Kommentar
06:22 Uhr, 07.12.2015

Die Normalisierung kommt: Darauf müssen Aktionäre achten!

Die Normalisierung läuft an. Dazu gehören auch Zinsanhebungen. Diese sind für Aktionäre jedoch noch das geringste Problem.

Höhere Zinsen sind für Aktien ein Problem. Ohne zu sehr in Details zu gehen, lässt sich der Effekt von Zinserhöhungen wie folgt zusammenfassen:

Steigen die Zinsen, dann sinkt die Bewertung von Unternehmen.

Unternehmenswerte sind nichts anderes als der Barwert zukünftiger Gewinne. Steigen die Zinsen, dann steigt der Diskontierungssatz und der Barwert sinkt. Dieser Effekt wird „Valuation Compression“ – Bewertungskompression – genannt. Diese bevorstehende Reduktion der Bewertung (kann man an sinkenden KGVs bei stagnierenden oder wachsenden Gewinnen messen) ist für Aktien nur ein Problem der Normalisierung.

Wird von Normalisierung gesprochen, dann beziehen sich die meisten Analysten vor allem auf die Rückkehr zu positiven Zinsen, weg von der Nullzinspolitik. Das ist ein Effekt der Normalisierung und sicherlich der Effekt, der am meisten diskutiert wird. In den vergangenen Jahren sind jedoch noch ganz andere Dinge als die Zinspolitik abnormal gewesen. Auch diese Dinge bedürfen einer Normalisierung.

Worum es sich bei diesen „Dingen“ handelt zeigt Grafik 1. Dargestellt sind die US Wirtschaftsleistung und die Summe aller Unternehmensgewinne des Landes. Zwischen 1947 und 2002 wuchsen die Gewinne im Durchschnitt mit der US Wirtschaftsleistung. Die Unternehmensgewinne machten einen Anteil von 4 bis 8% der jährlichen Wirtschaftsleistung aus.

Von 2003 bis heute sind die Gewinne überproportional gewachsen. Sie erreichten Ende 2011 10,1% des Bruttoinlandsproduktes. Das ist im Vergleich zur Historie sehr viel. Bis 2003 lag der höchste Anteil der Gewinne am BIP bei 8%. Die in 2010 erreichten 10% liegen 25% darüber.

Im Gegensatz zur Gesamtwirtschaft, die sich nach wie vor nur langsam erholt, konnten Unternehmen die Erholung sehr viel besser nutzen und ungewöhnlich viel Gewinn aus der Wirtschaft ziehen. Geholfen hat dabei sicherlich nicht nur die gewinnmaximierende Politik von Managern, sondern auch ein schwacher Dollar, der die Auslandsgewinne hat steigen lassen. Seit 2011 wertet der Dollar auf und lastet auf den Gewinnen.

Für Aktionäre ist es natürlich kein schönes Bild, wenn die Gewinne sinken – sei es im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung oder in absoluten Beträgen. Für die Wirtschaft als solche ist es positiv, wenn Unternehmen keine exorbitanten Gewinne einfahren. Früher galt diese Aussage nicht. Je mehr Unternehmen an Gewinn erwirtschafteten, desto mehr wurde an Mitarbeiter ausgeschüttet und desto mehr wurde investiert. Heute ist das nicht mehr der Fall. Fast 100% der Gewinne werden genutzt, um sie in Aktienrückkäufe und Dividenden zu stecken. Das ist ein relativ unproduktiver Gebrauch des Geldes.

Aktienrückkäufe sind am unproduktivsten. Sie reduzieren die Anzahl an verfügbaren Aktien. Der Wert der Aktien steigt dadurch – auf dem Papier. Wird der Buchgewinn von Anlegern realisiert und nicht in die Realwirtschaft investiert bzw. in den Konsum geleitet, dann entzieht das der Wirtschaft effektiv Geldmittel.

Über Dividenden lässt sich streiten. Ein Großteil der Aktienbesitzer hat gleich soviel Besitz, dass Dividenden nicht ausgegeben werden. Sie werden einfach genutzt, um sie in die nächste Spekulation zu stecken. Wie sehr das der Realwirtschaft hilft, sei dahingestellt.

Die Gewinnrezession der US Unternehmen verleitet nun einige Analysten dazu die nächste Rezession gleich um die Ecke zu erwarten. Grafik 2 zeigt das Gewinnwachstum und das Wachstum der US Wirtschaft. Beide gehen für gewöhnlich Hand in Hand. Ausnahmen waren die Jahre 1983 bis 1986, 1998 bis 2000 und 2012 bis heute. Diese Zeiträume sind nicht zufällig entstanden. In diesen Jahren wertete der Dollar sehr stark auf, was das Gewinnwachstum dämpfte.

Die aktuelle Gewinnrezession hat wenig mit der Realwirtschaft zu tun. Es sind vielmehr kleiner werdende Auslandsgewinne und ein Rohstoffsektor, der nur noch knapp profitabel ist. Gleichzeitig steigen die Löhne langsam aber sicher an. Auch das vermindert die Margen.

Nachdem Unternehmen viele Jahre lang ihre Marge steigern konnten, kaum investierten, um den Gewinn noch weiter zu steigern und Löhne niedrig hielten (der Lohnanteil am BIP sank von 52% im Jahr 1969 auf 42% im Jahr 2011) kommt es nun zu einer Normalisierung. Der Lohnanteil am BIP steigt seit 2012 wieder. Für den Durchschnittsamerikaner ist das eine gute Nachricht. Für Aktionäre ist diese Art der Normalisierung schwierig.

Grafik 3 zeigt den Zusammenhang zwischen Unternehmensgewinnen und Lohnanteilen an der Wirtschaftsleistung. Steigt der Lohnanteil, dann sinken die Gewinne – und umgekehrt. Nachdem viele Jahre lang der Lohnanteil gesunken ist scheint sich der Trend nun umzukehren. Für Unternehmen bedeutet das selbst bei einem weniger stark aufwertenden Dollar weiterhin Druck auf die Gewinne.

Die negative Korrelation lässt sich im Übrigen nicht nur durch Gewinnrückgänge während Rezessionen erklären. Während eines Abschwungs steigt der Lohanteil, da die Gewinne sehr viel schneller fallen als Beschäftigte gekündigt werden. Die fast 70-jährige Historie zeigt viele Phasen, in denen Rezessionen nicht für einen Anstieg des Lohnanteils verantwortlich gemacht werden können.

In der bisherigen Normalisierung haben vor allem Aktionäre profitiert. Jetzt sieht es so aus als wären Arbeitnehmer am Zug. Für Aktionäre ist das eine schlechte Nachricht, für die Stabilität der Wirtschaft und die Nachhaltigkeit des Aufschwungs ist es eine gute.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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