Kommentar
07:38 Uhr, 21.11.2016

Der IWF regiert die Welt

Wir leben in einer absolut schizophrenen Welt, in der plötzlich die Politik des Internationalen Währungsfonds regiert.

Der IWF fordert inzwischen seit Jahren, dass sich die westlichen Länder zusammenreißen sollen. Zusammenreißen bedeutet in diesem Zusammenhang nicht etwa die Forderung nach großangelegten Strukturreformen und vernünftiger Fiskalpolitik, sondern genau das Gegenteil. Staaten sollen ihr Geld nicht beisammenhalten, sondern es mit vollen Händen ausgeben.

Der Währungsfonds ortet seit langem ein Nachfragedefizit. Dieses Defizit macht sich wirtschaftlich durch langsames Wachstum und niedrige Inflation bemerkbar. Um eine Spirale aus Deflation und Überschuldung zu vermeiden, müssten Staaten nur Eines tun: noch mehr Schulden machen.

Viele Länder haben sich bisher dagegen gewehrt – manche freiwillig, manche unfreiwillig. Deutschland ist Sparmeister und drängt der übrigen Eurozone seine Überzeugung auf. Die meisten Euroländer folgen dieser Politik, allerdings mehr aus Notwendigkeit denn aus Überzeugung. Griechenland muss sparen, sonst gibt es keine Gelder aus dem Hilfspaket. Spart Portugal nicht, dann verliert es sein letztes Investment Grade Rating und muss praktisch wieder unter den Rettungsschirm.

Andere Länder wiederum finden immer wieder ein Argument, weshalb nicht gespart werden kann. Ganz vorne mit dabei ist Frankreich. Hier reicht es, wenn im Vietnam ein Sack Reis umfällt, um in Brüssel für mehr Ausgaben einzutreten. Frankreich will nicht sparen und findet immer wieder abenteuerliche Argumente, weshalb es nicht sparen kann.

Nun wendet sich das Blatt. In den USA kommt ein Kandidat ins Weiße Haus, der Geld im Eiltempo ausgeben will. Das ist genau das, was der IWF immer gefordert hat: mehr ausgeben, mehr Schulden machen.

Nun ist es nicht gerade so, dass die letzten Jahre durch fiskalische Disziplin gekennzeichnet waren. Man gewinnt zwar den Eindruck, dass die Welt spart, wenn der IWF seine Gedankengänge darlegt, doch rein faktisch stimmt das nicht. Grafik 1 zeigt die Wirtschaftsleistung und die Verschuldung ausgewählter Länder (Australien, Kanada, China, Deutschland, Frankreich, Japan, UK, USA, Indien, Russland, Italien Spanien), die zusammen zwei Drittel der Weltwirtschaft ausmachen.

Die Verschuldung stieg innerhalb eines Jahrzehnts von 65 % auf 94 % der Wirtschaftsleistung. Das sieht nicht gerade nach weltmeisterlichem Sparen aus. Trotzdem hat alle Welt das Gefühl, dass tatsächlich gespart wurde.

Oppositionsparteien überall auf der Welt treten für höhere Staatsausgaben ein. Insbesondere die neuen und alten populistischen Parteien vertreten die Forderung nach mehr Staat (mehr Staatsausgaben heißt letztlich auch mehr Staat). Diese Parteien und Einzelpersonen befinden sich im Aufwind und machen rein ideologisch gemeinsame Sache mit dem IWF. Das ist schon ein Ding!

Anleger jubeln über den fiskalischen Dammbruch schon einmal vorsorglich. Sie erwarten die lang ersehnte Reflationierung der Wirtschaft. Wie Grafik 2 zeigt, müssen stark ansteigende Schulden allerdings nicht zwangsweise die Inflation anheizen.
Die Ausgabenprogramme, die auf der Agenda vieler Länder stehen und nur darauf warten umgesetzt zu werden, sind klassische Konjunkturprogramme. Es soll gebaut und renoviert werden. Es sollen neue Autobahnen, Stromnetze und Mauern entstehen. Das heizt die Nachfrage nach Rohstoffen an. Deren Preis könnte nachhaltig steigen und so die Inflation nach oben drücken. Und dann?

