Kommentar
14:59 Uhr, 16.06.2015

Die Bären in der Goldlöckchen-Eurozone

In den Augen vieler Beobachter erfreut sich die Eurozone eines „Goldlöckchen“-Moments: Die Bedingungen sind „genau richtig“ für Wachstum. David Zahn, Head of European Fixed Income bei der Franklin Templeton Fixed Income Group stimmt dem zu. Genau wie Goldlöckchen, muss auch die Eurozone sich mit Bären auseinandersetzen. Aber nicht den Haferflocken-fressenden Waldbewohnern, sondern vielmehr Kommentatoren, die einen Schatten des Zweifels auf das Engagement der Europäischen Zentralbank für ihr quantitatives Lockerungsprogramm werfen oder auf neue Daten hinweisen, die andeuten, dass die europäische Konjunkturlokomotive Deutschland nicht mehr so beeindruckt, wie in der Vergangenheit. Obwohl die Neinsager zu den jüngsten Abverkäufen in den europäischen Anleihenmärkten beigetragen haben, glaubt David Zahn, es gibt gute Gründe für die optimistische Annahme, dass die Eurozone den Bären einen Schritt voraus ist. Hier sind die Gründe dafür.

Die Eurozone – das sind die 19 Länder, die den Euro als gemeinsame Währung haben – bietet derzeit das, was wir für ein ideales Klima zur Generierung von Wachstum halten. Es würde uns daher gewiss etwas Sorge bereiten, wenn die Wirtschaft dort nicht wachsen würde.

Viele Aspekte sind für ein Wachstum in der Eurozone günstig: Der Ölpreis liegt erheblich niedriger als noch vor einem Jahr und das unterstützt die europäischen Volkswirtschaften. Gleichzeitig ist der Euro deutlich schwächer als noch vor einem Jahr und davon scheinen Exporteure zu profitieren. Derweil läuft das quantitative Lockerungsprogramm (QE) der Europäischen Zentralbank (EZB) weiter und die EZB scheint entschlossen zu zeigen, dass es ihr damit Ernst auch ist.

Dennoch haben wir den Eindruck, die Region wird keine zusätzlichen Effekte beim Wachstum in den Folgejahren verzeichnen, insbesondere da der Ölpreis allem Anschein nach Anzeichen einer Stabilisierung zeigt und der Euro sich dem Ende seines Abverkaufs anzunähern scheint. Wir glauben zwar nicht, dass uns eine starke Verlangsamung in der Eurozone bevorsteht, es ist uns aber klar, dass das Wachstum in Europa in den letzten Monaten besonders stark gewesen ist. Wir gehen von einer Verlangsamung des Wachstumtempos aus, möglicherweise später in diesem Jahr.

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Ein Grund für unsere Meinung, das Wachstum werde sich verlangsamen, ist, dass Deutschland, der Motor des Wachstums in der Eurozone, nicht so stark wächst, wie viele Marktbeobachter sich das erhofft hatten, insbesondere im Vergleich mit anderen Volkswirtschaften in der Region, denen sich in der Vergangenheit Widerstände geboten hatten und denen es jetzt besser geht.

In vielen Fällen sind es gerade die Länder, die fundamentale Reformen umgesetzt haben, die sich jetzt eines stärkeren Wachstums erfreuen: Italien konnte beispielsweise sein strukturelles Haushaltsdefizit in einen strukturellen Haushaltsüberschuss wandeln und scheint inzwischen aus der Rezession gekommen zu sein. Spanien hat seinen Arbeitsmarkt ebenfalls in gewissem Rahmen reformiert und scheint auch das Haushaltsdefizit unter Kontrolle bekommen zu haben. Die Wirtschaft des Landes ist in den letzten Monaten stärker gewachsen.

