Kommentar
09:59 Uhr, 28.04.2014

Die Fed unter Yellen: Tauben oder Falken an der Macht?

Der FOMC (Offenmarktausschuss) der Notenbank Fed bestimmt die weltweit extrem einflussreiche Geldpolitik der USA. Wie ist die derzeitige Verteilung von Vertretern lockerer und restriktiver Geldpolitik?

Die US Notenbank ist eine der mächtigsten Institutionen der Welt. Von ihren Beschlüssen hängt viel ab. Nicht selten liegt das Schicksal der Märkte in ihrer Hand. Kein Wunder also, dass Investoren die Entscheidungsträger ganz genau beobachten, um zu erahnen, welches Mitglied welche Gesinnung hat. Wer erahnen kann, was die Fed als nächstes tut, kann einen erheblichen Vorteil haben. Nur: das ist gar nicht so einfach...

Von Tauben und Falken

Spätestens seit Beginn der Finanzkrise 2007/08 ist die Welt der US Notenbank zweigeteilt. Wie auch im politischen System gibt es eigentlich nur zwei Fraktionen: Tauben und Falken. Tauben befürworten eher die Stimulierung der Wirtschaft durch Lockerung der Geldpolitik. Falken hingegen stehen tendenziell für eine Straffung. Einige Abweichler zu diesem 2-Fraktionen-System gibt es. Das sind die Zentristen. Die Zentristen sind grundsätzlich neutral eingestellt und lassen sich von einer der beiden Seiten überzeugen. Praktisch sieht das dann allerdings so aus, dass die Zentristen einfach mit der Mehrheit stimmen, also eigentlich gar nichts tun und keine Gefahr für die Stabilität und klare Mehrheiten darstellen.

Die wichtigsten Personen für 2014 und 2015 sind in der ersten Grafik beschrieben. Die Skala reicht von 0 bis 5. Werte von 0 bis 2 repräsentieren Tauben. Ein Wert von 3 ist neutral (Zentrist) und Werte darüber, also 4 und 5 stellen Falken dar. In der Grafik sind deutlich mehr Personen abgebildet als tatsächlich stimmberechtigt sind. Der Grund dafür liegt im System des FOMC (Federal Open Market Committee). Ein Teil der Mitglieder wird jährlich ausgetauscht. Nur ein Teil der FOMC Mitglieder ist für eine längere Periode bestellt. 7 Personen sitzen in diesem bestellten Vorstand. Dazu kommt noch der Chef der New Yorker Fed, der einen festen Platz im Komitee hat. 4 weitere Mitglieder kommen aus den anderen regionalen Notenbanken und sind für ein Jahr Teil des Komitees.

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Für 2014 sind noch nicht alle Plätze besetzt. Bisher stehen neben Fed Chefin Janet Yellen nur Daniel Tarullo, Jeremy Stein und Jerome Powell fest, wobei Jeremy Stein bereits im Mai seinen Platz räumen könnte, um an der Harvard Universität zu lehren. Es müssen für 2014 also noch 4 von den 7 festen Posten gefüllt werden. Die Nominierungen gab es im Januar von Präsident Obama. Die Anhörungen wurden letzten Monat durchgeführt und die Bestätigung der Favoriten kam dann vergangenen Donnerstag. Ab Mai ist das FOMC dann fast vollständig. Bestätigt wurden Fischer und Brainard, Powell musste lediglich wiederbestätigt werden.

Für den Posten des Vize Präsidenten kommt Stanley Fischer in Frage. Dieser sprach in der Vergangenheit immer positiv über die Maßnahmen der Fed und kann als Taube bezeichnet werden. Mit Lael Brainard kommt eine weitere Taube in den Vorstand. Das sieht bisher nach einem Überhang an Befürwortern der lockeren Geldpolitik aus. Dem ist allerdings nicht unbedingt so. Hoenig, Richard Fisher und Charles Plosser sind Falken. Hoenig erscheint in der Grafik als Zentrist. Von vielen Analysten wird er als solcher gesehen. Persönlich halte ich ihn für einen waschechten Falken. Seine Abstimmungsergebnisse zeigen das eigentlich deutlich (dazu später mehr).

Weiters stimmberechtigt sind William Dudley, der Chef der New Yorker Fed, und Narayana Kocherlakota. Sie sind wiederum Tauben. Kocherlakota war in seiner letzten Amtszeit eher den Falken zuzuordnen, gilt inzwischen aber als „reformiert.“ Er hat seine Diktion stark geändert und spricht eigentlich immer davon, dass das Komitee sein Mandat nicht erfüllt und underperformt. Er war der einzige, der in der letzten Sitzung gegen den Beschluss gestimmt hat, weil er die neue Forward Guidance als zu wenig aggressiv im Sinne der gelpolitischen Lockerung erachtete.

