht, denn das Vermögen liegt nicht auf dem Sparbuch, sondern in Aktien oder anderen Vermögenswerten.

Nach all diesen Argumenten fällt es schwer sich vorzustellen, dass die Reichen ärmer werden, schließlich deutet alles auf das Gegenteil hin. Trotzdem kann man mit hoher Sicherheit sagen: die kommenden Jahre werden für die Reichen sehr, sehr schwer, auch wenn man es sich aktuell gar nicht vorstellen kann.

Mehr dazu in der Fortsetzung des Artikels.

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19 Kommentare

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  • centsammler
    centsammler

    sehr guter artikel! freue mich auf die fortsetzung!

    19:17 Uhr, 05.07. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    "Nimmt man an, dass sämtliches Vermögen einer einzigen Person gehört und alle anderen kein Vermögen besitzen, dann wird schnell klar, wieso eine solche Wirtschaft nicht lange funktionieren kann."

    Das wäre auf einem freien Markt nur möglich, wenn diese eine Person alle Produktionsmittel besäße und er damit die Bedürfnisse aller Menschen zu geringst möglichen Kosten bei bestmöglicher Qualität produzieren bzw. anbieten würde, und er müsste dann auch alle möglichen Güter produzieren, da sonst sofort Wettbewerb auf käme. Um die Bedürfnisse der Menschen zufrieden zu stellen, braut er dann aber so viele Arbeitskräfte, wie ansonsten die zahllosen Unternehmen heute. Beschäftigt er weniger und bietet nicht genügend Güter an, entsteht sofort ein alternatives Versorgungssystem, mit entsprechend viel Beschäftigten und der Monopolist muss Einbußen bei seinem Vermögen hinnehmen, denn seine Vermögen gründet ja letztlich auf entsprechenden Produktionsfaktoren, die er dann abschreiben muss, wenn die Menschen alternative Möglichkeiten nutzen. Schließlich wollen sie ja überleben.

    "Die Person, die sämtliches Vermögen besitzt, konsumiert einen Teil des Vermögens. Die Person baut sich vielleicht neue Häuser, kauft Konsumgüter, muss essen usw. Diese Güter müssen alle produziert werden und geben Menschen Arbeit."

    Diese Person würde sich ja schaden, wenn sie die Produktionsmittel konsumiert. Sein Vermögen ist ja zum allergrößten Teil in Produktionsmittel investiert. Alle Vermögen stammen schließlich aus der Produktion von Gütern. Wäre Vermögen in reinen Finanzderivaten (Optionen, Terminkontrakten, Zertifikaten usw.), würde die Güterproduktion ohnehin bereits zusammengebrochen sein und das "Vermögen" dieser Person wäre nichts mehr wert, weil es keine Güter mehr gäbe. Er könne nicht mal mehr sein täglich Brot kauen, denn seinem Multi-Trillionen Geldvermögen fehlt die Grundlage, nämlich die Güterproduktion. Würde er nur die Menschen beschäftigen, die er zu seinem eigenen Konsum braucht, müssten alle nicht bei ihm beschäftigten verhungern. Das wird aber nicht geschehen, denn es werden, wie gesagt, alternativen entstehen.

    Das die heute nicht der Fall ist, liegt daran, dass es keinen wirklich freien Markt gibt und der Staat, der letztlich rein parasitär ist, immer größere Teile der Menschen, die die tragende Säule der Gesellschaft bilden, die Mittelschicht, die ihre ihre Einnahmen aus ihrer produktiven Tätigkeit bezieht, schamlos ausplündert, so dass ihr nur noch rund 25 - 30% ihrer Einkommen zur freien Verfügung bleiben. Zusätzlich werden gerade dies Menschen über die ungezügelte Geldschöpfung im staatlichen Fiat Geld System laufen enteignet.

    Der französische Ökonom Thomas Piketty hat weder die richtige Analyse noch die geeigneten Rezepte präsentiert.

    11:22 Uhr, 04.07. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    "Eine Person wie Bill Gates, die knapp 80 Mrd. USD Vermögen besitzt, könnte all das Geld vermutlich selbst beim besten Willen nicht schnell unter die Leute bringen, wenn er es nicht einfach in Geldscheinen auf die Straße wirft."

    Das Geld ist ja bei Bill Gates auch sinnvoll investiert und schafft Arbeitsplätze. Die Mittel in den Konsum zu stecken, vernichtet diese Arbeitsplätze.

    Eine gewisse ungleiche Verteilung von Vermögen bringt auch die hoch produktive, kapitalintensive Produktion von Gütern mit sich. Um einen A300 Großraumflugzeug zu produzieren, benötigt man halt große Mengen Kapital. Es sind halt sehr viele Menschen nicht bereit unternehmerische Risiken zu übernehmen, sie bevorzugen eine Arbeitnehmertätigkeit mit regelmäßigem Einkommen.

    18:46 Uhr, 03.07. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Die Reallöhne stagnieren weil der Fiskus insbesondere bei der Mittelschicht, dem Hauptkonsumenten, immer stärker zugreift (u.a. durch die "Kalte Progression") und die Notenbanken Geld Inflation betreiben, mit der die Lohnsteigerungen nicht mitgehalten haben.

    Haupttreiber für das auseinander driften von Arm und Reich sind die Notenbanken mit ihrer Planwirtschaft beim Geld.

    18:27 Uhr, 03.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Die Überschrift erinnert mich irgendwie an eine Artikel im Handelsblatt da ging es um fürchterliche Einkommensverluste von Hedge-Fonds Manager der arme Mann musste tatsächlich nur mit einem schmalen Salär von 300 Millionen USD auskommen, unglaublich was es für eine Armut auf der Welt gibt :-)

    18:27 Uhr, 03.07. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    "Inflation ist ein Nachfragephänomen"

    Nein!

    Inflation ist ein monetäres Phänomen. Inflation bezieht sich auf das Preisniveau der Gesamtheit aller Güter. Angebot und Nachfrage und der sich daraus ergebende Preis, betreffen immer nur einzelne Güter. Da können die Preise schwanken. Die Gesamtheit (Summe) der Güterpreise wird dagegen von der Geldmenge bestimmt, diese Gesamtheit der Preise kann nur steigen, wenn die Geldmenge erhöht wird.

    18:20 Uhr, 03.07. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Garten
    Garten

    ... ein Titel der viele Klicks bringt, natürlich wirds für die Reichen schwer, weils den Armen schlechter geht und weniger konsumiert wird in den Industrieländer - dank neoliberaler Ideologie. Es hilft nur den Armen mehr zukommen zu lassen und damit mehr Geld in den Konsum zu bringen, vgl. zum Beispiel Schweden ...

    18:20 Uhr, 03.07. 2015
  • Dieter_HW
    Dieter_HW

    Passt ein bisschen in unser Lebensmotto: „Nie wieder arm sein. Nicht für eine Million."

    Einen erhabenen Gruß an unsere Untertanen aus der kapitalistischen Hochburg des Bergischen Landes. Immer dran denken, Arbeit macht frei.

    16:44 Uhr, 03.07. 2015
  • watuffli
    watuffli

    Man "kann mit hoher Sicherheit sagen: die kommenden Jahre werden für die Reichen sehr, sehr schwer ..."

    Im Moment reicht meine Phantasie nicht aus, dieses Orakel zu deuten. Brenne darauf, die Fortsetzung baldigst lesen zu können.

    15:08 Uhr, 03.07. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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