Kommentar
17:07 Uhr, 08.03.2020

Der Greta-Effekt - Die Bullen scharren schon mit den Hufen – Corona-Panik-Peak voraus

Zur ganzheitlichen Arbeit eines Analysten gehört nun mal eben nicht nur die permanente tägliche Chart-Beschau sondern mehr noch auch das Reinhören in den Markt, um die Stimmung der Anleger zu bewerten. In Kürze könnte am Aktien-Markt der „Greta-Effekt“ einsetzen, man kann und will dann Corona einfach nicht mehr sehen!

Zur ganzheitlichen Arbeit eines Technischen Analysten gehört nun mal eben nicht nur die permanente tägliche Chart-Beschau sondern mehr noch auch das Reinhören in den Markt, um die Stimmung der Anleger zu bewerten. Dazu gehört aber weitaus mehr als lediglich Informationen auszuwerten, die ohnehin vielen zur Verfügung stehen, wie z. B. das Euwax-Sentiment oder der so genannte Fear & Greed-Index von CNN, der die Gier und Angst des Marktes bewertet. Das Euwax-Sentiment taugt ohnehin nur bedingt und ist zudem als intraday Information ohne nachhaltigen Informationsgewinn über den Tag hinaus. In die Berechnung des F&G-Index hingegen fließt eine Menge an Komponenten mit ein, was diesen durchaus als wertvolle Zusatz-Information erscheinen lässt. Wer mehr darüber wissen möchte, klicke hier!

  • Ich persönlich horche aber zusätzlich und noch lieber direkt in die Basis hinein und diese besteht nun einmal zum einen aus den so genannten Kleinanlegern und Tradern, von denen so viele ja gar nicht so „kleine“ Depots haben, sondern durchaus auch mal hoch 5stellig oder gar 6-7stellig im Markt unterwegs sein können. Der zweite Teil dieser Basis ist -grob gesagt- die Börsen-Presse und hier vor allem die „Marktschreier-Fraktion“, die die größtmöglichen Doom-Szenarien zur Hand hat, sowie natürlich die Opportunisten und Wendehälse, die oftmals zwar recht spät auf fahrende Börsen-Züge aufspringen aber dabei so tun, als „hätten sie es immer schon gewusst“.
  • Je größer und lauter hier die Aussagen werden, desto stärker wird nicht nur ihr Effekt als Contra-Indikator sondern zugleich verliert diese Form der Negativ-Propaganda ab einem gewissen Punkt ihre Wirkung (vermutlich wird die Wissenschaft dieses irgendwann einmal als den „Greta-Effekt“ benennen) , ab einer gewissen Häufigkeit des Medien-Overkills erreicht man Leser, Zuhörer und Zuschauer nicht mehr mit solchen Botschaften und erreicht mit der trotzdem fortgesetzten Wiederholung das genaue Gegenteil von dem was man gerne herbei reden/schreiben möchte. Ab diesem Punkt setzt dann die Emotion aus und die Ratio gewinnt wieder die Überhand. Kauf- und Verkaufs-Orders werden jetzt nicht mehr aus der Angst heraus getätigt, sondern es erfolgt wieder eine sinnvolle und ausgewogene Abwägung von Chance und Risiko, bevor man auf den entsprechenden Knopf drückt.

Wie sieht es nun momentan an den Aktien-Märkten aus? Natürlich gruselig, wie sonst sollte es sein, wenn weltweit Indizes in kürzester Zeit hohe über zweistellige Verluste einfahren?

  • Der o. g. Fear & Greed-Index notiert derzeit bei 7 Punkten (Spannbreite 0-100)
  • Der VIX und auch die meisten anderen Indizes, die die Schwankungsbreite des Marktes messen, notierte/n am Freitag auf Niveaus oberhalb der „New economy-Krise“ und auch über denen von 9/11 und fast allen sonstigen Crashs der vergangenen 30 Jahre. Lediglich die absoluten Hochs, die zu Zeiten der Lehman-Krise erreicht wurden, stehen als letztes Vergleichs-Extrem noch im Raum.
  • Die Leute schauen nun sogar schon verstärkt am Wochenende auf Börsen wie den TADAWUL oder die TASE in Tel Aviv, weil diese am Sonntag handeln – vergessen dabei aber den Umstand, dass diese erst einmal lediglich die Bewegungen einpreisen müssen, die andere Indizes längst eingepreist haben, denn ab Donnerstagnachmittag wird da bis sonntags nicht gehandelt, diese Indizes müssen also ohnehin erst einmal das Kursgeschehen vom Rest-Donnerstag und Freitag einpreisen und das ein Index wie der Tadawul, die Preis- und Nachrichtenentwicklungen beim Rohöl begrüßen würde, glaubt jawohl niemand ernsthaft. Gern geschaut wird derzeit auch bei außerbörslichen Plattformen, die Wochenend-Indikationen auf Dax, Dow & Co anbieten, was in meinen Augen nur dann Sinn ergibt, wenn man diese Indizes dort auch handeln kann oder möchte. Ansonsten bringt man sich durch das Beobachten solcher eher willkürlich entstehenden Kurse eher um die verdiente Ruhe am Wochenende und/oder in der Nacht als das man dadurch sinnvolle und verwertbare Informationen erhalten würde.

