Kommentar
07:44 Uhr, 26.08.2015

Die Intelligenz der "Masse" an der Börse

Man schreibt der Masse eine gewisse Ignoranz zu. Laufen alle in die gleiche Richtung, dann führt das zu großen Übertreibungen – sei es nach unten oder oben. Die meisten werden dann kalt erwischt, wenn der Markt dreht. Die Masse ist jedoch deutlich intelligenter und ein besserer Indikator als man vielleicht denkt.

Im vorherigen Artikel habe ich mich damit auseinandergesetzt,wie weit der US Markt aus fundamentalen Gesichtspunkten fallen müsste, um wieder als fair bewertet zu gelten. Hier gehe ich nun der Frage nach, wie viel Potential die Kurse aus Sentiment Sicht nach unten haben.

Für die US Märkte gibt es so viele Sentiment Indikatoren wie kaum für einen anderen Markt

Besonders aufschlussreich sind die Sentiment Indizes des Nobelpreisträgers Robert Shiller. Über die gute Prognosekraft dieser Indizes habe ich bereits vor einigen Monaten berichtet. Damals war die generelle Meinung, dass die Indikatoren eine Korrektur anzeigen. Jetzt, 4 Monate später, ist sie da. Am Timing Element muss noch gearbeitet werden, und für das exakte Timing ist es nun ohnehin erst einmal zu spät. Dafür können die Sentiment Indizes jetzt, da die Korrektur läuft, einen gewissen Hinweis geben, wie weit die Korrektur geht.

Grafik 1 zeigt den Valuation Index und den S&P 500. Der Valuation Index zeigt an für wie fair Anleger die Bewertungen des Marktes halten. Ein hoher Indexwert zeigt ein hohes Vertrauen in die Bewertung an. Je höher der Index, desto billiger sind Aktien. Je tiefer der Index steht, desto überbewerteter gelten Unternehmen.

Der Index sinkt bereits seit Ende 2011, kam aber auch von einem sehr hohen Niveau. Inzwischen hat der Index ein Level erreicht, welches zuletzt im Jahr 2002 oder 1998 gesehen wurde. Damit empfinden Anleger Aktien als so teuer wie seit den Zeiten der Internetblase nicht mehr. Um das zu ändern müssen Aktien fallen, und zwar nicht nur um ein paar Prozent. Die jetzige Korrektur fühlt sich wegen der hohen Volatilität so an, als würde sie schon lange laufen und als ob die Kurse schon ausreichend gefallen wären. Das sind sie nicht.

25% Verlustpotenzial?

Bedenkt man, wo der Valuation Index heute steht und von welchen Niveaus aus in der Vergangenheit Rallyes begonnen haben, lässt das den Schluss zu, dass Aktien mindestens 25% verlieren müssen, um von Anlegern wieder als attraktiv und günstig eingestuft zu werden.

Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt man auch aufgrund anderer Sentiment Indizes. Grafik 2 zeigt den 1 Year Confidence und Buy-on-Dips Index. Der Confidence Index fragt danach wie überzeugt Anleger davon sind, dass Aktien auf Sicht von 12 Monaten eine positive Performance zeigen werden. Aktuell steht der Wert so niedrig wie zu Zeiten der Internetblase nicht mehr.


Setzt man auch hier den Index zu den Aktienkursen ins Verhältnis, dann ergibt sich ein Abgabepotential von zumindest 15%. Ganz und gar nicht passt der Buy-on-Dips Index ins Konzept. Dieser Wert ist relativ hoch und zeigt eine große Bereitschaft von Anlegern bei Rücksetzern – auch kleineren – zu kaufen. Solange Anleger bereit sind zu kaufen, kann es eigentlich nicht zu einer großen Korrektur kommen. Obwohl der Markt nach dem Abverkauf zu Wochenbeginn wieder steigen konnte, muss sich erst noch beweisen, dass es zu Anschlusskäufen kommen wird. Der Buy on Dips Index zeigt die Bereitschaft der Anleger an, doch in der Praxis ist von der Bereitschaft zu kaufen noch nicht viel zu sehen – zumindest nicht in den USA.

Man kann die Anomalie des Buy on Dips Index auch mit der Konditionierung der Anleger in den vergangenen Jahren erklären. Anlegern wurde von den Notenbanken „beigebracht,“ dass die Notenbank notfalls einspringt. Das hat zu einer hohen Bereitschaft geführt auch wirklich bei kleineren Rücksetzern zu kaufen. Springt die Notenbank nicht ein, dann sind Anleger bitter enttäuscht und es dürfte eine zweite Verkaufswelle starten. Ob die Maßnahmen der chinesischen Notenbank den Weltmarkt so nachhaltig stützen kann wie Maßnahmen der US Notenbank, sei dahingestellt.

