Kommentar
19:41 Uhr, 26.04.2018

Die EZB macht sich Sorgen - und die sind auch berechtigt!

Der EZB-Zinsentscheid hat keine Überraschung gebracht. Stattdessen war es das Beiwerk zum Entscheid, welches hellhörig macht.

Es gab heute in der Geldpolitik eine bestimmende Frage: Was ist bloß mit der Wirtschaft der Eurozone los? Nun, so recht wissen weder wir es, noch die Notenbanker. Sie sind ein wenig ratlos, übertünchen dies allerdings blumig und reden von einer Mäßigung des hohen Wachstumstempos.

Die EZB will jetzt erst einmal abwarten, was geschieht. Es kann ja sein, dass die ernüchternden Wirtschaftsdaten in diesem Jahr nur vorübergehend sind. Es wäre nicht das erste Mal, dass es zu kleineren Auf- und Abbewegungen im Konjunkturzyklus kommt. Der Konjunkturzyklus ist nicht gradlinig. Kleinere Abweichungen vom übergeordneten Trendverhalten kann es immer wieder geben.

Die Daten sind nun allerdings schon eine ganze Weile schlecht. Im Normalfall hätte schon ein Licht am Ende des Tunnels aufblitzen sollen. Das ist bisher nicht geschehen. Nicht umsonst spricht die Notenbank das Thema an. Das ist auch gut so.

In den USA sehen wir schon lange, dass sich der Konjunkturzyklus dem Ende entgegen neigt. Das wird nicht zuletzt durch die immer flacher werdende Zinskurve untermauert. In der Eurozone hielten sich die Zinskurven auf anständigem Niveau und machten die Abflachung in den USA in den vergangenen 12 Monaten nicht mit (siehe Grafik).

Seit wenigen Wochen kommen bei Investoren aber anscheinend Zweifel auf. In Italien flacht die Zinskurve über ihre normalen Schwankungen ab. Der Zinsspread befindet sich aktuell fast schon im freien Fall. Deutschland und Frankreich schleppen sich mühsam auf niedrigem Niveau seitwärts.

Betrachtet man die Spreads in der Eurozone und vergleicht sie mit dem Spread in den USA, wird schnell klar, dass die US-Zinskurve der europäischen vorausläuft. Anfang der 90er Jahre (Wiedervereinigung) gab es den seltenen Fall, dass die Kurven nicht parallel verlieren. Ansonsten geben die USA den Takt vor. Insbesondere invertiert die US-Kurve einige Monate, bevor es auch in der Eurozone soweit ist.

Lesen Sie dazu auch: Robustes Wachstum? Warum es eher nach Abschwung aussieht! (PRO-Artikel!)

Man kann sich bei der Entwicklung der US-Kurve ausmalen wie es in der Eurozone weitergeht. Es muss schon ein kleines Wunder geschehen, damit sich die Kurven nicht weiter abflachen. Auch in der Eurozone geht das Hoch des Konjunkturzyklus zu Ende. Den Zenit haben wir bereits überschritten.

Ich gehe davon aus, dass sich die Wirtschaftsdaten in diesem Jahr noch einmal verbessern werden. Die zunehmende Verlangsamung wird das nicht aufhalten. Ich vermute sogar sehr stark, dass die EZB den Leitzins vor dem nächsten Abschwung nicht mehr wird anheben können. Mit etwas Glück löst sich der Leitzins minimal von seinem aktuellen Niveau von 0 %. Das wäre das ähnlich wie 2011 als der Zins zwei Mal angehoben wurde. Das war ein Fehler und die Zinsen sanken danach sofort wieder. Das könnte sich wiederholen, wenn der Zins vor der nächsten Rezession überhaupt noch einmal steigt.

Clemens Schmale

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6 Kommentare

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  • lexa
    lexa

    Das Problem ist nur: Wenn vor der nächsten Rezession die Zinsen nicht angehoben wurden hat die EZB dann auch ein Instrument weniger um Gegenzusteuern, wie die letzten Male. Senken geht dann nicht mehr.

    08:30 Uhr, 27.04. 2018
  • einfach
    einfach

    es wäre für die infrastruktur besser wenn es zu einer rezession kommt und die zinsen immer noch bei null liegen, da dann die länder in infrastruktur investieren können ohne den markt wie jetzt bei guter auslasung nicht noch mehr zu befeuern.

    dieses ganze gejammere, das die zentralbanken bei null zinsen keine pfeile mehr im köcher hätten um die wirtschaft wieder anzukurbeln ist nur markgeschrei.

    wann wenn nicht bei null zinsen, ist es für länder bei abflauender konjunktur am günstigsten in infrastrukturmaßbahmen zu investieren.

    20:57 Uhr, 26.04. 2018
  • Austrochris
    Austrochris

    Der steigende Ölpreis wird auch wohl die Inflation anheizen . Das Gejammer ist aber vor allem, dass die Zinsen nicht angehoben werden dürfen um die Hochkonjunkturverlangsamung nicht zu gefährden . Was macht dann Draghi wirklich wenn es hart auf hart kommt . ....?

    20:28 Uhr, 26.04. 2018
  • Austrochris
    Austrochris

    Genau so ist es ! Hab davor ja schon oft gewarnt, dass die Zinsen wahrscheinlich kaum vom Fleck kommen werden und Sparer von einem Fiasko ins nächste kommen werden .

    Auch die USA wird wohl nur noch wenig an der Zinsschraube drehen können , denn die hochverschuldeten Privathaushalte träfe es noch viel schlimmer . Höhere Zinsen und Konjunkturverlangsamung wäre der Supergau und würde direkt in eine Rezession führen .

    20:21 Uhr, 26.04. 2018
  • Market Impact
    Market Impact

    Vielleicht gibts ja ne Panik wenn bei der nächsten Sitzung die Zinsen gesenkt werden , 0,50% 😀

    20:02 Uhr, 26.04. 2018

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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