Fundamentale Nachricht
13:04 Uhr, 08.03.2016

Der wahre Wert des Storytellings

Abflüsse aus Wachstumsaktienfonds können nach Meinung von James Clunie, Head of Strategy, Absolute Return bei Jupiter Asset Management, darauf hindeuten, dass Anleger das Vertrauen in die erzählte Geschichte verlieren.

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  • FTSE 100
    ISIN: GB0001383545Kopiert
    Kursstand: 6.120,00 € (Deutsche Bank Indikation) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

London (GodmodeTrader.de) - Wenn aus Storytelling unglaubwürdige Geschichten werden, können outperformende Wachstumsaktien auf Sinkflug gehen. Dadurch können sich wiederum für Long-Short-Anleger jede Menge Stockpicking-Gelegenheiten eröffnen, wie James Clunie, Head of Strategy, Absolute Return bei Jupiter Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

In den letzten 30 Jahren sei am britischen Aktienmarkt die Kluft zwischen outperformenden Wachstumswerten und unterdurchschnittlich abschneidenden Substanzwerten noch nie so groß gewesen wie heute. Basierend auf der Performancehistorie des MSCI World Value Index gegenüber dem MSCI World Growth Index, sei laut Analysen von Morgan Stanley eine solche Kluft zuletzt während der Dotcom-Blase Ende der 1990er-Jahre zu beobachten gewesen, heißt es weiter.

„Das Faszinierende an den jüngsten Phasen dieser Anomalie ist die Rolle, die das Storytelling bei der Bewertung wachstumsstarker Glamour-Aktien zu spielen scheint. Die Wertentwicklung, die der S&P 500 im vergangenen Jahr gezeigt hat, verdeutlicht dieses Phänomen. Der Index durchlief 2015 aufregende Zeiten und schaffte es dabei gerade einmal auf ein Plus von 1,4 Prozent (inklusive Dividenden). Für zahlreiche Sektoren, besonders jene mit Exposure auf den Rohstoffmärkten, war es ein miserables Jahr. Gerettet werden konnte der S&P 500 jedoch von einer kleinen Gruppe wachstumsstarker Internettitel, die als FANG (steht für Facebook, Amazon, Netflix und Google) und die Nifty Nine bekannt sind, sowie einer Reihe von Biotech-Werten“, so Clunie.

Renditen von hundert Prozent und mehr seien bei einigen dieser Unternehmen zu beobachten gewesen, was in der Tat auf ein bullishes Umfeld hindeute. Angesichts des spärlichen Wirtschaftswachstums und extrem niedriger Zinsen habe der Markt bereitwillig Titel mit optimistischen Wachstumsstrategien, einer hohen Verschuldung, regelmäßigen Akquisitionen sowie einer Tendenz, für Aktienrückkäufe auf ihre Cashflows zurückzugreifen, gesucht. Es handele sich dabei um eine alles in allem verlockende, jedoch nicht selten auch kurzsichtige Taktik. Sie könnte sich im Hinblick auf eine bessere Profitabilität und höhere langfristige Aktionärserträge als schlechte Kapitalverwendung erweisen. Der Erfolg dieser kleinen Gruppe von Unternehmen sei noch zusätzlich durch technische Faktoren unterstützt, wie etwa den Zyklus von Zuflüssen in Wachstumsfonds, einschließlich ETFs, heißt es weiter.

„Das Wachstum einiger Unternehmen ist sicherlich beeindruckend. Die Bereitschaft des Marktes, Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) zu unterstützen, die bei einer Reihe dieser Titel in die Hunderte gehen, spricht jedoch noch für einen weiteren wichtigen Bestandteil ihres letztjährigen Kurserfolgs: das Storytelling. Aus behavioristischer Sicht scheint Storytelling, an dem die Managementteams von Unternehmen, Broker und Investoren beteiligt sein können, eine zunehmend bedeutende Rolle als Bewertungstreiber zu spielen. Dabei werden Niveaus erreicht, die sich durch die üblichen Bewertungskennzahlen nur noch schwer rechtfertigen lassen“, so Clunie.

Das Storytelling an den Märkten stehe in engem Zusammenhang mit dem Risikoappetit und könne zu langen Phasen führen, in denen die Kurse losgelöst von Fundamentaldaten agierten. Im vergangenen Jahr hätten einige Vorfälle dafür gesorgt, dass die Anleger das Vertrauen in manche der dominierenden Storys verloren hätten. Es seien Geschichten gewesen, die die Aktienmarktrally von 2009 bis dato angetrieben hätten und die Wirksamkeit der Zentralbankpolitik hinsichtlich Wachstumsstimulierung und Stabilisierung unterstrichen hätten. Oder wie im Falle Chinas, wonach die politisch Verantwortlichen einen glatten Übergang von einem investitions- und exportgetriebenen zu einem konsumgestützten Wirtschaftsmodell arrangieren würden. Diesen Vertrauensverlust bekämen einige Sektoren deutlich zu spüren, allen voran die Rohstoffe. Die FANGs und andere ähnliche Wachstumstitel hingegen vermittelten den Eindruck, dass sie irgendwie immun gegen die makroökonomischen Entwicklungen seien. Vor dem Hintergrund fehlenden Wachstums gruppierten sich sehr viele Anleger um diese kleine Gruppe von Assets, heißt es weiter.

„Ausgehend von historischen Marktdaten scheint es sich bei dem Growth-Value-Gefälle um eine statistische Anomalie zu handeln, die nicht unbegrenzt anhalten kann. Während das fundamentale Risiko gering erscheint, ist das Kursrisiko bei Wachstumstiteln in vielen Fällen hoch. Bei unserem Versuch, der Entwicklung dieser Anomalie zu folgen, haben wir die Ökologie des Marktes sehr genau im Blick – und hier speziell auch das Verhalten der Manager von Wachstumsaktienfonds. Schließlich können Zuflüsse in diese Fonds das ohnehin schon beträchtliche Gefälle weiter vergrößern. Abflüsse hingegen könnten darauf hindeuten, dass sich die Story ändert: Die Anleger verlieren das Vertrauen in die erzählte Geschichte, die diese Wachstumsaktien zuvor noch auf extreme Bewertungsniveaus gehoben hatte. Für Long-Short-Anleger hat dieses Phänomen jede Menge Opportunitäten eröffnet, um bei einzelnen Titeln short zu gehen. Wir bemühen uns weiterhin Long sowie Short Opportunitäten ausfinding zu machen, wo sie sich ergeben. Wohlmöglich, wenn sich die aktuelle Lage – die aktuelle Story – entspannt. Das bisherige Verhalten der Märkte Anfang 2016 könnte den ersten Anhaltspunkt dafür geliefert haben“, so Clunie

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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