Die Plätze von Pianalto und Raskin müssen ebenfalls noch besetzt werden. Es kann also durchaus noch passieren, dass der Überhang an Tauben der letzten Jahre deutlich abgebaut wird. Das ist dann auch kein vorübergehender Zustand, denn 2015 werden als nicht-ständige Mitglieder Evans, Lacker, Lockhart und Williams nachrücken. Von Lacker einmal abgesehen ist die Gesinnung eher neutral. Bleiben die Wirtschaftsdaten allerdings weiterhin gut, dann ist ein leichter Hang zum Falkischen denkbar.

Nägel mit Köpfen: Wer stimmt wie ab?

Die Fed Statements und Protokolle der letzten Jahre sind sehr aufschlussreich. Darin wird nicht nur aufgelistet, wer wie abgestimmt hat, sondern auch begründet, wieso jemand einem Statement nicht zustimmen wollte. Die nächste Grafik zeigt, welche Mitglieder wie häufig für und gegen ein Statement gestimmt haben. Es kann unterschiedliche Gründe dafür geben. Nachdem die letzten Jahre allerdings sehr zugunsten der geldpolitischen Lockerung verliefen, sind die Ablehnungen meist damit begründet worden, dass die Maßnahmen zu aggressiv gesehen wurden.

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Es fällt sofort auf, dass es insgesamt eher wenige FOMC Mitglieder gibt, die sich gegen die allgemeine Meinung stellen. Jene, die abweichen, tun dies recht häufig. Hoenig konnte sich z.B. kein einziges Mal zu einer Zustimmung bewegen lassen. Während seiner Mitgliedschaft 2010 stimmte Hoenig konsequent gegen jedes einzelne Statement. Die Begründung war immer sehr ähnlich: Er glaubte, die Wirtschaft sei wieder stark genug, um keine zusätzliche Lockerung zu benötigen bzw. die Maßnahmen wieder zurückzufahren. Außerdem sah er in der Lockerung mehr Risiken als Vorteile. Relativ ähnlich war es bei George, die in 2013 immer für eine Straffung war. Lediglich im Dezember, als das Tapering eingeleitet wurde, stimmte sie für den Beschluss.

Unter den aktuellen Mitgliedern sind sicherlich Fisher und Plosser am ehesten auf der Seite der Straffung. Plosser stimmte 2011 gegen zusätzliche Lockerungen. Fisher wiederum tat sich 2008 hervor. Erst nach der Lehman Pleite war er für Lockerungsmaßnahmen. Zuvor hatte er gegen Zinssenkungen gestimmt, die bereits Anfang 2008 beschlossen wurden. Evans und Rosengren unterstützten ebenfalls nicht immer die Beschlüsse des Komitees. Hier lag es allerdings daran, dass sie die Maßnahmen für nicht aggressiv genug hielten. Sie waren klar auf der Seite zusätzlicher Akkommodation.

Falken an der Macht: Stabilität gefährdet?

Falken hatten es in den vergangenen Jahren wirklich schwer. Erst kam QE1, dann QE2, dann Operation Twist und schlussendlich auch noch QE3 und eine Erweiterung von QE3. Betrachtet man die Abstimmungsergebnisse seit Anfang 2009, dann kann man allerdings feststellen, dass die Stabilität im FOMC niemals wirklich gefährdet war. Lediglich 2011, als die Wirtschaft recht robust schien, probten die Falken einen kleinen Aufstand und sprachen sich mit 3 Stimmen gegen weitere Lockerung aus. Von diesem Ausreißer einmal abgesehen gibt es immer ein, maximal 2 Gegenstimmen. Das ist schon sehr konsenswütig. Aber wie sieht es aus, nun, da gestrafft wird?

