Kommentar
15:50 Uhr, 05.08.2021

Die Fed muss ihre Mandate abwägen: Inflation und Beschäftigung

Die US-Notenbank steht vor dem größten Dilemma einer Generation. Die Erklärungsnot dürfte akut werden.

Morgen ist ein wichtiger Tag. Der offizielle Arbeitsmarktbericht wird veröffentlicht. Schon jetzt ist aber klar, dass die Zahlen wohl nicht so gut ausfallen werden wie erwartet. Gestern wurden die Zahlen von ADP vorgelegt. Die von ADP erhobenen Zahlen und jene des offiziellen Berichts gehen tendenziell in die gleiche Richtung.

ADP meldete 330.000 neu geschaffene Stellen im Juli. Erwartet wurde das Doppelte. Damit verliert der US-Arbeitsmarkt deutlich an Dynamik (Grafik 1). Für die Notenbank ist das auf den ersten Blick eine gute Neuigkeit. Sie hat sich bei ihrem letzten Zinsentscheid nicht dazu hinreißen lassen, einen Ausstiegsplan aus den Wertpapierkäufen vorzulegen.


Der Hauptgrund für die zögerliche Haltung in Bezug auf eine straffere Geldpolitik: der Arbeitsmarkt. Man will das Ziel der Vollbeschäftigung möglichst schnell erreichen. Solange das Ziel jedoch nicht in greifbarer Nähe ist, soll auch die Geldpolitik nicht gestrafft werden. Es sieht so aus, als ob die Fed mit ihrer zögerlichen Halten genau das Richtige getan hat.

Es sieht leider nur so aus. Tatsächlich sind die USA bei der Beschäftigung noch lange nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau. Es fehlen noch immer 7 Mio. Jobs. Das rechtfertigt die weiterhin sehr lockere Geldpolitik. Es gibt dabei jedoch ein Problem. Das Vorkrisenniveau ist nicht der richtige Maßstab.

Viele Menschen wollen oder können noch nicht wieder arbeiten und zwei Millionen Beschäftigte gingen in Rente. Berücksichtigt man diese Faktoren, sind die USA sehr nahe am Vorkrisenniveau. Die Fed versucht aber immer noch, mit der Brechstange das Beschäftigungsniveau aus Februar 2020 zu erreichen.

Gleichzeitig steigt die Inflation. Die Notenbank sagt, dass alles nur vorübergehend ist. Viele Faktoren lassen sich als vorübergehend interpretieren, doch wenn ein vorübergehender Faktor dem nächsten folgt, hat man trotzdem jahrelang zu hohe Inflation. Neue Lockdowns in Asien verschlimmern das Lieferkettenproblem. Aus vorübergehenden Faktoren werden nun permanente Probleme.

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 6 %. Das ist vergleichsweise hoch. Die Inflationsrate ist ebenfalls hoch. Hohe Arbeitslosigkeit und hohe Inflation ist praktisch die Definition von Stagflation. Zugegeben, die Wirtschaft wächst (noch). Es ist jedoch jetzt schon bekannt, dass sich das Wachstum verlangsamen wird. Die Inflation bleibt vorerst hoch und die Arbeitslosenrate geht nur sehr langsam zurück.


Das wirft Fragen auf. Was will die Fed in dieser neuen Situation, die stark nach Stagflation aussieht, tun? Reagiert sie doch auf die Inflation und beendet die Wertpapierkäufe oder gibt sie weiter Gas und riskiert noch höhere Inflation, während sich der Arbeitsmarkt kaum bewegt?

Es herrscht dringend Klärungsbedarf. Bisher hat die Fed diesen Bedarf ignoriert. Mit den jüngsten Zahlen dürften Investoren langsam aufwachen. Die Notenbank versucht höhere Beschäftigung zu erzwingen, obwohl Faktoren außerhalb ihres Einflussbereichs für den langsamen Rückgang verantwortlich sind. Das birgt Risiken auf der Inflationsseite und für die Finanzstabilität.

Die Fed ist im Dilemma und schuldet der Welt eine Erklärung, wie sie ihre beiden Mandate abwägt.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Juancor
    Juancor

    Tja.....game over!
    :-D

    16:20 Uhr, 05.08. 2021

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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