Kommentar
16:58 Uhr, 14.09.2021

Der überraschende Grund, weshalb Zinsen nur geringfügig steigen können

Viele führen an, dass die Zinsen wegen der hohen Verschuldung nicht steigen können. Das ist ein Irrtum. Etwas anderes steht höheren Zinsen im Weg.

Staaten und Unternehmen sind zum Teil hoch verschuldet. Das gilt für einige Euroländer ebenso wie für die USA. Würden die Zinsen steigen, so die Ansicht, wären die Schulden nicht mehr tragbar. Allein schon aus diesem Grund werden wir das Niedrigzinsumfeld nie verlassen.

Das ist nicht korrekt. Hohe Verschuldung erzwingt nicht automatisch tiefe Zinsen. Es hängt alles von der Inflation ab. Die US-Regierung zahlt für den Schuldenberg aktuell 500 Mrd. an Zinsen pro Jahr. Gleichzeitig liegen die Einnahmen aus Steuern und Abgaben bei ca. 4 Billionen Dollar.

Würde sich die Zinslast nun bei stagnierenden Preisen (keine Inflation) um 50 % auf 750 Mrd. erhöhen, hätte der Staat ein Problem. Er muss 750 Mrd. Dollar an Zinsen zahlen, nimmt aber immer noch die bisherigen 4 Billionen Dollar ein, wenn Steuern und Abgaben nicht steigen.

Liegt jedoch Inflation vor, ist die Rechnung eine andere. Die Inflationsrate liegt aktuell bei 5 %. Allein wegen des Preisanstiegs steigt die Wirtschaftsleistung auf nominaler Basis um eine Billion Dollar. Davon erhält der Staat 20 % oder 200 Mrd. durch Steuern und Abgaben. Die höhere Zinslast wird durch die hohe Inflation größtenteils ausgeglichen.

Korrekterweise muss es daher heißen: Der Realzins darf bzw. kann nicht steigen. Nominalzinsen hingegen können sehr wohl wieder steigen, auch ohne die Solvenz des Staates zu gefährden. Dafür gibt es einen anderen Grund, der hohe Zinsen erschwert.

Die Geldpolitik hat sich mit der Finanzkrise 2008 grundlegend verändert. Bis September 2008 hielten alle US-Banken zusammen Überschussreserven in der Höhe von 2 Mrd. Dollar. Das ist kein Schreibfehler. Reserven, die das regulatorische Minimum überstiegen, lagen im niedrigen einstelligen Milliardenbereich.

Dann kam die Finanzkrise. Banken vertrauten sich nicht mehr. Die Notenbank sprang ein und stellte Geschäftsbanken unbegrenzte Liquidität zur Verfügung. Dadurch hatten Banken plötzlich Zugriff auf Reserven. Sie machten davon viel Gebrauch. Die Überschussreserven stiegen auf 700 Mrd. Dollar.

Durch mehrere Quantitative Easing Programme stiegen die Reserven weiter. Bei QE kauft die Notenbank den Geschäftsbanken Anleihen ab. Die Notenbank erhält die Anleihen und Banken im Gegenzug Reserven. Da das regulatorische Minimum mehr als erfüllt war, stiegen die Überschussreserven an. Heute liegen sie bei 4 Billionen Dollar (Grafik 1).

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Nun sind nicht nur die Reserven gestiegen. Die Notenbank musste wegen der neuen Situation einen Zins für diese Reserven einführen. Das hatte mehrere Gründe. Hält eine Bank eine Anleihe, erhält sie Zinsen. Sie würde eine Anleihe mit Zinsen nicht gegen Zentralbankgeld ohne Zinsen tauschen. Das macht keinen Sinn.

Der Zins auf Überschussreserven garantiert zudem die untere Zinsgrenze. Keine Bank würde Geld unterhalb dieses Zinssatzes verleihen. Sie kann die Überschussreserven bei der Zentralbank risikolos verzinsen lassen. Es anstatt mit Risiko zu einem geringeren Zins auszuleihen, macht ebenfalls keinen Sinn.

Nun sind Billionen an Überschussreserven im System. Diese lassen sich nicht von heute auf morgen wieder einfangen. Erhöht die Fed nun den Leitzins, muss sie auf diese Überschussreserven mehr Zinsen an Geschäftsbanken zahlen. Im letzten Zinserhöhungszyklus waren das in der Spitze fast 40 Mrd. Dollar.

Die Notenbank konnte sich das leisten. Sie hielt Staatsanleihen und nahm Zinsen an dieser Stelle ein. Die Zinseinnahmen fielen, nachdem die Bilanzsumme nicht mehr wuchs und die Fed Zinsen an Geschäftsbanken zahlen musste (Grafik 2). Aktuell steigen die Einnahmen wieder. Das wird sich mit dem Ende von QE ändern.

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Steigt erst der Leitzins, wachsen die Ausgaben schnell an. Die Fed muss plötzlich auf über 4 Billionen Dollar an Überschussreserven Zinsen zahlen. Aktuell würde die Rechnung nur aufgehen, wenn der Zins unter 3 % bleibt. Ein Zinssatz, der darüber liegt, würde für die Fed höhere Zinsausgaben als Zinseinnahmen bedeuten.

Zwar kann die Fed nicht bankrottgehen, doch wenn sie Geld für Zinszahlungen an Geschäftsbanken drucken muss, kann man schon Zweifel am Geldsystem bekommen… Der Leitzins dürfte mittelfristig dadurch gedeckelt bleiben, dass die Zinsausgaben die Einnahmen nicht übersteigen.

Clemens Schmale


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Über den Experten

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Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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