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Als im Dezember 2013 der Beginn des Tapering verkündet wurde, gab es eine Gegenstimme von Rosengren, der fand, dass der Schritt zu früh sei. Rosengren ist nun nicht mehr stimmberechtigt. Im Januar war dann der Konsens vollständig. Im März allerdings regte sich erster Widerstand. Kocherlakota hätte es gerne weiter lockerer. In einer Rede vor Ostern sprach er sich sogar dafür aus, den Leitzins von 0 bis 0,25% einfach auf 0% zu senken und damit Banken, die bei der Fed Geld parken, keinen Zins (aktuell 0,25%) mehr zu zahlen. Das Blatt wendet sich also. Haben in den vergangenen Jahren Falken die Maßnahmen abgelehnt, dürften es jetzt die Tauben sein, die irgendwann den Aufstand proben werden. Aufstand heißt hier allerdings, dass es maximal 3 Gegenstimmen geben wird. So kontrovers die Maßnahmen der Fed auch gewesen sein mögen, sie haben nie zu prekären Verhältnissen geführt. Betrachtet man die FOMC Sitzungen, bei denen wirklich große Dinge beschlossen wurden, dann zeigt sich prinzipiell große Einigkeit. QE1 war de facto unumstritten. QE2 wurde fast einstimmig beschlossen. Nur 2011 kam es zu einer gewissen Kontroverse über Operation Twist. Das war allerdings nur vorübergehend. QE3 und die Ausweitung von QE3 wurden fast problemlos beschlossen.

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Ganz interessant ist in diesem Zusammenhang die Sitzung vom Oktober 2012. Damals wurde eine Leitzinsgarantie ausgesprochen. Es hieß dabei, die Zinsen würden bis mindestens Mitte 2015 auf dem aktuellen Niveau bleiben. Davon war in späteren Statements nichts mehr zu lesen. Die Formulierung mit Zeitangabe wurde etwas nebulöser durch „niedrige Zinsen für einen längeren Zeitraum“ ersetzt. Inzwischen wird die erste Anhebung des Leitzinses bis zum zweiten Quartal 2015 erwartet.

Die zukünftige Politik der Notenbank ist festgelegt. Sie bewegt sich auf dem vorsichtigen Pfad des QE Ausstiegs. Es wird diesbezüglich immer wieder die eine oder andere Gegenstimme geben, weil Tauben meinen, es sei noch zu früh für weitere Reduktionen. Das wird aber letztlich nichts am Kurs der Notenbank ändern. Es wird immer zwei bis drei FOMC Mitglieder geben, die eine sehr spezifische Ideologie haben und entsprechend abstimmen. Hoenig konnte sich nie für eine Lockerung erwärmen. Das wird wohl auch so bleiben. Ebenso ist Kocherlakota zur überzeugten Taube geworden und wird wahrscheinlich seine Meinung durch eine Gegenstimme zum Ausdruck bringen, wenn das Tempo der Straffung zunimmt.

Ehrlicherweise muss man sagen - wenn man sich die Historie ansieht - ist die Gesinnung einzelner FOMC Mitglieder ziemlich irrelevant. Ist die grobe Richtung der Fed festgelegt, dann wird daran nicht gerüttelt, egal, ob im Komitee nun 3 oder 6 Falken oder Tauben sitzen. Yellen wurde ja als größte Taube von allen gesehen und dennoch überraschte sie schon fast eher als Falke. Wilde Kurswechsel sind nicht zu erwarten, ganz unabhängig von Einzelmeinungen. 2008 hieß die Richtung Lockerung und diese wurde bis Ende 2013 beibehalten. Jetzt heißt die Richtung Tapering und es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass sich daran etwas ändert. Die Ausführung des Tapering hat wenig mit der Anzahl an Falken und Tauben im Komitee zu tun. Die Historie zeigt, dass die großen Richtungsentscheidungen über einen Zeitraum von einem Jahr formuliert und dann über Jahre beibehalten werden. Das ist auch eine Notwendigkeit. Die Fed würde die Märkte in arge Unruhe versetzen, würde sie von Sitzung zu Sitzung ihre Strategie ändern. Man muss sich nur vorstellen, was geschähe, würde die Fed bei ihrer nächsten Sitzung ein Aussetzen der Reduktion der Wertpapierkäufe verkünden. Das wäre das Signal, dass die Wirtschaft irgendwie ins Negative abdriftet. Das dürfte einen Bärenmarkt zur Folge haben.

Ein Kurswechsel der aktuellen Politik ist nur denkbar, wenn es wirklich unübersehbar und dramatisch bergab geht. Davon ist aktuell nicht auszugehen. In der Feinabstimmung hat die Anzahl an Falken und Tauben dann wahrscheinlich doch wieder eine gewisse Bedeutung. Geht es darum, ob die Zinsen nächsten März oder April erhöht werden, dann könnte ein Überhang an Falken dafür sorgen, dass die Zinsanhebung im März stattfindet und nicht im April. Das ist meiner persönlichen Meinung nach in etwa die Größenordnung des Spielraums, in dem Falken und Tauben Einfluss auf die Entscheidungen haben.

Clemens Schmale

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  • Kaputtnick
    Kaputtnick

    Sehr aufschlussreicher Artikel und gut gemacht !

    Danke

    11:38 Uhr, 28.04. 2014

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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