Kommentar
09:55 Uhr, 23.01.2019

Deutschland: Wirklich nur eine technische Rezession?

Viele reden sich die Wachstumszahlen noch vor deren Veröffentlichung schön. Schön ist an den Zahlen aber überhaupt nichts.

Das statistische Bundesamt hat schon die Wachstumszahlen für 2018 veröffentlicht, obwohl die Daten für das vierte Quartal noch nicht bekannt sind. Es ist also bestenfalls eine Ersteinschätzung. Demnach ist die Wirtschaft im vergangenen Jahr um 1,5 % gewachsen. Nachdem die Wirtschaft im dritten Quartal geschrumpft ist, kann sie im vierten Quartal nur minimal gewachsen sein, wenn am Ende 1,5 % herauskommen sollen.

Vorausgesetzt, Deutschland ist wirklich um 1,5 % gewachsen, konnte die Wirtschaft im vierten Quartal um ca. 0,1 % zulegen. Damit würden wir einer technischen Rezession entkommen. Die Zahlen sind allerdings noch unsicher und ebenso ist es möglich, dass am Ende ein Minus steht. Dann ist Deutschland offiziell in der Rezession.

Das wird vorsorglich schöngeredet. Es wird betont, dass es sich eben lediglich um eine technische Rezession handelt, die Wirtschaft also zwei Quartale in Folge geschrumpft ist, das aber nichts ausmacht. Formal ist das Land in der Rezession, aber Bedeutung hat das eben nicht.

Ich mag Optimismus und hoffe natürlich, dass es tatsächlich so kommt. Die Entwicklung sieht bisher allerdings nicht gut aus. Die Industrieproduktion ist zuletzt so stark gesunken wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Der Auftragseingang lässt auch nicht gerade Gutes für die Zukunft erahnen (Grafik 1).


Auch das kann man sich schönreden. Bekanntlich hat die Autoindustrie gerade Probleme, insbesondere in Europa. Neue Abgasnormen sorgen derzeit für eine geringere Nachfrage. Die Autoproduktion geht in Deutschland so stark zurück wie seit der Finanzkrise nicht mehr (Grafik 2).

In der EU sind die Zulassungen im Sommer gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen (Grafik 3). Dass danach erst einmal Ernüchterung einkehrt, ist klar. Es wurden Autokäufe einfach vorgezogen. Das wir nun wieder ausgeglichen. Der Ausgleich dauert nun aber schon ganz schön lange...

Eine Normalisierung dauert länger als einen Monat. Nun sind es allerdings schon 4 Monate, in denen es gar nicht gut läuft. So langsam kann man sich schon fragen, ob es wirklich nur dieser eine Sonderfaktor war, der der Wirtschaft zu schaffen macht.

Die Story ist eigentlich gut. Ja, die Wirtschaft schwächelt, aber man muss sich keine Sorgen machen. Es lässt sich alles erklären. Die Autoindustrie lahmt wegen Sonderfaktoren. Der Spuk ist nächstes Quartal schon wieder vorbei.

Hätte es letztes Quartal nicht genau die gleiche Begründung gegeben, könnte man daran ja noch glauben. Je länger man das tut, desto naiver wird die Sache. Ich gehe zwar davon aus, dass sich der wirtschaftliche Abwärtstrend in diesem Jahr noch einmal umkehrt, doch eine nachhaltige Trendwende nach oben ist schwer zu erkennen. Damit bleibt es auch bei der Börse beim favorisierten Fahrplan: gute erste Jahreshälfte, schwierige zweite.

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25 Kommentare

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  • new-agens
    new-agens

    Henry Ford: "Besorgt mir Ingenieure, die noch nicht gelernt haben, was nicht geht."

    19:21 Uhr, 23.01.2019
  • new-agens
    new-agens

    Damit ich da nicht falsch verstanden werde: Mir blutet das Herz (drei Kerzen für meinen ersten BMW-6-Zylinder -. Benziner natürlich) angesichts der dt. Autoindustrie - wurschteln die weiter so ´rum, war´s das mit unserem industriellen Fundament.

