Kommentar
16:35 Uhr, 01.04.2020

Die Märkte befinden sich im Blindflug

Niemand weiß, wie schlimm der wirtschaftliche Einbruch wirklich wird. Und das wird sich so schnell auch nicht ändern.

Konjunkturdaten werden immer mit einer gewissen Verzögerung veröffentlicht. Kein Wunder, es braucht schließlich Zeit, Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu veröffentlichen.

Schon in "normalen Zeiten" ist diese Verzögerung problematisch, aktuell ist die verzögerte Veröffentlichung aber eine Katastrophe. Denn auch die Politik müsste eigentlich darauf angewiesen sein, die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Corona-Maßnahmen wenigstens halbwegs beurteilen zu können. Doch es gibt schlichtweg keine Daten, die ein verlässliches Bild zeigen.

Am Freitag werden die offiziellen US-Arbeitsmarktdaten für März veröffentlicht. Schon heute gab es die "inoffiziellen" ADP-Daten. Doch die Daten zeigen nichts davon, wie stark die Arbeitslosigkeit tatsächlich gestiegen ist. Denn sowohl die offiziellen Daten als auch die ADP-Daten basieren auf telefonischen Befragungen, die bis Mitte März durchgeführt wurden. Damals gab es die massiven Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die aktuell weite Teile der USA lahmlegen, zum größten Teil aber noch nicht. Wer wissen will, will stark die Arbeitslosigkeit durch die aktuellen Maßnahmen tatsächlich steigt, wird bis Ende April warten müssen.

Auf andere "harte" Daten wird man noch länger warten müssen. Das Bruttoinlandsprodukt wird meist ein bis zwei Monate nach dem Ende eines Quartals veröffentlicht. Anschließend werden die Daten allerdings noch revidiert, so dass sich das Bild mitunter stark ändern kann. In Krisenzeiten fallen diese Revisionen oft besonders deutlich aus, so dass die zunächst gemeldeten Daten oft kein wahres Bild zeigen. "Echtzeitindikatoren" für das BIP wie das Modell GDPnow in den USA versagen aktuell noch völlig, weil die darin bisher berücksichtigten Daten noch vor Beginn der aktuellen Maßnahmen erhoben wurden.

Die einzigen "harten" Daten, die fast in Echtzeit vorliegen, sind die wöchentlich ermittelten Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA, die in der vergangenen Woche bereits einen nie dagewesenen Anstieg auf über drei Millionen zeigten und in dieser Woche in einer ähnlichen Größenordnung liegen dürften.

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Für Deutschland wurde gestern gemeldet, dass bis zum 27. März ganze 470.000 Betriebe Kurzarbeit angemeldet haben. Auch das ist ein nie zuvor erreichter Rekordwert.

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Ansonsten bleiben nur umfragebasierte Daten wie das ifo-Geschäftsklima und die Einkaufsmanagerindizes. Für das ifo-Geschäftsklima wurde am 19. März auf Basis einer vorläufigen Auswertung ein dramatischer Einbruch gemeldet. Die Befragung, die dem ifo-Geschäftsklima zugrunde liegt, fand allerdings zwischen dem 2. und 18. März und damit noch vor Beginn der Ausgangsbeschränkungen statt. Bei den heute veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes aus Europa und den USA fand der Großteil der Befragung ebenfalls vor Beginn der aktuellen Ausgangsbeschränkungen und der großflächigen Betriebsschließungen statt. Auch diese sonst recht aktuellen Daten verraten derzeit also nicht, wie tief der wirtschaftliche Einbruch tatsächlich ausfällt.

Fazit: Wie stark die Konjunktur unter den aktuellen Einschränkungen leiden wird, ist zum aktuellen Zeitpunkt noch völlig unklar. Sehr wahrscheinlich wird die Wirtschaftsleistung aber zumindest kurzzeitig stärker einbrechen als bei allen bisherigen Krisen. Entscheidend wird deshalb vor allem sein, wie schnell die Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus wieder gelockert werden können und wie schnell anschließend eine Erholung einsetzen kann. Beides ist aber zum aktuellen Zeitpunkt auch nicht ansatzweise abchätzbar.


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21 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    ja wo laufen sie denn, wo laufen sie denn hin ?

    19:59 Uhr, 01.04.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Elmokaleo
    Elmokaleo

    Alles nicht so schlimm. Erst mal long mit Call-Optionen (kein Zeitdruck) gehen, denn bisher wurde schon immer jedes, wirklich jedes Gap geschlossen, und das letzte ist bei ca. 11.400!

    19:00 Uhr, 01.04.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Sarkast
    Sarkast

    Mal Trommelwirbel für "le Daxi". Da wird´s grad interessant

    18:04 Uhr, 01.04.2020
    1 Antwort anzeigen
  • Tüskendör
    Tüskendör

    Ich schätze den Artikel, der gegenüber meiner Markteinschätzung allerdings noch einen zu positiven Zungenschlag hat. Der Markt wird nicht warten, bis sich die Dramatik der Situation in den Zahlen manifestiert. Es geht in Schüben abwärts - solange allein die Unsicherheit darüber herrscht "wie schlimm es wirklich sein KÖNNTE"...

    17:48 Uhr, 01.04.2020
    3 Antworten anzeigen
  • Gänseblümchen
    Gänseblümchen

    sind die Märkte im Blindflug oder einige Schreiberlinge hier? Sie und Herrn Gräfe nehme ich davon aus

    17:41 Uhr, 01.04.2020
  • Lumpazi
    Lumpazi

    Gute Übersicht, angemessene Überschrift: lesenswerter Artikel.

    16:53 Uhr, 01.04.2020
    1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen

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Oliver Baron
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Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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