Fundamentale Nachricht
10:33 Uhr, 05.03.2019

„Die Fed wird ihre Zinsen erneut anheben“

…weil sie es sich nach Einschätzung von Sonal Desai, CIO der Franklin Templeton Fixed Income Group, leisten kann.

San Mateo (GodmodeTrader.de) - Die Finanzmärkte scheinen darauf zu wetten, dass die US-Notenbank ihren mehrjährigen Straffungszyklus über eine sehr lange Zeit hinweg aussetzen wird. Sonal Desai, CIO der Franklin Templeton Fixed Income Group, sieht die Lage jedoch anders. Hier argumentiert sie, warum im Laufe des Jahres durchaus mit weiteren Zinsanhebungen zu rechnen sein könnte.

„Die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) hat zwischen Dezember und Januar eine bemerkenswerte Kehrtwende vollzogen. Am 19. Dezember war auf der Meinungsseite des ‚Wall Street Journal‘ noch zu lesen: ‚Powell an die Märkte: Nehmt das!‘, mit dem Untertitel: ‚Die Fed kündigt weitere Zinserhöhungen an, also gewöhnt Euch dran‘. Nur einen Monat später stand auf derselben Seite: ‚Die Fed entschuldigt sich‘, mit dem Untertitel ‚Powell setzt seine Rehabilitationstour fort, und die Märkte applaudieren“, so Desai.

In anderen Worten: Der Fed-Vorsitzende Jay Powell trage die Fackel der „Put-Option der Fed“, so wie es bereits Yellen, Bernanke und Greenspan vor ihm getan hätten. Würden dem Aktienmarkt die Knie weich, schalte die Fed auf eine gemäßigte Geldpolitik um, heißt es weiter.

„Diese scharfe Kritik enthält mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Fed keine weitere Zinserhöhung durchführen wird. Die Fed hat sich für eine Verschnaufpause entschieden, weil sie dies für umsichtig hält – und weil sie es sich leisten kann. Die Inflation ist nach wie vor unter Kontrolle, und gleiches gilt – so argumentiert die Notenbank – auch für die finanzielle Stabilität. Daher birgt eine Verlangsamung oder gar eine Aussetzung der Normalisierung der Geldpolitik keinerlei Risiken – die Fed kann es sich leisten, abzuwarten. Auch ich bin der Meinung, dass die finanziellen Risiken weitgehend unter Kontrolle sind. Dies deutet meiner Meinung nach jedoch auf weitere Zinserhöhungen und nicht auf Zinssenkungen hin. Lassen Sie mich erklären, wie ich das meine“, so Desai.

Die US-Verbraucher befänden sich in einer besseren finanziellen Verfassung als bisher angenommen. Vor allem zeigten ihre Analysen, dass sie Schwankungen des Aktienmarkts gegenüber sehr viel weniger anfällig seien als dies früher der Fall gewesen sei. Gründe: Korrigierte Daten der National Income and Product Accounts (NIPA) zeigten, dass die Sparquote der Haushalte während der letzten fünf bis sechs Jahre (bei robusten sechs Prozent) weitgehend konstant geblieben sei. Gleichzeitig sei das Nettovermögen der Haushalte auf einen neuen Rekordstand gestiegen: 700 Prozent des verfügbaren Einkommens. Zum Vergleich: als das Vermögen der Haushalte im Vorfeld der globalen Finanzkrise stark zugenommen habe, sei die Sparquote von sechs Prozent auf lediglich zwei Prozent zurückgegangen, heißt es.

„Die historische Korrelation zwischen dem Nettovermögen der Haushalte und persönlichen Ersparnissen ist im Nachgang der Finanzkrise zusammengebrochen. Mit anderen Worten: Der Vermögenseffekt ist nicht mehr so stark wie früher. Ein Vermögensanstieg hat also nicht mehr zur Folge, dass der Haushaltssektor seinen Konsum deutlich erhöht. Eine wichtige Rolle spielt dabei die zunehmende Vermögensungleichheit: Die größere Ungleichheit bedeutet, dass reichere Haushalte unverhältnismäßig stark vom jüngsten Anstieg des Nettovermögens profitiert haben – insbesondere, da er durch eine Wertzunahme bei finanziellen Vermögenswerten getragen wird. Reichere Haushalte tendieren weniger dazu, ihre Ausgaben bei einer Zunahme ihres Vermögens zu erhöhen. Die Immobilienblase des Jahres 2006 hingegen war sehr viel egalitärer und kam einem breiten Spektrum von Haushalten zugute, die daraufhin Ersparnisse auflösten und ihren Konsum erhöhten“, so Desai.

