Kommentar
14:14 Uhr, 02.10.2017

Die Eurozone hat noch einen weiten Weg vor sich

Zumindest in den Chefetagen – sei es bei der Notenbank oder den Regierungen – kommt Optimismus auf. Auf der Straße ist davon wenig zu spüren.

Bei so manchem ist die EU oder Eurozone an allem schuld. Die Straßen sind kaputt? Wir zahlen der EU zu viel. Die Jobs fallen weg? Brüssel macht Unsinn. Die Jobs haben sich verändert? Dieser unsägliche Binnenmarkt. Die Löhne steigen nicht? Diese schreckliche Gemeinschaftswährung. Kurz gesagt: irgendeinen Sündenbock braucht man ja...

Es ist aber nicht alles nur die Suche nach einem Sündenbock. Viele Vorwürfe gegen Brüssel, Frankfurt (EZB) und Berlin sind zwar unberechtigt, doch genauso viele Vorwürfe haben Hand und Fuß, z.B. die Beschwerden über die Löhne. Die Grafik zeigt dazu den Anstieg der Arbeitskosten einiger Länder im Vergleich.

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In Deutschland stiegen die Reallöhne von 1992 bis 2008 praktisch gar nicht. Nur Japan, welches sich fast 20 Jahre lang in einer Deflation befand, war noch sparsamer bei der Lohngestaltung. Das kann man etwa von Griechenland nicht behaupten. Schon vor der Euroeinführung begannen die Lohnkosten überproportional zu steigen. Selbst in der Anpassungsperiode seit 2008 hat sich dieser Exzess noch lange nicht abgebaut.

Die Arbeitskosten sind ein Ausdruck der Wettbewerbsfähigkeit. Diese sind natürlich nicht der einzige Faktor. Um etwas zu produzieren braucht es mehr als nur Arbeit. Es braucht auch anderen Input, z.B. Rohstoffe und Maschinen.

Hohe Arbeitskosten müssen ein Land nicht gleich im Wettbewerb benachteiligen. Besitzt das Land die besten Maschinen und ist deswegen produktiver, kann die Rechnung noch immer aufgehen. Das ist in Europa und vor allem in der Eurozone nicht der Fall.

Die Länder, die den höchsten Anstieg bei den Lohnkosten hatten, sind bei der Produktivität nicht gerade vorne mit dabei. Das macht es also doppelt schlimm. Im Normalfall würde unter diesen Bedingungen die lokale Währung abwerten. Das geht mit dem Euro nicht. Sind die Arbeitskosten zu hoch, gibt es nur einen Ausweg: sinkende Löhne.

Kann die Währung abwerten, gibt es Inflation. Der Wettbewerbsnachteil wird bis zu einem gewissen Grad weginflationiert. Das geht in der Eurozone nicht. Man kann also durchaus sagen, dass die Eurozone an sinkenden oder stagnierenden Löhnen in Teilen des Währungsraum die Schuld trägt.

Die Sache ist aber etwas komplizierter. Freilich können sich Spanier beklagen, dass die Löhne nicht steigen. Dafür stiegen sie vor der Krise in den Himmel. Das Land lebte über seine Verhältnisse. Die Rechnung wird seit 2008 präsentiert. Lohnsenkungen sind natürlich schwerer zu verkraften als eine höhere Inflationsrate. Am Ende kommt das gleich dabei heraus. Das eine ist nur deutlicher zu spüren und schmerzhafter.

Auf irgendeine Art und Weise wird die Rechnung für exzessives Lohnwachstum präsentiert. Das hat wenig mit der Eurozone zu tun. Die Eurozone bestimmt aber die konkrete Art der Rechnung. Dass die Rechnung präsentiert wird, ist unumgänglich – mit oder ohne Gemeinschaftswährung.

Es ist unrealistisch davon auszugehen, dass in Zukunft vernünftiger gehandelt wird. Die EU und die Eurozone versuchen Vernunft zu erzwingen, indem immer neue Regeln aufgestellt werden. Das untergräbt die Souveränität der Staaten und befeuert das Misstrauen. So schön die Idee von immer mehr Integration auch ist, sie ist vor allem auf dem Papier schön. Regierungen und Brüssel machen trotzdem übermotiviert weiter. Das kann früher oder später nur zu einer Konfrontation zwischen Volk und Regierung führen.

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2 Kommentare

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  • Karsten B.
    Karsten B.

    ...ja aber einen vielleicht umso kürzeren bis sie komplett zerbricht...

    14:22 Uhr, 02.10. 2017

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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