Kommentar
08:50 Uhr, 05.03.2021

Deutschland muss ohne Wirtschaftswunder auskommen

Die US-Wirtschaft dürfte 2021 so schnell wachsen wie Chinas. Deutschland ist davon weit entfernt. Wieso eigentlich?

Wie hoch das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr ausfällt, ist alles andere als klar. Bis Jahresende kann noch viel geschehen. Fest steht jedoch, dass einige Volkswirtschaften in diesem Jahr sehr viel schneller wachsen werden als andere, obwohl ja eigentlich alle durch die Pandemie im gleichen Boot sitzen.

Besonders deutlich wird der Unterschied, wenn man die Prognosen für die US-Wirtschaft mit denen in Europa und Deutschland vergleicht. Den USA wird inzwischen ein Wachstum von 6,5 % und mehr zugetraut. Die dortigen Prognosen werden regelmäßig nach oben revidiert. In Deutschland ist das Gegenteil der Fall. Die Prognosen werden nach unten revidiert. Inzwischen sind sie bei 3 % angekommen.

Das passt nicht so recht in die globale Dynamik. Wenn die Krise in einem überrascht hat, dann dem enormen Wachstum im Güterkonsum. Dieser liegt in den meisten Ländern weit oberhalb des Vorkrisenniveaus. Güter müssen hergestellt werden. Deutschland liegt mit einem hohen Industrieanteil weltweit unter den Spitzenplätzen. Die USA hingegen produzieren weniger und konsumieren mehr. Da sollte das Wachstum in Deutschland eigentlich höher sein.

Ist es aber nicht und das hat gute Gründe. Zu diesen gehört natürlich auch der längere Lockdown über den Winter, den die USA in diesem Ausmaß nicht mitgemacht haben. Der Lockdown betrifft aber die Industrie nur wenig. Das Rätsel bleibt.

Der Teufel steckt wie immer in den Details. Geht es nach Indikatoren wie dem Einkaufsmanagerindex, ist die Industrie in Hochstimmung und unter Volldampf. Die Indexwerte sind in Deutschland und vielen anderen Ländern mit 60 Punkten sehr hoch. Ab 50 Punkten wird Wachstum signalisiert.

Die Indexwerte sind allerdings nicht nur hoch, weil die Nachfrage hoch ist. Nachfrage gibt es, aber weniger, als es die Indizes vermuten lassen. Einkaufsmanagerindizes setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen. Eine Komponente sind Lieferzeiten. Aktuell sind die Lieferzeiten lang. Teils gibt es einfach nicht ausreichend Angebot. Das gilt z.B. für Halbleiter für die Autoindustrie. Die Produktion steht still, obwohl Nachfrage vorhanden ist.

Teils fehlt es einfach auch an Containern. Der Warenstrom war im vergangenen Jahr zeitweise sehr einseitig. Nun fehlt es bei Zulieferern in Asien an Möglichkeiten, die Waren auch zu exportieren. Das führt zu langen Lieferzeiten. Diese Komponente ist daher sehr hoch und zieht den Gesamtindex nach oben (Grafik 1).


Einkaufsmanagerindizes lassen die Lage besser erscheinen als sie ist. Lange Lieferzeiten sind derzeit ein Problem der Lieferkette und nicht, weil die Produktionskapazitäten nicht ausreichen würden. Ein negativer Faktor führt so absurderweise zu einem positiven Effekt bei der Lagedarstellung.

Betrachtet man stattdessen den Auftragseingang, ist das Bild unverfälschter. Der Auftragseingang in Deutschland hat sich erholt (Grafik 2), ist aber nicht gerade sensationell. Die Güter, die Deutschland produziert (z.B. Autos), werden zwar nachgefragt, aber Lieferengpässe lassen den Sektor unter Potential laufen.


Deutschland stellt zudem mehr komplexe und Investitionsgüter her. Die Nachfrage ist solide, im Vergleich zur Konsumgüternachfrage aber relativ schwach. Deutschland profitiert unterproportional vom Nachfragewachstum nach Gütern. Das alles (längerer Lockdown, Lieferengpässe, ungünstige Produktionsschwerpunkte und auch eine langsame Impfkampagne) sorgen dafür, dass es kein Wirtschaftswunder gibt. Das bleibt 2021 wohl den USA vorbehalten.

Clemens Schmale


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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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