Fundamentale Nachricht
12:19 Uhr, 18.04.2023

Der Rentenmarkt bietet die meisten Chancen

Auch wenn sich die Märkte erholen, pendeln sich die Kerninflationsraten auf einem hohen Niveau ein. Anleger fragen sich, wie es mit dem Wirtschaftswachstum weitergeht, denn Risiken sind nicht von der Hand zu weisen. Doch es gibt laut Desiree Sauer, Investmentstrategin bei Lazard AM, auch Chancen.

In den letzten drei Jahren habe die globale Wirtschaft vier Erschütterungen erlebt: die Corona-Pandemie, den Krieg Russlands gegen die Ukraine, massive Konsumentenpreissteigerungen und die Turbulenzen im Bankensektor. „Während die Negativfolgen der Pandemie seit dem letzten Jahr zunehmend nachlassen und der Krieg in der Ukraine immer mehr in den Hintergrund gerät, nehmen die beiden anderen Schocks großen Einfluss“, so Sauer. Die Kapitalmarktentwicklung sei im Wesentlichen davon abhängig, wie schnell die Inflationszahlen zurückgingen, und ob die Ängste vor einer Bankenkrise nach der Rettung der Credit Suisse in absehbarer Zeit abklingen.

Systematische Bankenkrise eher unwahrscheinlich
Desiree Sauer blickt leicht besorgt auf den Bankensektor, der nach dem Kollaps dreier US-Banken und der strauchelnden Credit Suisse, welche letztlich durch die Zwangsübernahme durch die UBS vor dem Kollaps gerettet wurde, ins Wanken geriet. Dennoch stünden die Banken durch eine starke Kapitalausstattung und hohe Liquiditätsquoten auf solider Basis und auch den politischen Entscheidungsträgern läge daran, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation im Markt zu sichern und eine Pleitewelle zu verhindern. „Solange die Banken – auch dank der Zentralbanken – über ausreichend Liquidität verfügen, sollte keine weitere Bank Pleite gehen“, sagt Sauer. „Aber eine gewisse Unsicherheit bleibt bestehen.“ Eine systematische Bankenkrise könne voraussichtlich umgangen werden. Gleichzeitig betont die Strategin, dass sich der Marktfokus schnell wieder auf die Inflation und die Zentralbankpolitik richten dürfte, sofern sich die Situation im Bankensektor beruhigt.

Kerninflation bleibt hartnäckig hoch
Der Höhepunkt der Headline-Inflation sei auf beiden Seiten des Atlantiks nach ihrer Ansicht nun erreicht. Jedoch müsse berücksichtigt werden, dass strukturelle Effekte einen großen Einfluss auf die momentane Situation haben könnten. Besonders die Kosten des Klimawandels oder die Kosten der Deglobalisierung würden zunehmend Preisdruck ausüben und die Kerninflationsrate hartnäckig hoch halten. Auch die sehr enge Situation auf dem Arbeitsmarkt würde einen zusätzlichen Preisdruck mit sich bringen und das sei mittlerweile nicht mehr nur ein Problem in den USA, sondern auch in der Eurozone.

„Während also die Gesamtinflation in diesem Jahr weiter nach unten tendieren dürfte, erwarten wir für die kommenden Monate eine sich verfestigende Kerninflation. Die Zielmarke der Fed und der EZB von 2 % bleibt nach wie vor in weiter Ferne“, erklärt Sauer. Sie betont, dass die Zentralbanken „gezwungen“ seien, mit ihrer restriktiven Geldpolitik fortzufahren. Die Härte des Vorgehens sei maßgeblich von der gesamtwirtschaftlichen Verfassung abhängig und davon, ob es gelingen werde, die Turbulenzen im Bankensektor schnell ad acta zu legen.

Rezessionssorgen sind nicht verschwunden
Gleichzeitig sei zu erkennen, dass durch die restriktive Politik der EZB die erwartete „Mega-Rezession“ sehr unwahrscheinlich geworden sei. So sei die globale Wirtschaft bisweilen robust, und auch die Wiederbelebung der chinesischen Wirtschaft und das Ausbleiben einer Energiekrise in Europa haben die Aussichten für das weltweite Wachstum ein Stück weit verbessert – die Chance einer recht milden Rezession sei erhöht. „Immer vorausgesetzt, dass sich der Bankensektor wieder fängt und es zu keiner weiteren Eskalation des Krieges kommt“, so die Expertin.