Es gibt aber immer noch mehr zu tun. Nach Ansicht vieler Beobachter ist die Arbeitslosigkeit eines der größten Probleme, die sich in Italien und Spanien stellen. Wir denken, die beiden Länder haben möglicherweise noch nicht genug zur Liberalisierung des Arbeitsmarkts getan. Wir denken aber auch, dass dies im Laufe der Zeit wahrscheinlich noch geschehen wird.

Andere Länder haben Reformen erwogen, die aber erst einmal auf kleine Flamme gestellt wurden. In manchen Fällen aufgrund des Wachstums und der niedrigen Zinsen.

Vor diesem generell positiven Hintergrund und bei laufendem QE-Programm bieten europäische Anleihen, insbesondere Anleihen der sogenannten Peripherie – die stärker verschuldeten und weniger wohlhabenden Länder der Eurozone – unserer Meinung nach bei dem aktuellen Renditeniveau einen guten Wert. Die Kernstaaten bieten unserer Meinung nach weniger Wert, aber immer noch mehr als im April.

Die europäischen Anleihenmärkte verzeichneten im April und Mai signifikante Abverkäufe. Unserer Meinung nach signalisiert das aber nicht so sehr eine dramatische Veränderung der zugrundeliegenden Fundamentaldaten der Eurozone, als viel mehr technische und Positionierungs-Erwägungen einiger Anleger.

Auslöser des Abverkaufs scheinen die niedrigen Renditen gewesen zu sein, die der europäische Anleihenmarkt Mitte April verzeichnete. Eine objektivere Betrachtung der Datenlage zeigt aber, dass europäische Renditen gegenüber dem Niveau zu Beginn des Jahres relativ unverändert sind – einige liegen etwas höher, andere etwas niedriger. Insgesamt ist es aber zu keinen signifikanten Veränderungen gekommen. Wir würden also sagen: Es gibt keinen Grund in Hinsicht auf die Aussichten bei europäischen festverzinslichen Anlagen weniger optimistisch zu sein als im ersten Quartal.

Ein wichtiger Faktor unseres Ausblicks für die Eurozone ist die robuste Einstellung der EZB zu ihrem QE-Programm. Die EZB hat klargestellt, sie beabsichtige ihr Programm der Anlagenankäufe unter dem QE-Schirm noch bis September 2016 und, falls dies erforderlich sein sollte, auch darüber hinaus fortzuführen.

Einige Kommentatoren diskutierten, ob die EZB vielleicht darüber nachdenke, ihr QE-Programm zurückzufahren. Aber aufgrund jüngster Kommentare von EZB-Präsident Mario Draghi und anderen Angehörigen des Vorstands der Notenbank denken wir, die Wahrscheinlichkeit einer Reduzierung des Programms ist unwahrscheinlich, sofern die Wirtschaftsdaten sich nicht drastisch ändern.

Sollten die Daten sich nicht drastisch ändern, wird das Programm unserer Meinung nach wahrscheinlich bis September nächsten Jahres und möglicherweise auch darüber hinaus fortgesetzt werden.

Es ist auch interessant sich vor Augen zu führen, dass die jüngste Volatilität im europäischen Anleihenmarkt es aktiven Portfolioverwaltern wie uns möglich macht Gelegenheiten auszunutzen.

Es scheint uns durchaus möglich, dass die Märkte in Europa auch weiterhin etwas volatiler bleiben könnten – zumindest kurzfristig. Das ist eine Phase, während der sich eine aktive Verwaltung bewährt, denn sie erlaubt es Managern potenzielle Möglichkeiten wahrzunehmen, die sich in Indizes nicht bieten.

Wir sind auch bestrebt das Währungsrisiko, das mit unseren Anlagen in Europa verbunden ist, aktiv zu verwalten, und denken, die Möglichkeit der Allokation in verschiedenen Ländern, wenn wir den richtigen Zeitpunkt für gekommen sehen, kann signifikanten Wert bringen.

Autor: David Zahn, Head of European Fixed Income

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