    16:21 Uhr, 23.01.2019
  • netzadler
    netzadler

    mutti hat in Davos heute bereits die Kapitulation erklärt...vor versammeltem publikum...die ist völlig irre. kein plan, wie man den Rückstand bei Hard- und Software aufholen will.

    wegen dieser gestaltungspolitischen Glanzleistung muss ich dann konsequenterweise meine sachen packen und gehen. dann wird wenigstens jeder stein in diesem land mal umgedreht.

    15:33 Uhr, 23.01.2019
  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Nach Einschätzung des IWF könnte aus der "technischen Rezession" ganz plötzlich ein überraschend dynamischer Abschwung werden. Zitat Wirtschaftswoche:

    Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnt vor einem deutlichen Abschwung der Weltwirtschaft. „Die Verlangsamung scheint früher zu kommen als erwartet“, sagte IWF-Vizechef David Lipton am Mittwoch am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos zu Reuters TV.

    https://www.wiwo.de/politik/ko...

    13:34 Uhr, 23.01.2019
  • new-agens
    new-agens

    Ah, grade erst gesehen, Herr Hoose ist auch ein Freund der Brennstoffzellen :-) Ganz ehrlich: Die können mir alle mit IoT, KI, Industrie 4.0 & Konsorten kommen, das ist doch im Grunde nur eine Ausarbeitung der jetzt schon vorhandenen digitalen Möglichkeiten. Etwa wirklich Neues und für Deutschland sensationell Gutes wäre es, endlich endlich mal das Energieproblem ernsthaft anzugehen. Und wenn nicht die dt. Autoindustrie, ja wer denn dann sonst??? Dass es Elektro nicht wirklich ist, weiß doch inzw. jedes Kind. Um diese CO2-Bilanz zu goutieren, müsste ich schon tagsüber rauchen, was die netten Nachbarn von ggü. sich abends so reinziehen...

    10:50 Uhr, 23.01.2019
  • new-agens
    new-agens

    Yep, netzadler, genau so isses. Die Jungspunde verzichten zunehmend auf Geltungskonsum, und der Mobilitätswandel ist ein viel zu heikles Thema, als dass es die Politik anfassen würde - Vollversager, durch die Bank (das läuft in skandinavischen Ländern anders). Zumal: VW, BMW & Co. haben viel zu lang viel zu viel Geld mit Verbrennungsmotoren gemacht, deswegen (und wg. der hohen F&E-Kosten) ist da noch nix Neues bei rumgekommen. Brennstoffzellen waren doch schon Anfang der 2000er ein Riesenthema, aber nö...nix da. Heißt: Der Bumerang fliegt grade retour. Ich bleibe dabei: Wer einen Wischerblinker als Paradigmenwechsel verkauft, wird irgendwann von der Realität eingeholt...

    10:45 Uhr, 23.01.2019
  • netzadler
    netzadler

    Deutschland wird unter normalen bedingungen an der autobranche k.o. gehen. die Kapazitäten sind viel zu hoch, die Konzerne haben strategisch falsch entschieden.

    die verkehrssituation in Ballungsräumen ist völlig ineffizient und damit inakzeptabel.

    es wird sich künftig um ausnutzung von raum und zeit drehen. die sich abzeichnende mobilitätswende in den großstädten wird das Auto, wo bloß der Fahrer drin sitzt und das dann den ganzen tag rumsteht eliminieren.

    ausserdem ist das jungvolk viel klimabewusster und verzichtet.

    es ist schlimm, dass hierzulande niemand die mobilitätswende radikal neu denkt, für Deutschland wird es kritisch werden. ich denke, der Finanzminister weiss viel mehr, als er sagt

    10:16 Uhr, 23.01.2019
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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