Die Wirtschaftsdaten würden weltweit weiterhin eine gewisse Robustheit zeigen. Gleiches gelte für den Arbeitsmarkt. Die Rezessionssorgen seien aber noch nicht verschwunden. Die restriktive Geldpolitik sollte die Wirtschaft schwächen, denn die Inflationseindämmung sei nur unter Inkaufnahme einer Rezession möglich. Dabei käme es zu einer Wirkungsverzögerung, welche dafür sorge, dass die richtigen Folgen der Zentralbankentscheidungen auf die Wirtschaft erst in 12 bis 18 Monaten zu spüren seien. Die inverse Zinsstrukturkurve verdeutliche ein erhöhtes Rezessionsrisiko sowohl in den USA als auch in Europa. In den USA sei das Risiko nicht zuletzt aufgrund des kriselnden Bankensektors stark angestiegen. Hieraus resultiere, dass der Markt in den USA mittlerweile sogar Zinssenkungen bis Ende des Jahres einpreise.

Der Rentenmarkt bietet Anlegern Lichtblicke trotz Risiken
In Bezug auf die Rentenmärkte ist die Expertin optimistisch gestimmt. Die attraktiven Renditen und die bereits vollzogene Einpreisung weiterer Zinsschritte würden Investoren gute Aussichten bieten. Hierdurch würde sich erkennen lassen, dass die stark angestiegenen Renditen mittlerweile über den Anlagezielen der meisten Investoren seien.

Allerdings sei die Volatilität im Markt weiterhin hoch. „Wir präferieren derzeit Investment Grade- gegenüber High Yield-Anleihen, denn die schärferen Finanzierungsbedingungen könnten im weiteren Verlauf zum Problem für einige High Yield-Emittenten werden. Davon ausgenommen sind unserer Meinung nach nordische High Yield-Anleihen, die neben einer attraktiven Rendite, eine geringe Duration (kleiner eins) und einen echten Diversifikationsvorteil bieten“, so Sauer. Generell hätten die steigenden Zinsen dazu geführt, dass Anleihen gegenüber Aktien an relativer Attraktivität zugenommen hätten. „Für Aktien sind wir derzeit wenig(er) positiv gestimmt. Wir gehen davon aus, dass viele institutionelle Investoren ihre Aktienquote zugunsten von (Investment Grade-)Anleihen abbauen werden. Die Bewertungen sind seit letztem Jahr zwar tendenziell etwas zurückgekommen, aber in Hinblick auf die konjunkturelle Unsicherheit nach wie vor hoch. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Fokus auf Qualität unabdingbar“, erklärt die Expertin.

Auf dem Währungsmarkt erwartet Sauer in den nächsten Monaten einige Schwankungen. Der US-Dollar gelte jedoch als „sicherer Hafen“ in Zeiten hoher Unsicherheiten. Die Probleme im Bankensektor könnten die Nachfrage nach dem US-Dollar weiter erhöhen und diesen damit stärken. Derweil nehme die Zinsdifferenz zwischen der Eurozone und den USA ab, was wiederum für einen stärkeren Euro spreche. „Wir gehen davon aus, dass letzter Effekt überwiegen wird“, sagt Sauer.

An den Rohstoffmärkten, insbesondere dem Ölmarkt, bleibe es in den nächsten Monaten weiterhin spannend. Die Kürzungen der OPEC zur Stabilisation des Ölpreises sowie Russlands träfen auf eine potenziell steigende Ölnachfrage aus China (Erholung nach Öffnung). Das könne steigende Ölpreise bedeuten, was wiederum Inflationsdruck erzeugen sollte und möglicherweise einen erneuten Anstieg der Gesamtinflation mit sich bringe.

Die Risiken seien derzeit stark ausgeprägt: Hohe Inflationszahlen, eine restriktive Zentralbankpolitik, ein taumelnder Bankensektor und die Rezessionsgefahr würden die Kapitalanlage erschweren. Sauers Fazit ist, dass trotz der Rückschlagsrisiken einzelne attraktive Opportunitäten am Kapitalmarkt vorhanden seien, insbesondere im Rentenbereich.

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