Kommentar
22:15 Uhr, 28.11.2007

Die Gartley Formation - Was ist das?

Eine Chartformation sagt oftmals eine ganze Menge über ein Wertpapier aus und liefert eine gute Indikation für die zukünftige Preisentwicklung. Man kann guten Gewissens behaupten, dass die Erkennung von Chartformationen das Herz der Technischen Analyse ist. Leider wird das heutzutage allzu oft verkannt.

Die Gartley Formation wurde nach ihrem Entdecker benannt. Sie ist eine recht zuverlässige Chartformation, die eine 70%-ige Prognose-Wahrscheinlichkeit bietet.

Im Folgenden wieder ein theoretisches Lesson aus dem Gebiet der charttechnischen Analyse.

Es liegt kein aktueller Marktbezug vor.

Die Gartley Formation benutzt wie schon die Schmetterlings-Formation Verhältniswerte, die aus der Fibonacci-Zahlenfolge abgeleitet werden.

In der folgenden Abbildung 1 sehen Sie ein Beispiel für eine idealtypische bullishe Gartely Formation.

Abbildung 1: Bullishe Gartley Formation

Die Abbildung 1 zeigt einen Aufwärtstrend XA mit einer Preiskorrektur an Punkt A. Unter der Verwendung von Fibonacci-Verhältniswerten, sollte die Preiskorrektur AB 61,8% des Preisschwunges A minus X betragen, wie entlang der Strecke XB angegeben.

Am Punkt B kehrt der Preis erneut um. Idealerweise sollte die Preiskorrektur BD zwischen 61,8% und 78,6% der Preisspanne AB (nicht der Länge von AB) betragen, wie entlang der Linie AC angegeben.

Am Punkt C kehrt der Preis abermals um. Die Preisextension CD sollte 127,2% oder 161,8% der Spanne BC betragen, wie in entlang der Linie BD angegeben.

Der Preis an Punkt D ist der Auslöser, um zu kaufen. Warten Sie aber immer auf eine Preisumkehr und kaufen Sie nicht blind ohne eine bestätigende Indikation durch den Preis. Das Mindestkursziel beträgt 61,8% der Preisspanne von CD, der Preis kann aber noch weiter in die Richtung der Indikation laufen, oft bis zum 127,2%-Fibonacci-Level, manchmal bis zum 161,8%-Level.

Das gesamte Preiskorrektur XD ist ein kritischer Teil der Prognose und ist die Preiskorrektur der Preisspanne AD im Verhältnis zu XA. XD sollte idealer weise 78,6% der Preisspanne von XA betragen. Ein weiteres Ideal wäre erfüllt, wenn CD AB gleicht.

„Ideal“ wurde betont, um hervorzuheben, dass es weder einen alleinigen absoluten Wert für eine Preiskorrektur gibt, noch dass es eine spezische Toleranz gibt, die besagt, dass die Chartformation funktionieren wird oder nicht.

Natürlich existiert auch eine Gartley Formation für die bearishe Seite des marktes, sprich eine bearishe Gartley Formation, siehe Abbildung 2.

Abbildung 2: Bearishe Gartley Formation

Die Gartley Formation beinhaltet also vier Preisschwüngen. Nach dem Preisschwung XA setzt sich der Rest der Formation aus einer Serie von 3 Preiskorrekturen und einer Preisextension zusammen. Letztere Preisextension ist bezogen auf den anfänglichen Preisschwung XA zugleich eine Preiskorrektur.

Sobald die Chartformation am Punkt D vollendet ist, entsteht ein Kauf- beziehungsweise Verkaufsignal. Die genauen technischen Anforderungen an eine Gartley Formation finden Sie im Folgenden aufgelistet.

Technische Anforderungen an die Formation

Die charttechnischen Anforderungen an die Chartformation lauten wie folgt:

1. AB = CD (siehe Lektion „Preisalternationen“)

2. Punkt B ist eine 61,8%-Fibonacci-Preiskorrektur des Preisschwunges XA.

3. Der Punkt D ist eine 78,6%-Fibonacci-Preiskorrektur des Preisschwunges XA.

4. D ist entweder eine 127,2%- oder 161,8%-Fibonacci-Preisextension des Preisschwunges BC.

Das Spezifische an dieser Chartformation ist die 61,8%-Fibonacci-Preiskorrektur am Punkt B und die 78,6%-Fibonacci-Preiskorrektur am Punkt D. Es werden mitunter auch andere Verhältniswerte verwendet, aber die zuverlässigsten Preisumkehrungen entstehen, wenn die Chartformation die beschriebenen Spezifikationen aufweist.

Außerdem sollte die Formation eine eindeutige AB = CD-Formation (Preisalternation) aufweisen, die in der gleichen Zone mit der 78,6%-Fibonacci-Preiskorrektur des Preisschwunges XA und einer Preisextension von BC (127,2%- oder 161,8%) im Punkt C endet.

