Die Bullen wollen noch neue Rekordhochs sehen
- Lesezeichen für Artikel anlegen
- Artikel Url in die Zwischenablage kopieren
- Artikel per Mail weiterleiten
- Artikel auf X teilen
- Artikel auf WhatsApp teilen
- Ausdrucken oder als PDF speichern
Die Delegationen haben sich auf ein "Rahmenabkommen für den Handel" geeinigt, mit dem das "Gespräch zwischen den beiden Präsidenten" umgesetzt werden soll, so US-Handelsminister Howard Lutnick. Ein grundlegender Teil des Rahmenabkommens sei für die Vereinigten Staaten die Auflösung von Chinas Beschränkungen für den Export von Seltenen Erden in die USA, sagte Lutnick gegenüber Reportern. Das neue Abkommen werde auch einige US-Exportbeschränkungen aufheben, die vor Kurzem eingeführt wurden, sagte er.
Von Zöllen war derweil zunächst nicht die Rede. Damit bestand die Gefahr, dass die jeweiligen Importzölle der Länder am Ende der 90-tägigen Frist wieder auf über 100 % angehoben werden.
Für zwei Tage mit stundenlangen und somit offenbar intensiven Verhandlungen erschien das Ergebnis somit relativ dürftig. Zumal beide Seiten laut Lutnick nun zunächst noch mit ihren Staatsoberhäuptern das Ergebnis besprechen müssten. Deren Zustimmung stand also noch aus. In einem separaten Briefing bestätigte dies auch der stellvertretende chinesische Handelsminister Li Chenggang.
Zölle: Die USA bekommen 55 %, China bekommt 10 %
Gegen 14:00 Uhr (MESZ) kam dann allerdings von US-Präsident Donald Trump die Meldung, dass ein Handelsdeal mit China steht. "Wir bekommen Zölle von 55 %, China bekommt 10 %", schrieb er auf seinem Social Media-Account.
Die Aktienmärkte reagierten auf diese Mitteilung mit erhöhter Volatilität, aber nicht mit einem neuen Trend. Stattdessen traten die Kurse letztlich auf der Stelle und pendelten sich auf dem Niveau ein, welches vor der Meldung erreicht worden war.
Das ist verständlich. Denn auch dieses Ergebnis der Verhandlungen ist eigentlich eine Enttäuschung, weil die US-Zölle auf Importe aus China derzeit "nur" bei 40 % liegen. Aber immerhin scheinen Zölle von erneut mehr als 100 % damit vom Tisch.
Trumps Zölle dürfen bis Ende Juli in Kraft bleiben
In Sachen Zöllen hatte es zuvor noch eine Meldung gegeben: Vom Bundesberufungsgericht in den USA war zu hören, dass die Verhandlung über die Zulässigkeit der US-Zölle, die von US-Präsident Donald Trump unter Verwendung eines Notstandsgesetzes eingeführt wurden, für den 31. Juli angesetzt wurde. Und das Gericht entschied, dass die Zölle während des Berufungsverfahrens in Kraft bleiben dürfen. – eine weitere gute Nachricht für Trump, eine weitere schlechte für die Börsen.
S&P 500: Acht Handelstage in Folge ein neues Erholungshoch
Aber die Aktienmärkte setzen trotz des enttäuschenden Verhandlungsergebnisses sowie der Gerichtsentscheidung ihren Kurs vollkommen unbeeindruckt fort. Der S&P 500 hat an jedem der vergangenen sieben Handelstage ein neues Hoch in seiner laufenden Kurserholung markiert. Und an sechs von den sieben Handelstagen wurde auch ein höheres Tief markiert.
Gestern legte der Index zunächst den achten Handelstag in Folge zu, konnte die Gewinne zum Handelsende hin aber nicht halten. Mit dieser Aufwärtsbewegung ist der marktbreite US-Aktienindex seit seinem Crash-Tief vom 7. April um inzwischen mehr als +25 % gestiegen. Damit konnte er den Kursverlust von seinem Rekordhoch des 19. Februar auf nur noch -1,45 % reduzieren.
Alleine seit dem Tief der kleinen und kurzen Korrektur vom 23. Mai hat der Index schon wieder um mehr als 5 % zugelegt. Passierte dies, wie im Chart skizziert, im Rahmen einer Welle 5? Muss man daher bald mit einer größeren (ABC-)Korrektur rechnen? Das würde jedenfalls zur saisonal schwächeren Phase passen, die ansteht.
Allerdings: Je mehr sich der Index seinem Rekordhoch nähert, desto mehr dürften die Bullen versuchen, dieses auch noch zu erreichen bzw. sogar zu übertreffen.
