„Die Erholung der Emerging Markets kommt – wenn auch später als erwartet“
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Frankfurt (BoerseGo.de) - Die Experten von J.P. Morgan Asset Management rechnen trotz der derzeitigen Schwächephase nach wie vor mit einer Erholung in den Schwellenländern. Allerdings werde diese mit Verzögerung eintreten: „Eigentlich sollte genau jetzt die U-förmige Erholung beginnen, die wir noch vor wenigen Monaten erwartet haben“, so George Iwanicki, Schwellenländer-Stratege bei J.P. Morgan Asset Management, „doch noch lässt diese auf sich warten.“ Im Gegenteil sorgen derzeit eher Negativschlagzeilen von China über Indien bis hin zu Südafrika für Verunsicherung. Der Stratege erwartet jedoch, dass sich im Verlauf des zweiten Halbjahrs 2013 ein Aufwärtstrend einstellen sollte. „Die verzögerte konjunkturelle Erholung in den Schwellenländern hat dazu geführt, dass bisher weder die Gewinne gestiegen sind noch die Gewinnerwartungen angezogen haben“, erläutert Iwanicki. So steckten die Märkte in einem Umfeld fest, in dem wenig Momentum aus der Gewinnsituation komme.
Gründe hierfür sieht der Stratege vor allem in zwei Kürzungen, „Taperings” genannt: So habe erstens die US-Notenbank angekündigt, das quantitative Lockerungsprogramm zurückzufahren. Zweitens will die chinesische Regierung der Kreditvergabe außerhalb des Bankensektors einen Riegel vorschieben. Das chinesische Tapering verzögert die Wachstumserholung in den Emerging Markets, was die Gewinnspannen der dortigen Unternehmen belastet, so dass noch mehr zyklischer Abwärtsdruck auf die Gewinne entsteht. Und die Ankündigung der Fed, den Kurs des billigen Geldes zu beenden, trifft die Schwellenländer gleich zweifach: Erstens wurde das Wachstum der Binnennachfrage massiv angekurbelt, um die Schwäche in den Exportmärkten auszugleichen. Zweitens blieben die Nominalzinsen in den Schwellenländern auf einem höheren Niveau als in den entwickelten Märkten und zogen entsprechend hohe Kapitalflüsse an. Diese beiden Faktoren sorgen nun dafür, dass die bislang üppigen Leistungsbilanzüberschüsse zurückgehen und in manchen Ländern sogar Leistungsbilanzdefizite entstehen. Drei Länder trifft das besonders, nämlich Südafrika, die Türkei und Indien. „Bei allen drei Ländern ist das Leistungsbilanzdefizit auf rund 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen und damit auf ein Niveau, auf dem selbst bei einem Schwellenland zu befürchten ist, dass es Auslandsschulden aufnehmen muss“, so Iwanicki.
Neben den Leistungsbilanzdefiziten gilt es laut dem Strategen auch zu prüfen, wie abhängig ein Land von den Kapitalflüssen aus der entwickelten Welt ist. Bei Betrachtung des Finanzbedarfs und der Devisenreserven der Länder zeigt sich, dass die meisten Emerging Markets über ausreichend Reserven verfügen, um einen Rückgang des von außen wegen der bislang hohen Zinsdifferenz zufließenden Kapitals auszugleichen, wenn die US-Notenbank ihr qualitatives Lockerungsprogramm auslaufen lässt. Einige wenige Länder erscheinen anfälliger, da ihre Reserven relativ niedrig sind, was Druck auf die Währungen ausüben könnte. Hiervon seien laut Iwanicki vor allem die Türkei und einige osteuropäische Länder betroffen.
Allerdings lasse sich feststellen, dass die fundamentale Bewertung der Schwellenländer-Währungen durch die jüngsten Abwertungen attraktiver wurde. „Zwar erscheinen einzelne ‚Rohstoffwährungen‘ wie der russische Rubel, der brasilianische Real oder der kolumbianische Peso gemessen an ihrem Fair Value nach wie vor teuer, aber die Überbewertung gerade dieser rohstofflastigen Währungen hat sich um bis zu zwei Drittel reduziert“, betont der Stratege. Wichtig ist ihm auch, dass einige Währungen, die als relativ anfällig für einen Rückgang der externen Kreditflüsse angesehen werden, nicht von den Bewertungs- und Kapitalflussrisiken betroffen zu sein scheinen: „Die indische Rupie ist jetzt definitiv günstig, der südafrikanische Rand, der Anfang des zweiten Quartals schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist nun auf die billige Seite gerückt, und die türkische Lira, die durch einen Rückgang der Portfolioflüsse gefährdet zu sein scheint, notiert in etwa zu ihrem Fair Value.“ Unter den Schwellenländern macht Iwanicki kaum Länder aus, die sowohl ein Bewertungsrisiko als auch ein Kapitalflussrisiko aufweisen. „Wir sehen bei bestimmten Ländern oder Währungen innerhalb des Universums immer nur eins der beiden Risiken.“
Gleichzeitig seien die Sorgen bezüglich des Kreditwachstums in den Schwellenländern insofern übertrieben, als dass die Kredite in den meisten Ländern noch nicht ein derart hohes Niveau erreicht haben, wodurch ein Kollaps drohen würde.
So findet George Iwanicki inmitten der Turbulenzen auch Positives: „So schlecht die Nachrichten aus den Schwellenländern auch sein mögen, sie stellen keinen Grund für eine Krise dar. Die Bewertungen befinden sich jedoch auf einem Krisenniveau.“ Derartige Bewertungen seien bei sehr guten Nachrichten selten – man müsse sich bewusst werden, dass diese Gelegenheiten in der Regel dann entstehen, wenn wie derzeit ein unangenehmes Umfeld herrsche. „Historisch gesehen wurden Anleger bei diesen Niveaus dafür entlohnt, in die Anlageklasse zu investieren“, so sein Fazit.
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