Kommentar
09:13 Uhr, 25.02.2016

Der Markt liegt falsch!

Es heißt zwar, der Markt habe immer Recht, doch in Zeiten wie diesen muss man daran zweifeln. Der Markt scheint blind für die ökonomische Realität zu sein.

Der Markt ist immer noch dabei, eine Rezession einzupreisen und es ist noch nicht gesichert, dass er diesen Weg nicht fortsetzt. Weltweit haben sich die Aktienmärkte wieder etwas beruhigt, doch die Kuh ist noch nicht endgültig vom Eis. Diese Woche ist bisher sehr schwach, doch so lange die bisherigen Tiefs der Korrektur nicht unterschritten wurden, besteht kein Grund zu Panik. Vielen Anlegern ist die Angst denoch ins Gesicht geschrieben und ein schlechter Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor in den USA, der am Nachmittag veröffentlich wurde hilft nicht, die Nerven zu beruhigen. Notenbanken leisten ebenfalls ihren Beitrag, dass die Beruhigung nicht einsetzt.

Im Normalfall sollten Notenbanken für stabile Verhältnisse sorgen. Dies tun sie nicht nur durch die Geldpolitik, sondern auch durch ihre Aussagen. In der Eurozone reden Notenbanker von erheblichen Risiken und lassen keinen Zweifel an neuen geldpolitischen Lockerungen. Sie erwecken den Anschein, als ob die Eurozone gerade über die Klippe gefallen wäre. Sie nähren die Angst der Anleger vor einem wirtschaftlichen Abschwung.

Die japanische Notenbank steht der europäischen in nichts nach. Nach einer plötzlichen Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar sprachen sich Notenbanker und Politiker für weitere Lockerungen aus. Die US-Notenbank, eigentlich die ruhigste aller Zentralbanken, scheint eine innere Zerstrittenheit offen auszutragen. Das ist ungewöhnlich und gehörte bisher nicht zum Ton der Notenbanker.

Offen streiten die Entscheidungsträger der US-Notenbank darüber, ob die Zinsen weiter angehoben werden sollen oder nicht. Die einen nennen den Kurs der Fed Chefin Janet Yellen unvernünftig, die anderen halten ein Aussetzen der Zinswende für eine emotionale und überzogene Reaktion. All das unterstützt nicht gerade das Vertrauen des Marktes.

Die Situation ist schwierig und es ist bedauerlich, dass Notenbanker Öl ins Feuer gießen und die Befürchtungen der Anleger durch ihre rasch wechselnden Einschätzungen nähren. Das ist alles eigentlich nicht notwendig, denn die Situation ist weniger dramatisch als viele glauben. Die US Wirtschaft steht auf einem guten Fundament. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe gehen weiter zurück, während sich die Partizipationsrate auf dem Arbeitsmarkt stabilisiert und Löhne zu steigen beginnen.

Im 4. Quartal 2015 erhielt das Wachstum einen Dämpfer. Inzwischen mehren sich die Zeichen jedoch, dass das 1. Quartal 2016 ein überraschend starkes werden wird. Die Notenbank von Atlanta hat ein Modell entwickelt, welches in Echtzeit das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes vorhersagt. Grafik 1 zeigt die Vorhersage des Modells (GDPNow) und das tatsächliche Wachstum (erhoben und veröffentlicht vom BEA – Bureau of Economic Analysis).

Man kann nun bei GDP Now nicht gerade von einer hundertprozentigen Trefferquote sprechen. Es ist jedoch das beste Modell, das es gibt. Es schlägt die Einschätzung von Analysten um Längen. Die Fehleinschätzung des Modells – je nachdem wie weit im Voraus es eine Schätzung abgibt – liegt größtenteils in einem Bereich von ± 1 % des tatsächlichen Wertes. Derzeit zeigt das Modell 2,6 % Wachstum für das erste Quartal 2016 an. Der tatsächliche Wert dürfte dann also zwischen 1,6-3,6 % liegen.

Man kann guten Gewissens sagen, dass die US Wirtschaft das Jahr 2016 gut begonnen hat. Von Rezession, wie sie viele befürchten, ist keine Spur. Der Markt stemmt sich jedoch beharrlich gegen diese Einsicht und preist weiterhin eine Rezession ein. Der Markt preist die Befürchtung nicht nur über Aktienkurse, sondern auch über die Rendite von Anleihen ein.

Die Rendite 10-jähriger US Anleihen (T-Note) erreichte vor zwei Wochen ein Tief bei 1,63 %. Das ist der tiefste Stand seit Ankündigung des QE-Ausstiegs der Notenbank vor knapp 3 Jahren. So niedrige Renditen zeugen von Unsicherheit der Anleger. Sie flüchten in sichere Staatsanleihen und verkaufen risikoreichere Assets wie Aktien.

