Kommentar
16:10 Uhr, 07.10.2020

Deutsche Wirtschaft wirklich über den Berg?

Wenn diese Krise eines gezeigt hat, dann sicherlich dass Aktienmarkt und Wirtschaft lange Zeit unterschiedliche Wege gehen können. Früher oder später finden beide wieder zusammen. Für Anleger ist daher wichtig zu wissen, ob die wirtschaftliche Erholung weitergeht.

Kaum etwas beschreibt den Zustand der Wirtschaft so gut wie der Arbeitsmarkt. Überall auf der Welt sind die Arbeitslosenquoten stark gestiegen. Der Aktienmarkt hingegen hat das vollkommen ignoriert. Das ist ungewöhnlich, denn wenn weniger Menschen Arbeit haben, wird auch weniger konsumiert. Konsum ist am Ende der Gewinn der Unternehmen. Anleger haben durch die Probleme hindurchgeblickt. Aktien konnten sich von den Tiefs schnell wieder erholen und einen Großteil der Verluste wettmachen. Dafür gab es zwei Gründe. Der erste ist die Einstellung der Anleger. Die Krise ist temporär. Sie hatte einen klaren Anfang und wird im Verlauf des nächsten Jahres ein Ende finden. Der zweite Grund waren Technologiewerte. Viele Unternehmen der Branche profitierten von der Pandemie. Da sie in vielen Indizes ein hohes Gewicht haben, zogen sie den ganzen Markt mit nach oben. Nach und nach müssen sich Anleger die Frage stellen, ob sie wirklich durch die Krise hindurchblicken können. Derzeit erscheint der wirtschaftliche Trend positiv zu sein. Die Arbeitslosigkeit geht in den meisten Ländern wieder zurück. In den USA ist der Rückgang besonders stark ausgeprägt, wenn man die Zahlen mit Deutschland vergleicht.


Der Rückgang ist dynamischer, dafür war auch der vorherige Anstieg dynamischer. In Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern stieg die Arbeitslosigkeit dank Kurzarbeit erst gar nicht so stark an.

Tatsächlich entlassen wurden in Deutschland ca. 600.000 Personen. Dafür befanden sich kurzzeitig fast 20 % aller Beschäftigten in Kurzarbeit. Noch nie gab es einen so hohen Anteil der Beschäftigten, die in Kurzarbeit waren (Grafik 2). Derzeit können mehr und mehr Unternehmen ihre Produktion wieder aufnehmen und ausweiten. Die Zahl der Kurzarbeiter geht zurück.


Noch immer sind aber geschätzte 4 Mio. Menschen in Kurzarbeit. Das sind mehr als es Arbeitslose gibt. Arbeitslos sind 2,85 Mio. Die Frage für Arbeitnehmer und Anleger ist wie viele von diesen 4 Mio. am Ende arbeitslos sein werden. Nicht jeder Kurzarbeiter wird wieder beschäftigt werden.

Aktuell befinden wir uns hier in einem Blindflug. Es ist aber recht offensichtlich, dass die Wirtschaft noch lange nicht über den Berg ist. Die Lage wird sich in den kommenden Monaten aller Voraussicht nach weiter verbessern. Die kritische Phase beginnt danach. Erst wenn die Gelschwemme der Regierung aufhört und Kurzarbeiterregelungen aufhören, sieht man das Ausmaß der Zerstörung. Da dürften einige Überraschungen auf Anleger warten. Zum Glück ist das ein Thema für 2021.

Clemens Schmale


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1 Kommentar

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  • Tüskendör
    Tüskendör

    .... und ich dachte immer die Börse würde Entwicklungen vorweg nehmen?

    Dann ist die Börse gedanklich bereits im Jahr 2022+?

    Oder die Überbewertung aus Anfang 2020 ist jetzt eine drastische aber alternativlose Überbewertung+ ?

    Und welcher Optimist glaubt tatsächlich, dass der Covid-19-Drops in 2021 final gelutscht sein wird oder das drüben 2 Kandidaten in der Wahlnacht noch leben?

    Was ist mit der Börsenweisheit "die Börse hasst Unsicherheit" ??? Wir finden Argumente für die aktuellen Kurse, die Zukunft ist indes Spekulation.

    Bevor Werte wie Lufthansa, Boeing, Carnival & Co.. nicht weitere 50 Prozent korrigiert haben ist der Markt zu keinem Zeitpunkt wirklich ängstlich und objektiv. gewesen ...

    und das spricht m.E. für eine mehr als latente Crash-Neigung. Prost!

    01:51 Uhr, 08.10.2020

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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