Die Summe all dieser Informationen ist in der Regel neben der Charttechnik der zweite große Baustein, den man benötigt, um zu schauen ab wann sich ein Markt in einer absoluten Übertreibung befindet. Ein Bekannter von mir bemüht da gerne das Gummiband als Vergleich und das gefällt mir. Zwar kann auch ein Gummi mal reißen (was in keiner Situation angenehm ist), doch meistens ist es die beim Dehnen entstandene Spannung, die eine abrupte stärkere Bewegung in die Gegenrichtung verursacht. Charttechnik und Kursbewegungen haben – obschon weit davon entfernt so etwas wie eine exakte Wissenschaft zu sein- recht viel mit Mathematik und Physik zu tun, hier könnte man insbesondere die Gravitation (Schwerkraft), die Kausalität (Ursache und Wirkung) sowie die Probabilistik (Wahrscheinlichkeitrechnung) bemühen, deren Wirken in Charts immer wieder zum Tragen kommt.

  • Soll heißen: Der Markt übertreibt derzeit sehr arg – recht kurzfristig bahnt sich zu Beginn der Woche via Sentiment und diverse Chartbilder ein Zeit- und Preisfenster an, welches Erholungsbewegungen ermöglichen könnte. Solche irgendwann einsetzenden Erholungen darf man dann aber noch nicht gleich wieder überbewerten und kann ihnen zu Beginn deshalb auch nur recht konservative Maximalziele verleihen (hierfür würden sich in etwa die Kursstände rund um den 24./25.02.2020 anbieten und zuvor könnte es sein, dass sogar maximal in etwa nur die Niveaus vom 27. Februar erreicht werden können).
  • Darüber hinaus besteht in der Folge eine momentan deutlich über 50 % liegende Wahrscheinlichkeit für einen zweiten Einschlag wie zuletzt. Somit dienen Erholungen im Zweifel nur der Erhöhung der Fallhöhe für die nächste größere Abwärtswelle. Da es momentan noch keine derartige Erholung gibt, kann man zurzeit mit oberen Kurszielen noch nicht allzu präzise agieren, in der Summe besteht aber eine gute Option, dass die Märkte kurzfristig -gemessen an den Freitags-Schlusskursen- nach unten hin nicht mehr viel mehr als ca. 2-3 % zu bieten haben und sie täten auch gut daran, denn alles was noch tiefer gehen würde, dürfte in einen echten Sell-Off führen, der in der Summe zusätzliche weitere 3-5 % nach unten draufsatteln könnte, da dann weitere SL-Wellen ermöglicht werden würden.
  • In beiden Varianten gilt zunächst die Annahme, dass sich die Kurse in der Folge um bis zu 50 oder gar 61,8 % erholen könnten, bevor dann evtl. die nächste große Abwärtswelle los getreten wird. Stellt man nun das charttechnisch plausible Risiko von noch 2-3 oder 6-8 % abwärts diesen später möglichen Erholungs-Szenarien von 10-12 oder gar ca. 18 % (je nach tatsächlichem Tief als Basis) gegenüber, ergibt sich bereits ein theoretisch gutes CRV. Hierbei gilt es auch zu berücksichtigen, dass ein sich kurzfristig ausbildendes Tief nicht zwingend schon belastbar genug sein könnte, um direkt zu den großen Rückläufen zu führen. Oftmals kommt es dann noch einmal nach kurzer auch deutlicherer Entspannung zu einem Test der vorherigen Tiefs, was dann zu den Optionen Doppelboden oder finalem Sell-Off führen würde.

Diesem Artikel habe ich ein paar Stunden Zeit an meinem freien Sonntag gewidmet aber nur abseits der Handels-Öffnungszeiten hat man momentan die Ruhe und Kraft, um zu versuchen solch einen nahezu einmaligen Markt, wie wir ihn derzeit sehen, relativ fakten-basiert und emotionslos zu betrachten und auszuwerten.

Michael Borgmann

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Über den Experten

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Michael Borgmann
Technischer Analyst und Trader

Als "Kind des Neuen Marktes" kann Michael Borgmann inzwischen auf über 25 Jahre Börsenerfahrung zurückblicken und hat dabei schon früh die Anwendung der Technischen Analyse (Charttechnik) als "Mittel zum Zweck" für sich ausgemacht. Bei seinen Analysen beschränkt er sich nicht nicht auf einzelne wenige Aspekte der Materie, sondern verfolgt einen ganzheitlichen analytischen Ansatz, indem er Candlesticks, Elliott-Wellen, Fibonaccis, die Ichimoku-Methodik und diverse andere charttechnische Hilfsmittel miteinander kombiniert. In der Summe sieht er dadurch die Technische Analyse gegenüber der Fundamental-Analyse im Vorteil, da sie tagesaktuelle Chartdaten auswerten kann und somit einen deutlichen zeitlichen Vorsprung gegenüber der Auswertung zum Beispiel veralteter Quartalszahlen hat. Seit Juli 2015 betreut Michael Borgmann den Premium-Service „Centre Court Börse” (CCB) im stock3 Terminal (vormals: Guidants).

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