Kommentar
10:41 Uhr, 03.10.2016

Deutsche Bank: Doch kein zweites Lehman?

Das war knapp. Die Deutsche Bank entgeht dem Zusammenbruch. Vorerst.

Ein Chart sagt mehr als tausend Worte. So geistert auch ein ganz spezieller Chart im Internet herum. Er zeigt den Vergleich der Aktienkurve von Lehman Brothers und Deutsche Bank. Die Parallelen sind wohl kaum zu übersehen. Selbst bei fest zugekniffenen Augen bleibt die Ähnlichkeit nicht unbemerkt.

Besonders bezeichnend ist auch die Aussage von Cryan. Er beteuerte erst gestern, dass die Deutsche Bank ausreichend Liquidität zur Verfügung stehen hat und dass die Bank generell gut kapitalisiert sei. So ähnlich hörte sich das wenige Wochen vor dem Bankrott von Lehman Brothers an. Der damalige CEO von Lehman, Richard Fuld, sagte im Frühsommer, Lehman habe Milliarden an liquiden Assets, die verkauft werden könnten.

Fuld hat mit seiner Aussage nicht gelogen. Lehman hatte bis kurz vor dem Bankrott tatsächlich hohe Reserven. Das Problem: keine Reserve dieser Welt ist für eine Bank groß genug, wenn die Liquidität austrocknet. Lehman verbrauchte innerhalb von Tagen an die 40 Mrd. an Reserven. Die Bank finanzierte sich vor allem sehr kurzfristig. Als andere Banken aufhörten Lehman Geld zu leihen, flossen jeden Tag Milliarden aus der Bank ab. Trocknet die Liquidität erst einmal aus, dann ist schlichtweg keine Reserve dieser Welt groß genug, um das zu kompensieren.

Das Problem besteht heute noch genauso wie damals, allerdings in abgeschwächter Form. Ein Großteil der Liquidität kommt heute direkt von der Zentralbank. Trocknet der Interbankenmarkt aus verlieren Banken nicht innerhalb von Tagen sämtliche Reserven. Es braucht länger. Wie lange, das weiß niemand so genau. In der Bilanz des zweiten Quartals gibt die Deutsche Bank Liquiditätsreserven von über 200 Mrd. Euro an. Da muss schon innerhalb kurzer Zeit sehr viel schiefgehen, damit der Bank das Geld ausgeht.

Liquidität ist für die Bank aktuell kein Problem. Das kann sich, wie auch bei Lehman, mittelfristig ändern. Aus heutiger Sicht ist Liquidität jedoch nicht das Problem. Vielmehr ist es das Kapital. Die Deutsche Bank weist zwar mehr als 60 Mrd. Eigenkapital aus, doch dies entspricht lediglich einer harten Kernkapitalquote von 10,8 %. Bis 2018 soll diese Quote auf 12,5 % steigen. Da die Bank kaum Gewinne schreibt und nun auch noch ein hohe Geldstrafe droht, dürfte die Quote zunächst sinken und nicht steigen.

Die US-Strafe wird aller Voraussicht nach "nur" 5,4 Mrd. Dollar betragen und nicht 14 Mrd., doch auch das wird die Bilanz belasten und die Kapitalposition schwächen. Die bisherigen Rückstellungen von 5,5 Mrd. Euro für Rechtsstreitigkeiten übersteigen zwar die Forderung aus den USA, doch die Rückstellungen werden dringend für die tausenden (!) anderen laufenden Prozesse gebraucht.