Warum funktioniert die Gartley Formation so gut?

Das ist zwar bloße Spekulation, aber wenn Sie die Formationskonstruktion betrachten, dann beinhaltet die Chartformation zwei wesentliche Elemente, die zum Erfolg führen.

Lassen Sie uns das am Beispiel einer bullishen Gartley Formation vor Augen führen.

1. Sie traden in Richtung des übergeordneten Trends. Bedenken Sie, dass die Preisbewegung von X zu A eine große Preisbewegung ist und dass der Preisschwung gegen den Trend von A nach D entgegengesetzt zu XA ist, sich aber immer noch innerhalb von XA aufhält, sodass der Trend nicht gebrochen wird. In der Elliott-Wellen-Theorie lautete die Übersetzung der bullishen Gartley Formation, dass wir eine Impulswelle von X aufwärts zu A haben, dann drei korrektive Preisbewegungen nach unten (AB, BC und CD). Die Schlussfolgerung aus der Perspektive der Elliott-Wellen-Theorie wäre, dass die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Impulswelle nach oben hoch ist.

2. Ein weiterer Grund, warum die Chartformation erfolgreich ist, hat damit zu tun, dass die Gartley Formation eine Art Falle darstellt. Dazu wollen wir die Chartformation Schritt für Schritt ab dem Schwungpunkt A betrachten.

a) Nachdem der Schwungpunkt A etabliert wurde, fällt der Preis zum Punkt B und bildet einen Schwung-Tiefpunkt. Unter einem psychologischen Aspekt betrachtet, sehen Trader einen wichtigen Punkt und beginnen, Long-Positionen zu akkumulieren.

b) Wenn der Preis steigt und das Schwunghoch C gebildet wird, sind die Positionen bereits etabliert und viele Stops werden unter das Schwungtief B platziert. Tatsächlich fangen Leerverkäufer an, das Schwungtief B als eine potenzielle Zone zu beobachten, an der sie leerverkaufen werden, falls der Preis wieder nach unten kommt.

c) Im Zuge der Ausbildung der Chartformation kommt der Preis vom Schwunghoch C wieder zurück, und die Longs werden nervös. Die Shorts lauern derweil im Hintergrund. Und dann passiert es auf einmal: Der Preis fällt unter das Schwungtief B und plötzlich beginnen die schwachen Longs zu verkaufen. Die Shorts beginnen ebenfalls, den Markt zu verkaufen und erzeugen damit zusätzliches Abwärtsmomentum, dass den Preis ultimativ zum idealtypischen 78,6%-Fibonacci-Korrekturlevel der Preisspanne XA führt. Dieser Level ist ein konstituierender Punkt für das Wertpapier. Denn an diesem Punkt schreit die Chartformation förmlich danach, gekauft zu werden. Warum? Teilweise aufgrund der Tatsache, dass die Anleger gegen den Markt an diesem Punkt spekulieren.

d) Falls sich der Preisschwung D über Punkt X hält und der Preis beginnt, nach oben zu tendieren, werden die Trader ein bisschen in Aufregung versetzt. Wenn dann der Preis zurück über das Schwungtief am Punkt B kommt, decken die schwachen Leerverkäufer ihre Positionen und Longs, die aus dem Markt geschüttelt wurden, kommen zurück in den Markt und ihre Longpositionen starten eine Rallye, die von dem psychologischen Ausschüttelungs-Prozess profitiert.

Die Formation ist schon seit sehr vielen Jahren erfolgreich. Dies hängt meines Erachtens vor allem damit zusammen, dass der Anleger MIT dem Trend (in Bezug auf die Preisbewegung XA) handeln, UND vom psychologischen Anlegerverhalten der Anlegermasse profitieren. Aus den genannten Gründen sollte jeder Trader die Formation kennen und in vielen Fällen in seinen Trading Plan einbeziehen.

Praktische Beispiel für Gartley Formationen

Lassen Sie uns nun praktische Beispiele für Gartley Formationen betrachten:

Abbildung 3: E-Mini S&P 500, September-Kontrakt (ESU3), Stunden-Intervall, Bearish Gartley

Abschließend sehen Sie noch ein interessantes Beispiel für eine große Gartley Formation. ...Erinnern Sie sich noch an die bearishe Schmetterlings-Formation in der Lektion „Bearishe Schmetterlings Formation, Banken und Dow“?

In der Abbildung 1 der o.g. Lektion, siehe hier Abbildung 4, sahen Sie eine bearishe Schmetterlings Formation im Wochenchart des Bankenindex.


Abbildung 4: Banken Index (BKX), Wochen-Intervall, Bearishe Schmetterlings Formation.

Autor: Frank Thönnißen

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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