Kommentar
07:12 Uhr, 23.04.2021

Die Inflation bleibt relativ niedrig - aber warum?

Die Inflation steigt, sie steigt aber überraschend wenig. Man fragt sich, was noch geschehen muss, damit tatsächlich ein ernstzunehmender Preisauftrieb stattfindet.

In den USA wurden zuletzt Inflationsdaten gemeldet, die eine Teuerung zeigen, die seit Jahren nicht mehr so hoch war. Das ist keine Überraschung und nach einem wirtschaftlichen Schock ganz normal. Das gleiche konnte man nach der Finanzkrise und praktisch jeder anderen Rezession auch beobachten.

Ein überdurchschnittlicher Preisanstieg, wenn die Wirtschaft zurückschnappt, ist vorhersehbar und üblich. Was hingegen nicht üblich ist, ist das tiefe Niveau der Gesamtinflation, die wir aktuell sehen. Einige Produkte zeigen einen so hohen Preisanstieg wie noch nie. Dazu gehört etwa Holz (Grafik 1).


Chemikalien sind ebenfalls in einem Preisauftrieb wie ihn die Welt seit der Ölkrise in den 70er Jahren nicht mehr gesehen hat (Grafik 2). Das gilt auch für Kunststoffe. Plastik ist weit verbreitet und Bestandteil der meisten Verpackungen. An einem Preisanstieg bei Kunststoff kommt niemand vorbei.

Die Inputfaktoren wie Güter, Rohstoffe, werden rasant teurer. Man kann den außergewöhnlichen Preisanstieg gar nicht genug betonen. So mancher Rohstoff steigt so schnell wie nicht einmal in den schwierigsten Zeiten, etwa während des Zweiten Weltkrieges. Man kann die Entwicklung als historisch bezeichnen.

Gleichzeitig sind die Lager leer. In den USA werden die Daten seit 1992 erhoben. So tief war der Lagerbestand im Verhältnis zum Umsatz noch nie (Grafik 3). Es herrscht regelrechte Güterknappheit. Dass die Preise da nicht stärker ansteigen, verwundert schon ein wenig.


Auch einer der größten Ausgabenposten, die Miete, wird teurer. Hauspreise steigen in den USA so schnell wie zuletzt vor Beginn der Finanzkrise (Grafik 4). Wird Wohneigentum teurer, schlägt das mit einem gewissen zeitlichen Abstand auf die Mieten durch.

Die Sensation an den Inflationsmeldungen ist nicht, dass sie steigt, sondern dass sie nicht deutlich stärker steigt. Güter sind knapp, Lieferzeiten werden immer länger, Produktionshallen stehen still, weil Inputs nicht geliefert werden können usw. Bei so viel Preisdruck wundert man sich schon, weshalb die offizielle Inflationsrate bei 2,6 % liegt und nicht bei 5 % oder mehr.

Auch wenn man fast den Eindruck haben muss, dass es da nicht mit rechten Dingen zugeht, gibt es eine harmlose Erklärung. Güter werden gerade deutlich teurer. In den USA liegt der Preisauftrieb je nach Kategorie bei 4 % bis 5 %. Dienstleistungen hingegen wurden zuletzt nur um 1,8 % gegenüber dem Vorjahr teurer. Dienstleistungen haben ein hohes Gewicht im Warenkorb, aus dem die Inflation berechnet wird.

Hier warten alle auf die große und bedingungslose Wiedereröffnung der Wirtschaft. Erst wenn Nachfrage überhaupt wieder stattfinden darf, können hier die Preise deutlich anziehen. Wenn es soweit ist, ist der große Inflationsschock bei Gütern vorüber.

Es ist eine besondere Konstellation, die die Inflation im Vergleich zu früheren Aufschwüngen überraschend niedrig hält. Belebt sich erst die Nachfrage nach Dienstleistungen, muss man sehen wie hoch die Inflation dann steigt und wie lange sie so hoch bleibt. Derzeit deutet noch nichts auf einen nachhaltigen Anstieg hin. Das ist durchaus erwähnenswert. Wenn selbst jetzt keine große Inflation entsteht, wann dann?

Clemens Schmale

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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