Die Deutsche Bank ist nicht gerade überkapitalisiert. Das allein reicht schon, um den Aktienkurs in die Knie zu zwingen. Aktionäre müssen eine Kapitalerhöhung befürchten, die die bestehende Anzahl an Aktien um bis zu ein Drittel verwässert. Das kann nur auf dem Kurs lasten. Gegen Wochenschluss vollzieht die DB Aktie einen Turnaround, weil die Strafe vermutlich deutlich geringer ausfällt, doch die Nachhaltigkeit muss sich erst noch beweisen. Die Kapitalquote ist in Ordnung, aber nicht hoch genug, um im Stressfall wirklich auszureichen. Das haben die letzten Tage gezeigt.
Geholfen hat sicherlich auch nicht das Gerücht, dass die Politik die DB nicht retten würde. Ob darüber überhaupt jemals gesprochen wurde, ist nicht klar. Sowohl Cryan als auch die Bundesregierungen dementieren Gespräche über eine Rettung durch den Staat. Das hat die Panik noch etwas angeheizt. Die Politik sagt zwar immer, sie werde nie wieder Bankenrettungen veranstalten, doch wenn es hart auf hart kommt, erwartet ja doch jeder, dass die Politik weich wird.
Aktionäre fragten sich in den letzten Tagen zweifellos, ob ein Politik-Put für Banken (ähnlich dem Zentralbank Put für den Markt im Allgemeinen) nun existiert oder nicht. Persönlich habe ich daran keine Zweifel. Wenn es in Deutschland und für das Weltfinanzsystem so etwas wie "too big to fail" gibt, dann wohl die Deutsche Bank. Sie darf nicht plötzlich aufhören zu funktionieren. Die Vernetzung ist zu groß.

Die zweite Grafik zeigt, dass auch die DB ihre Bilanz seit 2008 verkleinert hat, doch mit 1,8 Billionen Euro ist die Bilanzsumme ein echtes Schwergewicht. Eine solche Bank rettet man nicht mit 5 Mrd. Euro. Die Deutsche Bank hat die Bilanz zwar verkleinert, doch im Vergleich zu anderen Großbanken ist der Fortschritt seit 2008 mäßig. Die DB ist heute in etwa so stark gehebelt wie Lehman nur wenige Quartale vor dem Bankrott. Die Restrukturierung geht einfach zu schleppend voran.

Wer bei all diesen schlechten Nachrichten Trost finden will, der betrachte einfach die Bilanzsummen der chinesischen Banken. Diese sind so rasch so hoch in den Himmel gewachsen, dass hier vermutlich deutlich höhere Risiken als bei der Deutschen Bank schlummern. Die internationale Verflechtung mag weniger stark ausgeprägt sein, doch wenn Chinas Banken wanken, wird es ebenso hässlich.

Auch Sicht einiger Wochen könnte nun erst einmal wieder Ruhe einkehren. Solange eine Frage nicht geklärt ist (wie wird die DB ihre Kapitaldecke stärken) wird das Thema immer wieder hochkochen. Das Thema ist zwar vom Tisch, aber nur vorerst.

Clemens Schmale

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31 Kommentare

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  • goldforever
    goldforever

    Ex-Hedgefonds-Manager Florian Homm: Deutsche Bank ist Bankrott gefährdet!

    http://aktien-boersen.blogspot.de/2016/10/ex-hedge...

    20:21 Uhr, 03.10.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    Ermittlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

    Der „ICE LIBOR“ wird nunmehr für 5 Währungen (CHF, Euro, GBP, YEN und USD) und fünf Fälligkeiten (overnight, 1, 3, 6 und 12 Monate) täglich von 11 bis zu 18 „Contributor Panel Banks“ ermittelt. Diese Großbanken stellen seit Oktober 2014 zwischen 11:00 Uhr und 11:20 Uhr Londoner Zeit (GMT) ihre Zinssätze zur Verfügung, zu denen sie sich untereinander Blankokredite auf dem am LondonerInterbankenmarkt in handelsüblicher Größe zur Verfügung stellen würden.[2] Die Nachrichtenagentur Thomson Reuters kalkuliert die gemeldeten Zinssätze zwischen 11:20 Uhr und 11:45 Uhr mit 4 Nachkommastellen. Bei 18 beitragenden Banken werden jeweils die Banken mit den 4 höchsten und 4 niedrigsten Zinssätzen eliminiert, das arithmetische Mittel der verbleibenden 10 wird ermittelt. Je weniger beitragende Banken vorhanden sind, umso weniger Extremmeldungen werden eliminiert. Bei nur 11 beitragenden Banken werden jeweils die 3 höchsten und 3 niedrigsten Meldungen entfernt, von den verbleibenden 5 wird das arithmetische Mittel errechnet. Mit dieser Methodologie sollen Extremausschläge bei der Berechnung verhindert werden. Thomson Reuters veröffentlicht die so ermittelten Zinssätze nach 11:45 Uhr, auch die Partner der ICE (z.B. global-rates.com) übernehmen die tägliche Veröffentlichung.[2] AlsZinsberechnungsmethode gilt allgemein actual/360, nur beim Pfund Sterling wird actual/365 zugrunde gelegt.

