Kommentar
15:43 Uhr, 22.10.2019

Der Masterplan für die nächste Krise steht

Der weltgrößte Vermögensverwalter und hochkarätige Notenbanker haben sich Gedanken gemacht, wie die nächste Konjunkturkrise bekämpft werden kann. Anleger sollten genau aufpassen.

Wie werden Notenbanken und Regierungen den nächsten Abschwung der Weltwirtschaft bekämpfen, wo doch die Notenbanken ihr Pulver zum größten Teil bereits verschossen haben und die hohe Staatsverschuldung in vielen Ländern großangelegte Konjunkturpakete erschwert? Mit dieser Frage hat sich der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock in einem neuen Research-Papier beschäftigt.

Die Autoren der im August veröffentlichten Studie sind hochkarätig: Neben den beiden BlackRock-Ökonomen Elga Bartsch und Jean Boivin waren mit Stanley Fischer (Ex-Vizechef der US-Notenbank und Ex-Gouverneur der israelischen Zentralbank) sowie Philipp Hildebrandt (ehemaliger Präsident der Schweizerischen Nationalbank) auch zwei gut vernetzte ehemalige Notenbanker (und heutige BlackRock-Berater) an der Ausarbeitung der Studie beteiligt.

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die Feststellung, dass die Notenbanken voraussichtlich nicht mehr genügend geldpolitischen Spielraum besitzen, um den nächsten Abschwung wirkungsvoll zu bekämpfen. Schließlich sind die Zinsen beispielsweise in Europa und Japan noch immer auf historisch niedrigem Niveau, so dass sich weitere Zinssenkungen nur noch bedingt durchsetzen lassen. Auch die Anleihenkäufe der Notenbanken wirkten nach Einschätzung von BlackRock hauptsächlich, indem sie das langfristige Zinsniveau nach unten drückten. Da rund ein Drittel der Investment-Grade-Anleihen der Industrieländer bereits negative Renditen aufweisen, ist auch das Potenzial für weitere Anleihenkäufe begrenzt.

BlackRock geht deshalb davon aus, dass die Fiskalpolitik der Regierungen bei der Bekämpfung der nächsten Krise eine wichtigere Rolle spielen muss. Mit anderen Worten: Die Regierungen müssen im nächsten Abschwung ihre Staatsausgaben deutlich erhöhen, um die Konjunktur zu stimulieren. Allerdings werden nach Einschätzung von BlackRock die Regierungen alleine dazu kaum in der Lage sein. Denn da sich die Staatsverschuldung auf Rekordniveau befindet, könnten stark steigende Staatsausgaben zu steigenden Zinsen führen, was die Stimulierungsmaßnahmen konterkarieren würde.

BlackRock schlägt deshalb eine gemeinsame Krisenbekämpfung durch Notenbanken und Regierungen in der nächsten Krise vor. Dazu sollten Regierungen und Notenbanken eine "sanfte Form" der Kooperation eingehen und die Realwirtschaft gemeinsam direkt stimulieren. Diesen Ansatz bezeichnet BlackRock als "going direct". "Going direct bedeutet, dass die Notenbanken Wege finden, Zentralbankgeld direkt in die Hände öffentlicher und privater Ausgeber zu geben", heißt es in der BlackRock-Studie. Konkret schlägt BlackRock eine Finanzierung von Staats- bzw. Konsumausgaben durch die Notenpresse vor. Entscheidend sei, dass dadurch der Zinspfad umgangen werde, die Stimulierung also nicht mehr nur durch niedrigere Zinsen erfolge und dass gleichzeitig ein Anstieg des Zinsniveaus durch die steigende Staatsverschuldung verhindert werde.

Eine extreme Form von "Going direct" sei das vieldiskutierte Helikoptergeld, bei der Zentralbanken aus dem Nichts erzeugtes Geld direkt den Staaten oder gar den Verbrauchern und Unternehmen zur Verfügung stellen. Die Gefahr dabei sei allerdings, dass die Glaubwürdigkeit der beteiligten Institutionen beschädigt werden könnte und im schlimmsten Fall droht laut Studie sogar eine Hyperinflation, wenn die Notenpresse ohne Disziplin zur Finanzierung immer höherer Ausgaben eingesetzt wird.