Angesichts dieser fehlenden Abhängigkeit vom Vermögenseffekt stehe der Haushaltskonsum auf einer äußerst nachhaltigen Basis, die durch steigende Einkommensniveaus gestützt werde und weniger stark durch die Schwankungen der Aktienmärkte beeinflusst werde. Die US-Verbraucher seien zudem einer deutlich geringeren Schuldenlast ausgesetzt als im Vorfeld der Finanzkrise: die Haushaltsverschuldung liege rund ein Drittel unter dem Spitzenwert des Jahres 2008, sowohl als Anteil des BIP (Bruttoinlandsprodukts) als auch im Verhältnis zum verfügbaren Einkommen. Die Haushaltsverschuldung und die Hypothekenschuldendienste seien auf ein Rekordtief gesunken, und die Ausfallraten der Verbraucher im Verhältnis zum Gesamtvolumen der Bankkredite seien weniger als halb so hoch wie im Jahr 2009 (2,3 Prozent gegenüber 4,9 Prozent), heißt es weiter.

„Diese Daten vermitteln eine klare Botschaft: Für die Fed gibt es kaum Gründe, zu befürchten, dass eine weitere Straffung der Geldpolitik den Konsum der Haushalte bremsen wird. Verbraucher profitieren auch weiterhin von einem hohen Nettovermögen sowie von hohen Spar- und niedrigen Schuldendienstquoten, und ihre Konsumentscheidungen scheinen nicht sonderlich stark auf Veränderungen ihres Nettovermögens zu reagieren – insbesondere, wenn diese auf Aktienkursbewegungen zurückzuführen sind. Die Fed kann ihre Zinsen weiter anheben, und Verbraucher werden dies relativ gelassen hinnehmen, selbst wenn es an den Aktienmärkten zu Korrekturen kommt“, so Desai.

Die Notenbank habe erklärt, umsichtig vorgehen und das inländische Wachstum, die Entwicklung der Weltwirtschaft und die finanziellen Bedingungen in den USA genau im Auge behalten zu wollen. Betrachte man die robuste finanzielle Lage der US-Haushalte in Kombination mit einem überhitzten Arbeitsmarkt, der robuste Lohnzuwächse nach sich ziehe, ergebe sich ein äußerst belastbarer Ausblick für den privaten Konsum – den wichtigsten inländischen Wachstumsmotor. Das weltweite Wachstum habe sich ein wenig abgeschwächt, die europäische Wirtschaft lege jedoch auch weiterhin oberhalb ihres Potenzials zu, während China ein respektables Wachstum von sechs Prozent vorweisen könne. Sofern es nicht zu erheblichen Schocks komme, dürfte uns kein abrupter Abschwung, sondern vielmehr eine äußerst moderate Abkühlung des globalen Wachstums bevorstehen. Was die inländischen Finanzbedingungen anbelange, so sei deren Straffung in erster Linie auf die Kursstürze an den Aktienmärkten zurückzuführen, die sich inzwischen wieder erholt hätten. Zudem seien die Auswirkungen auf den Konsum beschränkt, wie oben zu erkennen sei, heißt es weiter.

„Ich gehe davon aus, dass sich der Ausblick für die Weltwirtschaft in den kommenden Monaten als belastbarer als von den Märkten derzeit erwartet erweisen wird, so dass Aktienanleger weniger Grund haben dürften, in Panik zu verfallen. Ich bin davon überzeugt, dass die Fed dann zwei weitere Zinserhöhungen durchführen wird – da dies das eine vernünftige Entscheidung wäre. Und weil sie genügend Spielraum dafür hat. Wenn Sie glauben, dass Powell gerade versprochen hat, von weiteren Zinsschritten abzusehen, sollten Sie Folgendes berücksichtigen: Bill Dudley, bis zum vergangenen Jahr Vorsitzender der New York Fed, hat erklärt, ‚dass die Ankündigungen der vergangenen Woche keine wesentlichen Konsequenzen für den Zinsausblick haben‘. Letzten Endes werden es die wirtschaftlichen Fundamentaldaten sein, die die Entwicklung bestimmen. Und genau diese sollten wir im Auge behalten“, so Desai.

