Kommentar
12:57 Uhr, 06.11.2015

Die EZB lebt in ihrer eigenen Welt

Die EZB sucht erneut nach Rechtfertigungen für eine weitere Lockerung der Geldpolitik. In der Vergangenheit war das oft ein guter Hinweis, für anstehende Maßnahmen.

"Ich mach mir die Welt widewide wie sie mir gefällt". Diese Zeile aus dem Titellied der Pippi-Langstrumpf-Fernsehserie trifft auch auf die EZB zu. EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hat heute betont, dass der Rückgang der Ölpreise vor allem auf die schwache Nachfrage zurückzuführen sei. Er beruft sich dabei auf eine Analyse der EZB. Ähnliche Äußerungen hatte bereits Notenbank-Chef Mario Draghi nach der Ratssitzung im Oktober gemacht.

Es ist richtig, dass der globale Rohölbedarf zuletzt eher gering ausfiel. Analysten sind aber mehrheitlich der Auffassung, dass in erster Linie angebotsseitige Faktoren für den Ölpreisrutscht verantwortlich zeichnen, da sich viele wichtige Ölförderländer bewusst gegen eine Drosselung der Ölförderung entschieden hätten. Dahinter stünden vor allem politische Motive.

Warum kommt die EZB also zu einem anderen Ergebnis? Ganz einfach! Sie sucht nach Rechtfertigungen für eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Die Entwicklung der Ölpreise hat einen erheblichen Einfluss auf die Inflationsrate. Wenn sie die niedrige Teuerungsrate mit einer schwachen Nachfrage begründen kann, hat die EZB ein gutes Argument für weitere Stimulierungsmaßnahmen. Dies entfällt jedoch, wenn ein übermäßiges Angebot für die niedrigen Preise verantwortlich ist. Die EZB macht es derzeit also wieder so, wie sie es in den letzten Jahren immer gemacht hat. Sie dreht sich die fundamentalen Daten so hin, wie sie sie gerade braucht.

5 Kommentare

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  • Daniel Kühn
    Daniel Kühn Freier Finanzjournalist

    Es gibt noch einen weiteren Aspekt zu bedenken: Die Nachfrage nach Öl könnte auch aus Gründen fallen, die mit einer klassischen Nachfrageschwäche nichts zu tun haben. Nur mal als Beispiel: Ersatz von Benzinautos durch Elektroautos.

    Alles was ich bisher gelesen habe zeigt aber ganz klar, dass es ein Angebotsphänomen ist.
    Zu den im Artikel genannten Gründen kommt ja auch noch die Ausweitung des Angebots durch Fracking und Schieferöl.

    Daher ist diese Begründung der EZB tatsächlich eine einzige Farce

    17:20 Uhr, 06.11.2015
  • Investor
    Investor

    Wenn zuviel Öl im Markt ist, fehlt immer Nachfrage. (Kann man so sehen .))

    Aber hat QE der EZB irgendetwas bisher erreicht? Die Exporte sind nicht gestiegen, die Unternehmensgewinne zeigen keinen Sprung.

    Nur der Euro wertet ab und zwingt China als großen Konkurrenten auch abzuwerten. Gleichzeitig steigen die Staatsschulden ww während das globale BIP seit 2008 nahezu konstant geblieben ist. Das BIP schwankt um rd 5B USD während die Schulden inzwischen bei knapp 10b USD liegen. Schulden ohne Wachstum können nur sehr schwer abgebaut werden und deren Zinsen nehmen immer mehr Ressourcen in Anspruch. Bleibt nur Inflation, die aber wegen eines Überangebotes nicht aufkommen kann.

    Der einzige Nachweisbare Effekt des QE ist, daß die oberen 1% jetzt ca 50% aller Vermögen weltweit besitzen (08 rd 44%). Tendenz stark steigend.

    Aber Fundamentaldaten so zu interpretieren, daß es zu dem Maßnahmen passt, kennen wir eigentlich schon von der FED. Da bisher auch niemand die Wirkung von QE auf das Wachstum nachweisen kann.

    16:29 Uhr, 06.11.2015
  • Unentschieden
    Unentschieden

    Guter Beitrag!

    Wer in der EU wäre in der Lage, diesen Scharlaten das Handwerk zu legen um diesen verbrecherischen Wahnsinn endlich ein Ende zu setzen?

    15:26 Uhr, 06.11.2015
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Über den Experten

Thomas Gansneder
Thomas Gansneder
Redakteur

Thomas Gansneder ist langjähriger Redakteur der BörseGo AG. Der gelernte Bankkaufmann hat sich während seiner Tätigkeit als Anlageberater umfangreiche Kenntnisse über die Finanzmärkte angeeignet. Thomas Gansneder ist seit 1994 an der Börse aktiv und seit 2002 als Finanz-Journalist tätig. In seiner Berichterstattung konzentriert er sich insbesondere auf die europäischen Aktienmärkte. Besonderes Augenmerk legt er seit der Lehman-Pleite im Jahr 2008 auf die Entwicklungen in der Euro-, Finanz- und Schuldenkrise. Thomas Gansneder ist ein Verfechter antizyklischer und langfristiger Anlagestrategien. Er empfiehlt insbesondere Einsteigern, sich strikt an eine festgelegte Anlagestrategie zu halten und nur nach klar definierten Mustern zu investieren. Typische Fehler in der Aktienanlage, die oft mit Entscheidungen aus dem Bauch heraus einhergehen, sollen damit vermieden werden.

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