Kommentar
20:02 Uhr, 17.11.2022

Die Aussichten bleiben miserabel

Fed-Vertreter James Bullard hat mit Aussagen, wonach der Leitzins auf mindestens 5 % und möglicherweise sogar auf über 7 % steigen muss, den Markt verunsichert. Die Zinsstrukturkurve invertierte so stark wie seit 40 Jahren nicht mehr.

Die Zinsen müssen möglicherweise noch viel stärker steigen, als der Markt das bisher erwartet hat. Entsprechend hat sich James Bullard, Präsident der regionalen Federal Reserve Bank von St. Louis, am Donnerstag geäußert.

Selbst bei "wohlwollenden" Annahmen befinde sich der Leitzins "noch nicht in einem Bereich, der als ausreichend restriktiv angesehen werden kann", sagte Bullard. "Bisher scheint die Änderung der geldpolitischen Ausrichtung nur begrenzte Auswirkungen auf die beobachtete Inflation gehabt zu haben", so Bullard. "Um ein ausreichend restriktives Niveau zu erreichen, muss der Leitzins weiter erhöht werden."

In seiner Präsentation bezog sich Bullard auch auf die sogenannte Taylor Rule, eine mathematisch formulierte geldpolitische Regel zur Setzung des Leitzinses. Nach der Taylor Rule müsse der Leitzins unter "taubenhaften" Annahmen mindestens auf rund 5 % erhöht werden, um ausreichend restriktiv zu sein. Unter strengeren Annahmen müsse der Leitzins sogar auf über 7 % erhöht werden, so Bullard. Allerdings handelt es sich bei der Taylor Rule nur um ein Modell für die korrekte Leitzinshöhe und nicht um eine Regel, an der sich die US-Notenbank tatsächlich orientiert.

Bei den vier vergangenen geldpolitischen Entscheiden hatte die US-Notenbank Fed den Leitzins jeweils um 75 Basispunkte (0,75 Prozentpunkte) angehoben. Der Markt rechnet damit, dass die US-Notenbank Fed das Tempo ihrer Zinserhöhungen im Dezember auf 50 Basispunkte pro Meeting verlangsamen dürfte. Der stärker als erwartet ausgefallene Rückgang der Inflation hatte entsprechende Hoffnungen verstärkt.

Bullard deutete am Donnerstag an, dass der Leitzins mindestens auf eine Spanne von 5,00 % bis 5,25 % erhöht werden müsse. Nach der Rede begannen die Märkte damit, genau diese Spanne als maximalen Leitzins im kommenden Jahr einzupreisen. Zuvor hatten die Märkte nur mit einem maximalen Leitzins von 4,75 % bis 5,00 % gerechnet.

Durch die Aussagen von Bullard invertierte die Zinsstrukturkurve am Donnerstag noch stärker, als dies bisher bereits der Fall war. Die Differenz zwischen der zehnjährigen Anleiherendite und der Rendite der zweijährigen US-Staatsanleihe sank am Donnerstag im Tief auf rund minus 70 Basispunkte und damit auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1982.

Eine Inversion der Zinsstrukturkurve gilt als relativ zuverlässiges Anzeichen einer bevorstehenden Rezession. Vor allen großen Krisen der vergangenen Jahrzehnte kam es zu einem negativen Renditeabstand der zehnjährigen und zweijährigen Anleiherenditen, wie die folgende Grafik zeigt. Inversionen sind dabei durch einen roten Kreis und Rezessionen durch einen grau unterlegten Bereich gekennzeichnet.

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2 Kommentare

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  • molybdenum
    molybdenum

    Für mich ist dieses beziehen auf u.a. die Taylor Rule nur rhetorischer Natur. Man braucht etwas um Angst vor höheren Zinsen zu schüren - das der Markt auch für glaubhaft hält oder zumindest für nachvollziehbar - um nicht wieder in den All-in Fahnenstangen Rallyemodus zu wechseln. Die Notenbanken sind für mich bereits Ende des Jahres am Anschlag. Recht viel mehr geht einfach nicht (zumindest in so kurzer Zeit), weil höhere Zinsen auch neue Risiken hervorrufen, die vorher nicht da waren. Irgendwann nimmt das Risiko von den Folgen hoher Zinsen so stark zu, dass die Inflation (die dann bereits auf einem niedrigeren Niveau sein wird) einfach nicht mehr um jeden Preis so stark bekämpft werden muss. Spätestens da werden wir eine Rallye sehen und eventuell spekulieren bereits jetzt einige Mutige genau darauf.

    20:58 Uhr, 17.11.2022
    1 Antwort anzeigen

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Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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