Dann haben wir endlich wieder Inflation. In den USA wird das Ziel von 2 % unter Präsident Trump vermutlich recht bald erreicht werden. Die US-Notenbank hat angekündigt ein Überschießen nur bedingt zuzulassen. Ähnlich äußert sich inzwischen die Bank of England, die sich bis 2,7 % Inflation wohlfühlt. Danach wird gestrafft.

Notenbanken rund um den Globus sind in Bezug auf ihre Inflationsziele flexibler geworden. Sie werden sie jedoch nicht aufgeben und die Zinsen anheben, wenn die Inflation wieder systematisch steigt. Nun wird dies geschehen, wenn Staaten gerade neue Schuldenexzesse beginnen wollen. Wie die Schulden dann noch tragfähig sein sollen, kann bisher keiner erklären.

Mehr Schulden kann zu mehr Inflation und zu höheren Zinsen führen. Viele fordern seit langem höhere Zinsen. Da die Schulden bereits hoch sind, werden die Zinsen vermutlich nicht im notwendigen Ausmaß steigen können, ohne die Staatsfinanzen zu gefährden. Nach Inflation sinken die Zinsen also. Die Realzinsen dürften in den kommenden Jahren tendenziell sinken und nicht steigen. Sparern ist mit höheren Nominalzinsen nicht geholfen.

Es ist auch vollkommen illusorisch anzunehmen, dass die Ausgabenprogramme eine nachhaltige Wirkung haben werden. Der Multiplikatoreffekt von Staatsausgaben ist in den meisten westlichen Ländern unter 1. Gibt der Staat einen Euro mehr aus, dann steigt die Wirtschaftsleistung nicht um einen Euro, sondern weniger.

Der IWF hat einen Verbündeten gefunden. Im Superwahljahr 2017 in Europa werden so manche Verbündete hinzukommen. Man kann sich gut vorstellen wie viele Autobahnen Le Pen in Frankreich bauen lassen wird, wenn sie gewählt wird. Das Schizophrene an der Sache ist, dass diese bejubelte Politik nur kurzfristig zu einem Boom führen wird. Mittelfristig ist es der Todesstoß unseres Finanzsystems.

Clemens Schmale

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11 Kommentare

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  • Andreas Hoose
    Andreas Hoose

    Dass Inflation, also eine Vermehrung und gleichzeitige Entwertung des Geldes,eine "tolle Sache" ist, können nur gehirngewaschene Finanzexperten behaupten, die in Wolkenkuckucksheim leben. Jeder normal denkende Mensch sieht darin, das was es ist: Eine mehr oder weniger schleichende, fallweise auch galoppierende Enteignung.

    Mit Geldwertstabilität hat das NICHTS zu tun, wie schon der Name sagt. Es geht um Schwund und Verlust, und eben nicht um Werterhalt oder Stabilität. Das Erstaunliche ist, dass so viele Menschen diesen Inflations-Blödsinn für bare Münze nehmen.

    Dass der IWF schon sehr lange die Welt regiert, hat Ernst Wolff in seinem Standwardwerk "Weltmacht IWF" schlüssig dargelegt. Vielsagend ist schon die Ankündigung bei Amazon:

    "Er erpresst Staaten. Er plündert Kontinente. Er hat Generationen von Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft genommen und ist dabei zur mächtigsten Finanzorganisation der Welt aufgestiegen: Die Geschichte des IWF gleicht einem modernen Kreuzzug gegen die arbeitende Bevölkerung auf fünf Kontinenten. In seinem bis zur letzten Seite fesselnden Buch schildert der Journalist Ernst Wolff, welche dramatischen Folgen die Politik des IWF für die globale Gesellschaft und seit Eintreten der Eurokrise auch für Europa und Deutschland hat. Denn die Vergabe von Krediten durch den IWF hat die Erzwingung neoliberaler Reformen zur Folge: Auf der einen Seite fördert diese Praxis Hunger, Armut, Seuchen und Kriege, auf der anderen begünstigt sie eine winzige Gruppe von Ultrareichen, deren Vermögen derzeit ins Unermessliche wächst – alles im Namen der Stabilisierung des Finanzsystems".

    https://www.amazon.de/Weltmacht-IWF-Chronik-eines-...