Der letzte Indikator ist ein klassischer Kontraindikator. Der Crash Index (Grafik 3) fragt nach der Wahrscheinlichkeit eines Crashs innerhalb der kommenden 6 Monate. Anleger waren zuletzt zuversichtlich, dass kein Crash kommt. Je sicherer sich die Masse ist, desto unwahrscheinlicher wird es, dass es auch so eintrifft. Der Index hatte im Juli keinen Extremwert erreicht. Zusammen mit den anderen Indizes gab es jedoch ein klares Warnsignal. Wenn sich die Masse sicher ist, dass kein Crash kommt, gleichzeitig den Markt aber für so überbewertet hält wie zur Zeit der Internetblase, dann ist die Wahrnehmung schief.

Zusammengefasst sagen die Indizes nicht, dass die Korrektur genau 20,478% betragen wird. Sie geben jedoch einen gewissen Hinweis darauf und dieser liegt bei 15 bis 25%. Das ist eine große Bandbreite und wahrscheinlich nur bedingt hilfreich. Was man jedoch mitnehmen kann ist, dass die Korrektur ernst zu nehmen ist. Wer auf einen ganz schnellen Rebound hofft, hofft aller Wahrscheinlichkeit nach umsonst.

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19 Kommentare

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  • Ragazzo
    Ragazzo

    Und so können die Kurse erst wieder steigen, nachdem sie tüchtig runtergefallen sind.Die Masse - wer auch immer das sein mag - wollte einfach die durch Gelddruckerei angehobenen Kurse nicht mehr mittragen,ews fehlte an innerem Wert.

    15:50 Uhr, 26.08.2015
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @Isabella Kriege hat es immer gegeben und wird es wohl auch in Zukunft geben. In Indien wird unter anderem die Göttin Kali verehrt, die blutrünstige Göttin des Untergangs. Ihre Anbeter wissen wohl, dass es ohne vorherige Vernichtung keinen neuen Anfang geben kann,das ist das Gute am Bösen.

    15:46 Uhr, 26.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @Isabella Der Vietnamkrieg ist vorbei, aber nicht vergessen und ihm folgten noch andere Kriege,Afghanistan, Kuweit, Irak. Bertelsmann, ein ganz großer deutscher Verlag, ist wirtschaftlic h eng mit den USA verbunden( RTL - Gruppe ).Die Telebörse agiert entsprechend. Bei den anderen Verlagen weiß ich es nicht so genau.Ich sehe diese Art der Propaganda sehr kritisch, fühle mich ihr aber auch irgendwie ausgeliefert.Wir leben mit einem Übermaß an Information und wer schafft es denn, immer richtig zu sortieren...

    13:47 Uhr, 26.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Novice_Trader
    Novice_Trader

    Frage: Wo kann man auf Guidants od. Godemode-trader die Sentiment Indices finden?

    13:35 Uhr, 26.08.2015
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @Isabella: Es gibt viele Bücher über die Psychologie der Masse oder das Schwarmverhalten. Ich habe sie aber nicht gelesen.Ich weiß allerdings aus Erfahrung, dass die Mitläufer in der Überzahl sind, also mehr Masse haben.Das wirft die Frage auf, wer an der Börse mit wem mitläuft.

    11:43 Uhr, 26.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Kilian7
    Kilian7

    Hallo Herr Schmale,

    welche Quelle/Datenanbieter verwenden sie denn für die Sentiment-Indizes von Shiller?
    Danke & Viele Grüße
    Kilian

    11:38 Uhr, 26.08.2015
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @Isabella die sogenannte Gavitation wird durch Stopps ausgelöst.Bei den extremen Bewegungen am Markt, sind Stopps eigentlich gar nicht mehr zu verantworten. Man kann sich auch anders absichern.

    10:55 Uhr, 26.08.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Ragazzo
    Ragazzo

    @Sykes... ich wollte höflich bleiben, da ungeklärt geblieben ist, wer alles zur Masse gehört.

    10:52 Uhr, 26.08.2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Ragazzo
    Ragazzo

    Der Markt wird beherrscht von den großen Anlegern und die müssen Erfolge vorweisen. Wer prügelt denn die Aktienkurse runter? Der Kleinanleger? Das ist lachhaft. Die Großen können nur dann gute Ergebnisse präsentieren, wenn der Markt schnell wieder dreht und zwar so schnell, dass Kleinanleger nur verblüfft hinterherschauen können.Es ist eben nicht die Intelligenz der Masse, die den Markt beherrscht.

    08:44 Uhr, 26.08.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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