BlackRock schlägt deshalb einen genau festgelegten Rahmen vor, in dem Notenbanken und Regierungen zur Bekämpfung einer wirtschaftlichen Abkühlung kooperieren. Sollte sich die Wirtschaft so stark abkühlen, dass die Zentralbanken alleine überfordert seien, so würden Zentralbank und Regierung gemeinsam verantwortlich für das Einhalten des Inflationsziels werden, so BlackRock. In diesem Fall würde die Notenbank der Regierung (oder anderen Akteuren) über eine spezielle Fazilität (Standing Emergency Fiscal Facility, SEFF) frisch erzeugtes Geld für Ausgaben zur Verfügung stellen. Es würde sich um eine permanente Einrichtung handeln, die aber nur unter den "ungewöhnlichen Umständen" zum Einsatz kommen soll, wenn die Notenbanken einen Konjunkturabsturz nicht alleine aufhalten können. Die Zentralbank würde SEFF aktivieren, wenn die Zinsen nicht mehr weiter gesenkt werden können und ein signifikantes Verfehlen des angestrebten Inflationspfads erwartet wird. Die Notenbank würde über das Volumen von SEFF entscheiden und die Zinsen bei null Prozent halten.

In Bezug auf den von den Notenbanken und Regierungen angestrebten Inflationspfad stellt sich BlackRock dabei einen indexierten Zielpfad der Inflation vor. Dies würde bedeuten, dass ein zeitweises Unterschreiten des Inflationsziels im Anschluss eine höhere Inflation rechtfertigen würde, um so wieder den angestrebten Inflationspfad zu erreichen. Ein zeitweises Unter- oder Überschreiten des Inflationspfades müsste anschließend also wieder "aufgeholt" werden.

BlackRock vertritt mit seinen Thesen keine Außenseitermeinung. So ist es mehr oder weniger bereits Konsens, dass die Regierungen über Konjunkturpakete bei der Bekämpfung kommender Krisen eine größere Rolle spielen müssen als bisher. Auch der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi hat sich bereits entsprechend geäußert. Dass die Notenbanken direkt Staatsausgaben finanzieren, ist aber noch Zukunftsmusik.

In der Eurozone ist eine direkte Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenpresse verboten. BlackRock hat sich aber auch bereits Gedanken gemacht, wie "Going direct" in Europa funktionieren könnte. Konkret schlägt BlackRock vor, dass die EZB über ihre gezielten längerfristigen Kreditpakete (TLTRO) zinslose Kredite mit unendlicher Laufzeit an die Banken ausgibt, die diese in gleicher Form an jeden erwachsenen Bürger weiterreichen würden. Bürger der Eurozone könnten also beispielsweise einen Kredit über 1.000 Euro pro Person erhalten, den sie nie zurückzahlen müssten und für den sie auch keine Zinsen bezahlen müssten. Das erinnert dann schon sehr stark an das berühmte "Helikoptergeld."

Fazit: Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock schlägt zur Bekämpfung der nächsten Wirtschaftskrise eine direkte Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenpresse vor. In der Eurozone, wo die Finanzierung von Staatsausgaben durch die Notenpresse explizit verboten ist, schlägt BlackRock zinslose Kredite mit unendlicher Laufzeit für alle Bürger vor, um so für zusätzliche Konsumausgaben zu sorgen. Die Notenbanken werden zur Bekämpfung kommender Krisen wohl zu noch deutlich extremeren Maßnahmen greifen müssen, als dies bisher der Fall war. Dafür sorgen rekordhohe Staatsverschuldungen und rekordniedrige Zinsen rund um den Globus.

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84 Kommentare

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  • Frank Drebin91
    Frank Drebin91

    Das Kapital für Invenstitionen ist ja bereits da. Es ist nur schlecht verteilt. Sparquote könnte gesengt, Inflation erhöht werden, indem radikal umverteilt würde. Wieso nicht eine dramatische Vermögensbesteuerung, Kürzung kleiner und mittler Einkommen und Investitionen in Bildung und Wissenschaft, anstatt die Systeme mit noch mehr fiktivem Geld zu fluten, as letztlich wieder nur bei jenen wenigen ankommt, die Konsum/Investion kaum anregen?!

    14:17 Uhr, 03.11.2019
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Noch einen kurzen Nachtrag:

    Möglicherweise ist es ja kein Zufall, dass BlackRock mit dieser Idee gerade jetzt an die Öffentlichkeit geht: Vielleicht wissen die ja schon mehr, welchen Knaller Draghi morgen in seine letzte EZB-Sitzung mitbringt ...

