Kommentar
09:24 Uhr, 18.04.2019

Die EZB machte einen großen Fehler - nimmt sie diesen nun zurück?

Die EZB hat einen großen Fehler gemacht, als sie negative Einlagenzinsen einführte. Die Bankbranche blutet aus. Kommt jetzt die Korrektur?

Als die EZB Mitte 2014 negative Zinsen einführte, galt das als eine Art Geniestreich. Negative Zinsen wurden für nicht möglich gehalten. Die EZB belehrte den Markt und Analysten. Erst senkte sie den Einlagensatz auf -0,1 % und später auf -0,4 %. Negative Einlagenzinsen bestrafen Banken, die hohe Überschussreserven haben. Diese müssen bei der Notenbank geparkt werden, wo sie negativ verzinst werden. Das sollte einen Anreiz bieten, um die Wirtschaft möglichst gut mit Kredit zu versorgen. Banken, so die Idee, würden lieber Kredit vergeben, als negative Zinsen zu bezahlen.

In der Praxis kam es nie zu den positiven Effekten, die man sich erhofft hatte. So viel Kredit, den es braucht, um Negativzinsen zu entgehen, braucht kein Mensch. Und die Wahl ist etwas komplizierter als Negativzinsen vs. Kreditvergabe. Wer Kredit vergibt, trägt ein Risiko, dass der Kredit nicht zurückgezahlt wird.

Will man mehr Kredit vergeben, muss man irgendwann auch Schuldner mit geringer Bonität bedienen. Das Risiko steigt mit zunehmender Kreditvergabe. Dieses Risiko ist im Vergleich zu den Strafzinsen zu groß. Ein Kreditboom blieb aus, nicht zuletzt wegen des Risikos, aber auch, weil niemand so viel Kredit braucht.

So wuchsen die Überschussreserven der Banken unter QE und Langfristrefinanzierungen munter an (Grafik 1). Auf einen erheblichen Teil dieser Reserven müssen Banken Strafzinsen zahlen, was die Profitabilität beeinträchtigt.

Die Negativzinsen sollten noch einen anderen Effekt haben. Bekommen Sparer immer weniger Geld auf dem Konto oder müssen sogar für das Parken von Geld auf dem Konto zahlen, wird das Geld lieber ausgegeben als es zu sparen. Banken gaben die Negativzinsen aber nie weiter. Einen positiven Effekt auf den Konsum gab es nie.

Banken konnten die Negativzinsen nicht einfach weitergeben. Sie stehen unter Wettbewerb. Gibt eine Bank die Zinsen weiter, andere aber nicht, würden Kunden in Massen flüchten. Entweder machen alle mit oder keiner. Letzteres ist geschehen.

So kommt es, dass der europäische Bankensektor blutet. In anderen Währungsräumen wurde dafür eine Lösung gefunden. Auch die Schweiz hat Negativzinsen, die sogar noch tiefer sind als in der Eurozone. Die Notenbank hat allerdings einen Freibetrag eingerichtet (Grafik 2), sodass Banken bei weitem nicht auf alle Überschussreserven negative Zinsen zahlen müssen.

Die EZB denkt nun darüber nach, ebenfalls ein solches Tiering einzuführen. Dadurch könnten hohe Zinszahlungen erspart bleiben (Grafik 3). Deutsche Banken würden dann nicht mehr 2,4 Mrd. an Zinsen zahlen, sondern nur noch 700 Mio. Die Ersparnis von 1,7 Mrd. können die Banken gut brauchen.


Die EZB dachte auch 2014 über eine solche Lösung nach, entschied sich aber dagegen. Vermutlich hatte sie gedacht, dass die Phase der Negativzinsen nicht so lange andauern würde. Eine Alternative brauchte es nicht, wenn die Negativzinsen nur für wenige Jahre gelten. Nun sind es fast 5 Jahre und es ist nicht absehbar, wann damit Schluss ist.

Genau hier liegt ein Problem. Führt die EZB nun unterschiedliche Kategorien an Überschussreserven ein, ist das ein Zeichen dafür, dass die Zinsen noch jahrelang negativ bleiben werden. Die Signalwirkung ist erheblich. Daher werden Banken vermutlich weiterhin leiden müssen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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