Tendenziell steigen die Renditen von Anleihen, wenn Anleger in Bezug auf die Wirtschaft guter Dinge sind. Wächst die Wirtschaft, dann bedeutet das früher oder später Preisauftrieb und steigende Zinsen. Das lässt die Renditen von Anleihen steigen. Danach sieht es aktuell nicht aus. Der Rückgang der Rendite spiegelt die Erwartung wider, dass die Zinsen nicht weiter steigen.
Grafik 2 zeigt den Zusammenhang der GDP Now Vorhersage und den Renditen für T-Notes. Beide Zeitreihen gehen im Normalfall Hand in Hand. Beschleunigt sich das Wachstum, dann steigen die Renditen, da die Wahrscheinlichkeit für Zinsanhebungen größer wird. Wächst die Wirtschaft kaum oder schrumpft, dann ist die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung oder ein neues Anleihenkaufprogramm hoch. Die Renditen fallen.

In diesem Jahr ist das Bild ein ganz anderes. Während die Wachstumsprognosen durch die Decke gehen wird bei Anleihen eine Rezession eingepreist. Beide können nicht Recht haben. Da die GDP Now Vorhersage recht zuverlässig ist, kann sich jeder selbst dafür entscheiden, wer Unrecht hat.
Die Deutsche Bank hat den Zusammenhang der GDP Now Zahlen und der Anleihenrendite genauer untersucht. Diesen Zusammenhang versuche ich in Grafik 3 wiederzugeben. Zugrundeliegend ist eine Formel, die die T-Note Rendite in BIP-Wachstum umwandelt. Der rote Punkt in der Grafik zeigt die aktuelle Situation. Die Vorhersage für das Wirtschaftswachstum liegt bei 2,6 %. Die Rendite der Anleihen liegt hingegen bei 1,75 %.

Die Rendite der T-Notes implizieren ein negatives Wachstum von ungefähr 1,5 %. Ein impliziertes Wachstum, welches so deutlich neben der Prognose und auch den realisierten Wachstumszahlen liegt, findet man selten. Man muss aber auch zugeben, dass die Streuung, die man in der Grafik sieht, recht groß ist.

Dennoch kann man nach dem aktuellen Stand der Dinge sagen: Der Markt hat ausnahmsweise einmal Unrecht und verkennt die Situation. Hält der Markt an seiner Sichtweise beharrlich fest, dann reißt das die Realwirtschaft irgendwann mit sich. Dann hätte der Markt doch wieder Recht behalten...

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16 Kommentare

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  • dschungelgold
    dschungelgold

    Es hat sich aus vewachstumt. Aber so Mancher wird die Zerstoehrung seiner Fantasien wohl auf die harte Weise lernen muessen.

    06:07 Uhr, 28.02. 2016
  • Mr.Lee
    Mr.Lee

    Selbstverständlich hat der Markt recht Herr Schmale !

    Es steht Ihnen genauso frei, sich mit Ihrem Vermögen gegen den Markt zu stemmen.

    Wohl bekomms !

    01:53 Uhr, 28.02. 2016
  • Chamäleon
    Chamäleon

    Es wäre schlauer wenn Sie betonen würden, das es sich hier um ihre persönliche Sichtweise handelt. Sonst könnte man noch tatsächlich den Eindruck bekommen, dass Sie genau wissen was sich abspielt, was richtig oder falsch ist.

    Ich finde es sehr anmaßend sich so zu äußern.

    Ich glaube mir umgekehrt anmaßen zu können, dass Sie def. nicht wissen was der Markt gerade einpreist oder nicht.

    Ein bischen Demut täte auch ihnen gut.

    21:05 Uhr, 25.02. 2016
  • Giftzahn
    Giftzahn

    Schwarzmalerei ist der beste Zeitpunkt um einzusteigen!

    20:44 Uhr, 25.02. 2016
    1 Antwort anzeigen
  • Sascha Huber
    Sascha Huber Experte für Kryptowährungen

    Ich rechne mit einem Wirtschaftswachstum der US-Wirtschaft in Q1 von 2,5%. Ich wüsste nicht, wie man da in eine Rezession schliddern sollte. Clemens Schmale hat daher Recht, zumal sich das Wachstum im Jahresverlauf dank des billigen Öls noch beschleunigen sollte...

    20:00 Uhr, 25.02. 2016
  • moneymaker22
    moneymaker22

    Da die Börse ja bekanntlich Zukunft handelt, warten wir doch erstmal in Ruhe ab ob der Markt nicht vielleicht doch Recht hat !!! Was die Eurozone betrifft, darf man sich wohl mittlerweile ernsthaft Fragen ob diese in der jetzigen Form noch lange besteht, weil mit Scheinwachstum alleine wird sich dieses fragile Gebilde wohl nicht mehr lange am Leben halten lassen

    17:30 Uhr, 25.02. 2016
  • netzadler
    netzadler

    ich gehe davon aus, dass wir uns mit großen schritten "helicopter money" nähern.

    china wird den wechsel nicht hinbekommen

    dazu legt noch die digitalisierung jede menge kapazitäten brach

    17:10 Uhr, 25.02. 2016
  • immo2018
    immo2018

    Auch wenn der Markt falsch liegt hat er im Zweifel immer Recht.

    17:07 Uhr, 25.02. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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