Kommentar
08:10 Uhr, 24.04.2021

Die geldpolitische Wende läuft

In den vergangenen Wochen hoben mehr Notenbanken die Zinsen an als sie senkten. Mehr Zinserhöhungen sind absehbar.

Vor 13 Monaten agierten Zentralbanken überall auf der Welt so koordiniert wie noch nie. Innerhalb eines Monats senkten drei Viertel der größten 38 Notenbanken die Zinsen. Das übertraf sogar die Koordination während der Finanzkrise. Der Anteil an Notenbanken, die die Zinsen anhoben, fiel auf null. Inzwischen ist das anders. Die ersten Notenbanken wagen sich vor und heben die Zinsen an. Im letzten Monat waren es insgesamt 9 von 169 Ländern, in denen die Zinsen stiegen. Unter den 38 größten Notenbanken ist der Anteil noch überschaubar.


In Summe ist die Geldpolitik nun neutral ausgerichtet. Die Anzahl an Notenbanken, die die Zinsen senken und jene, die sie anheben, halten sich die Waage (Grafik 3). Viele Notenbanken können die Zinsen kaum noch senken. Der Weg ist fast automatisch nach oben vorgegeben.

Relevanter ist jedoch ein anderer Punkt. Die Krise war in ihrer Form historisch. Noch nie gab es global eine so koordinierte Reaktion auf ein Ereignis. Das gilt nicht nur für die Geldpolitik, sondern auch für die Politik im Allgemeinen.

Bei der Geldpolitik wurden nicht nur die Zinsen fast überall zur gleichen Zeit auf null gesenkt, sondern auch QE eingeführt. QE galt lange Zeit als Privileg entwickelter Länder. Viele Emerging Markets haben selbst in normalen Zeiten Probleme, ihre Währungen stabil zu halten. Bei der Einführung von Wertpapierkäufen würden die Währungen kollabieren, so die Befürchtung.

Geschehen ist das nicht. Südafrika, Malaysia, Thailand, die Philippinen, Kolumbien oder Chile haben alle erfolgreich Wertpapierkäufe durchgeführt. Zuletzt gesellte sich auch Indien zu den Emerging Markets, die Wertpapiere kauften. Die erwartete Katastrophe ist ausgeblieben. Die Währungen sind nicht kollabiert. Manche konnten sogar stattlich aufwerten. Dazu zählt der chilenische Peso.

Neben der Geldpolitik handelten auch Regierungen koordiniert. Zu Beginn der Pandemie führte praktisch jede Regierung, die das eigene Land effektiv unter Kontrolle hat, Lockdowns ein. Viele haben das mit der Zeit aufgegeben. Es ist wirtschaftlich nicht machbar.

Unterm Strich führte die zufällige oder auch gewollte Koordination zu einer besonderen Krise. Der Einbruch der Wirtschaft war überall dramatisch. Dafür geht es nun genauso koordiniert und schnell wieder nach oben. Unterstützt wird das Ganze von lockerer Geldpolitik und Konjunkturprogrammen.

Anleger vergleichen die aktuelle Krise gerne mit der Finanzkrise und gehen davon aus, dass die Zinsen nie mehr steigen werden. Die Krisen sind jedoch nicht vergleichbar. Die Ursachen sind andere und die Hilfen zur Unterstützung der Wirtschaft um Faktoren größer. Bei der Erholung, die wir global sehen, kann man nicht davon ausgehen, dass sich die Niedrigzinsphase so gestalten wird wie nach 2008.

Die geldpolitische Wende wird in der Eurozone und den USA auf sich warten lassen. Global sieht es anders aus. Hier ist mit einer deutlich schnelleren Wende zu rechnen als nach der Finanzkrise. Auch bei uns könnten die Zinsen in einigen Jahren auf überraschendem Niveau stehen. Die Zinsentwicklung in den letzten Jahrzehnten zeigt wie schnell sich das Zinsumfeld in einigen Ländern ändern kann (Grafik 4 und 5).


Es sind derzeit nicht nur Emerging Markets, die die Zinsen anheben und eine geldpolitische Wende einleiten. Die kanadische Notenbank drosselt ihre Wertpapierkäufe. Australien und Neuseeland werden vermutlich bald folgen und einige EZB-Banker wünschen sich eine Abwicklung des Notprogramms in der zweiten Jahreshälfte. Die Zeichen stehen mehr auf eine schnellere Zinswende als viele glauben.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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