13 Kommentare

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  • German2
    German2

    Die Neuverschuldung des US-Bundeshaushalts ist in den ersten vier Monaten (Oktober bis Januar) des laufenden Haushaltsjahres extrem stark gestiegen. Das Defizit kletterte laut der "Washington Post" unter Berufung auf Datenmaterial des Finanzministeriums zufolge um 77 Prozent. Die USA gaben demnach in den vier Monaten rund 310 Mrd. Dollar mehr aus als sie einnahmen. Ein Jahr zuvor lag der Differenzbetrag noch bei 176 Mrd. Dollar.

    06:12 Uhr, 07.03.2019
    1 Antwort anzeigen
  • The Secessionist
    The Secessionist

    Nicht umsonst vom schlaueren aber in der Minderheit befindlichen Teil der Dems immer mal wieder sowas ...... "

    Demokratischer US-Senator Chuck Schumer: Trump hatte Recht mit seiner Politik gegen China.

    Kurznachricht –16:57"

    Ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung im Mittleren Westn und Süden werden einen extremen Linksruck alla Sanders Cortez nicht akzeptieren ! Schumer weiß das und die Fed auch !

    17:08 Uhr, 05.03.2019
  • wolp
    wolp

    Kluge Dame, Chapeau. Sehr guter Artikel. Beleuchtet ausgewogen alle Facetten.

    14:10 Uhr, 05.03.2019
  • wizardmw
    wizardmw

    Wie sehr die Hütte gebrannt hat im Dezember sollte jedem klar sein, die FED wird NIEMALS die Zinsen wieter anheben können. Was hat sich denn bei allem Gesülze seit dem Schwenk der FED geändert? Nur EINE EINZIGE Sache, die Aktien haben im Dezember den Schuldenturm bedrohlich wackeln lassen. Da müsste der Dow wohl noch wenigstens 3000 Punkte steigen, bevor die FED überhaupt nachdenken darf....

    13:48 Uhr, 05.03.2019
    1 Antwort anzeigen
  • amateur
    amateur

    Solange die Zinsanhebungen die Börsenkurse nicht nachhaltig beeinträchtigen, werden Sie gemacht. Beim nächsten Abschwung gibt es dann umso mehr Spielraum, da hat Kasnapoff völlig recht.

    12:09 Uhr, 05.03.2019
  • G3ckOoo
    G3ckOoo

    Erst wird man versuchen China in die Knie zu zwingen, bevor man wieder an eine Lockerung der Geldpolitik denkt.

    11:59 Uhr, 05.03.2019
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Durchaus möglich, das die Fed noch eine oder zwei Zinsanhebungen bringt, das dürfte die Aktieninvestoren dann auf dem falschen Fuß erwischen. Jede weitere Zinserhöhung verschafft der Fed jedoch Gestaltungsspielraum für den nächsten Abschwung. Ob aus der sich abzeichnenden Schwäche mehr wird, als eine Delle im Wachstum, wird sich zeigen, imo bleibt es nicht bei der Delle.

    Ob man sich tatsächlich so uneingeschränkt wie in dem Artikel beschrieben, auf die Konsumfreude der US-Bürger verlassen kann, ist indessen zumindest fraglich. Es gibt zahllose US_Haushalte, die nicht einmal USD 600.— für eine KFZ-Reparatur auf der hohen Kante haben. Die Quote der notleidenden Studenten- und Autokredite ist auf Höchsständen und es gib genügend Amerikaner, jenseits der 60 Jahre, die ihren Studentenkredit noch nicht abbezahlt haben.

    11:05 Uhr, 05.03.2019
  • benz49
    benz49

    Ob sich die USA bei ihrem gigantischen Schuldenberg höhere Zinsen leisten kann, ist die andere Frage. Selbst Schuldenkönig Trump, den ausufernde Schulden offenbar schnurzegal sind, schreckt davor zurück.

    10:47 Uhr, 05.03.2019

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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