    Ich glaube, Draghi will, dass wir ihn in guter Erinnerung behalten ... Da werden die paar Hundert Milliarden Zinsentgang, die seine "Politik" den deutschen Sparbuchanleger vermutlich gekostet haben, sicher schnell vergessen sein ... 😉

    19:37 Uhr, 23.10.2019
  • Sonnenschein
    Sonnenschein

    Nun hat sich aber Oliver Baron aufgemacht, dem bisher unangefochtenen Spitzenreiter und "Quoten-König" Andreas Hoose (meine ich selbstverständlich positiv und freundlich !) bei den Godemode-Tradern Konkurrenz zu machen, was die Anzahl der Kommentare angeht ... 😉

    Schönes Thema, insbesondere dank der tollen Idee von BlackRock !

    Ich weiß auch schon, was ich mache, wenn das Szenario kommt ... Das verrate ich aber nur unter dem WE-Artikel von Andreas Hoose, damit die Quote wieder stimmt ... 🙂

    Nix für ungut ... Bisschen Spaß muss angesichts dieser verrückten Zeiten anno 2019 sein ... ansonsten ist dieses Zeitalter einfach nicht auszuhalten ... Die Alternative ist nur der Gang in die Klapsmühle ...

    19:20 Uhr, 23.10.2019
    1 Antwort anzeigen
  • trend-x
    trend-x

    zuerst muss Japan fallen, spätestens dann brechen überall die Dämme. Die letzte Mehrwertsteuer hat stark auf den Konsum durchgeschlagen. Diesen Monat kam wieder eine und die Vorziehkäufe haben gewirkt. Allerdings wird der Einmaleffekt dann bereits ab November spürbar durchschlagen.

    13:41 Uhr, 23.10.2019
  • 1 Antwort anzeigen
  • JürgenSK
    JürgenSK

    besser wäre alles auf Null zu setzen....dann gäbe es auch keine Firmen wie BlackRock mehr....ein Neuanfang hätte was....geht aber nur mit grossen Opfern

    21:59 Uhr, 22.10.2019
  • While E. Coyote
    While E. Coyote

    Euch sollte man alle mal hochdosiert "Scheißegal" verschreiben. ihr machet mich noch depressiv

    20:37 Uhr, 22.10.2019
    3 Antworten anzeigen
  • trend-x
    trend-x

    Parteiensystem am Ende - Regierungsstillstand - Klimahysterie - Staatlich verordnete Konsolidierung - globale Rezession - Yellow Hammer UK - Hongkong vs China - zuzüglich einer ganzen Großfamilie schwarzer Schwäne - da könnte der Schwarze Fels in der Brandung mal in HF Millisekunden unter Wasser stehen.

    20:27 Uhr, 22.10.2019
  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Henryk M. Broder sieht vor dem Ende des Finanzsystems, das Ende der Volksparteien kommen und als voraussichtliches Menetekel für die Erben von Adenauer, Brandt & Co. hat er die in einigen Tagen stattfindende Wahl in Thüringen identifiziert. Diese Wahl könnte Geschichte schreiben, rückt sie doch eine Koalition der AFD mit der Linken in den Bereich des Möglichen.

    https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/broders-spiegel-thueringen-wahl-laesst-ein-kleines-erdbeben-erwarten-a3040805.html

    20:19 Uhr, 22.10.2019
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Oliver Baron
Oliver Baron
Experte für Anlagestrategien

Oliver Baron ist Finanzjournalist und seit 2007 als Experte für stock3 tätig. Er beschäftigt sich intensiv mit Anlagestrategien, der Fundamentalanalyse von Unternehmen und Märkten sowie der langfristigen Geldanlage mit Aktien und ETFs. An der Börse fasziniert Oliver Baron besonders das freie Spiel der Marktkräfte, das dazu führt, dass der Markt niemals vollständig vorhersagbar ist. Der Aktienmarkt ermöglicht es jedem, sich am wirtschaftlichen Erfolg der besten Unternehmen der Welt zu beteiligen und so langfristig Vermögen aufzubauen. In seinen Artikeln geht Oliver Baron u. a. der Frage nach, mit welchen Strategien und Produkten Privatanleger ihren Börsenerfolg langfristig maximieren können.

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