US-Inflation steigt moderater als erwartet
Und da kamen die gestrigen US-Inflationsdaten gerade Recht. Denn diese zeigen, dass der Zollstreit bislang weniger starke Auswirkungen auf die Preise hat als befürchtet. Zwar ist die jährliche Inflation in den USA im Mai auf +2,4 % gestiegen, von +2,3 % im Vormonat, allerdings legte die Teuerung damit weniger stark zu als mit +2,5 % erwartet.
Die Kerninflation blieb mit einer Jahresrate von +2,8 % sogar unverändert, statt wie erwartet auf +2,9 % zu steigen. Der Grund: Im Vergleich zum Vormonat legten die Preise ohne schwankungsanfällige Energie und Lebensmittel nur um +0,1 % zu, statt erwarteter +0,3 %, nach +0,2 % im April.
Dem Dow Jones gelingt der dynamische Ausbruch
An den Aktienmärkten sorgte dies, wie sollte es derzeit auch anders sein, wieder für einen Kurssprung. Der Dow Jones schoss zum Beispiel binnen Sekunden um rund 300 Punkte nach oben und erreichte ebenfalls ein neues Erholungshoch. Damit ist ihm der Sprung über den horizontalen Widerstand gelungen (siehe grüner Pfeil im folgenden Chart).
Diesen dynamischen Ausbruch könnte man nun mit dem gestern beschriebenen, prozyklischen Long-Trade begleiten, eng abgesichert per Stop-Loss, zum Beispiel unter dem jüngsten höheren Tief.
Allerdings blieben die Kurse am 76,40%-Fibonacci-Retracement hängen (roter Pfeil). Daher sollte man nun sehr genau beobachten, ob der Ausbruch nachhaltig ist oder sich als Bullenfalle entpuppt. Zumal auch beim Dow Jones ein fünfgliedriger Aufwärtstrend vorliegt, der am Ende der Welle 5 von einer ABC-Korrektur abgelöst werden könnte. Viel Restpotenzial hat der Dow Jones daher wahrscheinlich nicht.
Nasdaq 100 kurz vorm Rekordhoch
Auch dem Nasdaq 100 ist ein neues Hoch in der laufenden Erholungs-Rally gelungen. Sein Kursgewinn beträgt damit seit dem Rücksetzer vom 23. Mai nun sogar fast 7 %. Und der Kursverlust von seinem Rekordhoch des 19. Februar wurde auf nur noch -0,88 % reduziert.
Daher dürften die Bullen nun vor allem beim US-Technologieindex viel daransetzen, dieses Rekordhoch noch zu erreichen. Ich würde allerdings nicht mehr mit neuen Long-Positionen auf diese letzten Prozentpünktchen setzen.
Folge eines schwächeren Wachstums?
Zumal Ökonomen zufolge der trotz erhöhter Zölle noch immer moderate Inflationsanstieg die Folge eines schwächeren Wachstums in den USA sein könnte. Die Weltbank rechnet damit, dass die größte Volkswirtschaft der Welt in diesem Jahr nur um 1,4 % wächst, wie sie gestern mitteilte. Das wäre nur halb so viel wie im vergangenen Jahr. Im Januar war die Weltbank noch von einem Plus von 2,3 % ausgegangen. Aber das interessiert die Bullen nicht.
Außerdem gehen Experten davon aus, dass die Inflationsraten bereits im Juli und August deutlich höher ausfallen und die Teuerung im dritten Quartal 2025 sogar auf +4 % gegenüber dem Vorjahr zusteuert. Allerdings ist dieser Inflationsanstieg vorübergehend, weil es sich bei Zöllen um eine einmalige Preiserhöhung handelt. Spätestens im Spätsommer 2026 dürften die jährlichen Inflationsraten also wieder sinken und Ende 2026 bei 2 % landen. Was wird die Fed wohl bis dahin tun? Auf ihrer nächsten Sitzung in der kommenden Woche (18. Juni) wird sie jedenfalls keine Änderungen am Leitzins vornehmen. Die Wahrscheinlichkeit dafür wird vom Markt derzeit auf fast 100 % taxiert.
Fazit
Bevor man mit dem Gedanken spielt, die charttechnisch massiv überkaufte sowie fundamental hoch bewertete Lage zu nutzen, um mit Short-Trades auf eine mögliche saisonale Korrektur zu setzen, sollte man auf klare Signale für ein Ende der scheinbar unendlichen Rally warten. Dabei reicht es nicht, dass bei den Aktienindizes die kurzfristige Folge höherer Hochs und Tiefs endet. Stattdessen muss es deutliche Hinweise darauf geben, dass die Anleger (nachhaltig) von ihrer "buy the dip"-Mentalität abrücken – wie es sich übrigens aktuell beim DAX schon beobachten lässt!
Keine Kommentare
Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.