    20:01 Uhr, 03.10.2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • 1 Antwort anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    Mal durch den Chartmixer geworfen gefällt mir der Rythmus der DeuBA/DBK am besten mit der unicredti.

    Eine Frankfurter Linie ohne Senf und Bockwürstchen ;-)

    13:04 Uhr, 03.10.2016
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Die Bilanz einer Großbank bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und ist für externe Beobachter fast nicht zu durchschauen. Im Irrgarten eines Kornkreises findet man sich wahrscheinlich besser zurecht.

    Was ist an belastbaren Fakten vorhanden, die für eine weitere negative Entwicklung der DEUBA sprechen?

    1. Der Chart, der bekanntlich nicht lügt. Ein Kursverfall von 90% innerhalb der letzten 10 Jahre redet unmissverständlich Klartext.

    2. Der Vertrauensverlust. Dieser wurde in den vergangenen Jahren maximiert, die Bank kämpft einen Mehrfrontenkrieg an der Paragraphenfront und sie könnte zwischen den Fronten zerrieben werden. Die vielfachen Verstrickungen in dubiose Geschäfte, die laufenden Schadenersatzklagen und das in den USA laufende Strafverfahren gegen die Bank unterminieren das Vertrauen der Handelspartner und Kunden massiv. Viele werden sich an die Zeit von Bear Stearns und Lehman erinnern und högschde Vorsicht walten lassen.

    3. Die Bank verfügt über eine zu geringe Kapitalausstattung.

    Was spricht für eine entspanntere Sicht der Dinge??

    1. Die DEUBA hat kein Problem mit der Solvenz und sie hat auch kein Problem mit der Liquidität, bislang jedenfalls.

    2. Die Bank ist mit ihrem know how für die Exportnation Deutschland eigentlich unverzichtbar und wenn es hart auf hart kommt, wird sich garantiert die hohe Politik und die Großindustrie für die Bank stark machen.

    3. Die Bank zählt zur Elite der einstigen Deutschland AG zusammmen mit anderen TOP-Adressen der deutschen Wirtschaft, wie z.B. der altehrwürdigen Allianz Versicherung und es gibt vielfältige Verflechtungen. Würde die Bank in eine ernsthafte, unkontrollierbare Schieflage geraten, hätte das mit Sicherheit höchst unerwünschte Auswirkungen auf eng verbundene Geschäftspartner. Die Chance auf ein erneutes "too big to fail" ist daher deutlich höher zu bewerten, als das von frustrierten Steuerzahlern erhoffte "too big to bail".

    4. Wer wird die Lücke füllen, wenn es keine Deutsche Bank mehr gibt?? Mit einem ganz breiten Grinsen im Gesicht die heutigen Konkurrenten aus London und New York. Auch das kann ernsthaft niemand in Deutschland gut heißen.

    Fazit:

    Der Branchenprimus ist angezählt, ob er allerdings fällt, ist noch lange nicht ausgemacht. Die gute Laune und eine gewisse Arroganz ist den Herren des Geldes allerdings vergangen und von Peanuts im Zusammenhang mit Schadenersatzzahlungen/Verlusten wird wohl so schnell auch kein Vorstand mehr reden.

    13:02 Uhr, 03.10.2016
  • Chronos
    12:43 Uhr, 03.10.2016
  • Chronos
    Chronos

    Nichts jetzt gegen Zerohedge und auch nicht den geliebten Tyler.

    Nur ist hier das charting buggy, man würde ja nichts sagen, gebe es nicht Alternativen,

    zudem noch vom gleichen Kontinent. Und damit in drei Punkten treffender.

    Die DBK läuft wie alle großen Adressen, Analogien gibt es zwischen SAN, SocGen und UBS (wobei die Währungsbedingt flacher laufen).

    Eine RBS ist es noch nicht, die Wetten dafür laufen. Seit 2014

    12:36 Uhr, 03.10.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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