    14:17 Uhr, 22.11.2016
  • StefanS
    StefanS

    Der IWF ist wie der FED eine Institution, welche die finanziellen Interessen einer US-amerikanischen, besser gesagt globalen "Elite" vertritt. Wer das immer noch nicht versteht sollte mal von Spiegel Online, Welt, Blommberg, CNN etc. auf andere Informationsquellen umsteigen.

    12:11 Uhr, 22.11.2016
  • 1 Antwort anzeigen
  • Craepp
    Craepp

    Sehr geehrter Herr Schmale,

    Leider muss ich Ihnen in der Einschätzung zum Multiplikator der Staatsausgaben widersprechen.

    Unter folgenden Link werden mehrere Studien zum Multiplikator genannt. Unter anderem auch eine Studie vom IWF. http://makronom.de/ein-schuss-ins-eigene-knie-1785...

    Hier kommen die Autoren zum Schluss, dass der Multiplikator deutlich über 1 liegt.

    Daher fußt die fundamentale Basis ihrer Agumentation auf schwachen Füßen.

    Falls Sie für Ihre Behauptung andere Quellen haben, würde ich mich über eine Quellenangabe freuen.

    12:19 Uhr, 21.11.2016
  • MMeier2
    MMeier2

    >Der IWF regiert die Welt Wir leben in einer absolut schizophrenen Welt, in der plötzlich die Politik des Internationalen Währungsfonds regiert.<

    Plötzlich? Plötzlich?????

    Altvater/ Mahnkopf, Grenzen des Wachstums, 2004; Chossudovsky, Global brutal, 2003; Enquete-Kommission "Globalisierung der Weltwirtschaft" des Dt. Bundestages 2002; Hertz, Noreena, Armutszeugnis, 2005; Stiglitz, Joseph, Die Schatten der Globalisierung 2002 usw. usf.

    Nein, Herr Schmale, das "plötzlich" kann man Ihnen trotz Ihres - dem Bild nach zu urteilen - jugendlichen Alters nicht durchgehen lassen. Der Fakt um den es geht, ist so alt wie der Kapitalismus, und die Rolle des IWF ist seit mehr als 30 Jahren deutlich und erkennbar. In Anbetracht der Recherchemöglichkeiten, die heute verfügbar sind, ist das einfach grober Unsinn, den Sie hier schreiben.

    Nur damals traf es noch andere. Nun kommt die Welle zurück.

    Das Nachfragedefizit im Übrigen ließe sich leicht beheben, indem man von den verschleuderten Beträgen einfach mal denen was zukommen ließe, die es brauchen.

    10:48 Uhr, 21.11.2016
  • Manfred Riedl
    Manfred Riedl

    Wieder ein Super Research. Jetzt hätte ich eine Bitte, wäre es möglich eine Analyse, wenn in Italien das Reverendum am 4.12. gegen Renzi ausfällt.

    Wäre Super Danke

    08:41 Uhr, 21.11.2016
  • M.SK
    M.SK

    Konzeptierungen von Solvenzeingriffen in Geldschöpfungs-Überhängen,

    die in noch zu bestimmenden Geldmengen der M-Klassen wirken;

    könnten nach Verfall zu einer weichen Landung beim wiedererlangen von

    solidem Neugeschäft der Verzinsungen führen, da die Sensitivität auf der Unterseite abnimmt.

    Ich bin zwar kein Rentenhändler aber sogar eine Vorstellung von Sekundärmarktoperationen in denen notleidende Tranchen erfasst, gemeldet,

    und veroptioniert werden die dann zu einem Bruchteil verfallen gehen mir da

    durch den Kopf.

    Schließlich verbrauchen die Verbrauchr ab M3 und die Notenbanken erschaffen von Grund auf, was insbesondere den Steuerzahler entlastet.

    15:49 Uhr, 20.11.2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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