Kommentar
17:18 Uhr, 05.06.2025

Charttechnisch basiertes Handeln an Widerständen und Unterstützungen

Viele Trader haben große Probleme damit, eigenständig Handelsszenarien zu entwerfen und stehen oftmals vor einem Chart, wie "der Ochs vorm Berge". Dieser Artikel soll ein wenig dabei helfen, selbständiger zu werden, er bezieht sich zwar zum Teil auf meine persönlichen Charts ist aber in Summe recht universell gehalten.

Im ersten Teil des Artikels geht es um einen direkten Bezug zu meinen eigenen Charts, von denen ja auch regelmäßig etliche im freien Bereich des Terminals von mir gepostet werden und wie man diese (auch ohne Pfeile) besser verstehen kann.

Mit dem allgemein gültigen Teil geht es dann etwa in der Mitte des Artikels los und zwar ab der Überschrift: Charttechnisch basiertes Handeln an Widerständen und Unterstützungen

  • Der erste Blick in einem meiner Analyse-Charts sollte immer auf die dort gewählte Zeiteinheit gehen, denn diese ist maßgeblich für die Halbwert-Zeit eines charttechnischen Szenarios.
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Check der gewählten Zeiteinheit
  • Ebenso muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Chart ein und desselben Instruments (Aktie/Index was auch immer) generell fast alle Trendrichtungen (aufwärts, seitwärts und abwärts) parallel darstellen kann und wohl auch wird. So kann zum Beispiel der Monats-Chart übergeordnet nach Norden laufen, die Strukturen sich im Wochen/Tages-Chart aber in einer untergeordneten Korrekturbewegung gen Süden befinden und der Stunden-Chart innerhalb dieser Struktur eher seitwärts tendieren usw., hiermit haben sehr viele Leute Probleme bei der Interpretation! Somit sind ein geplanter Einstieg und die gewählte gewünschte Handelsrichtung hieraus passend abzuleiten.
  • Im hier gezeigten Beispiel (siehe Abbildung oben) ist die Zeiteinheit 1 Woche gewählt, das bedeutet, jede Kerze im Chart bildet einen Wochen-Zeitraum ab.
  • Je größer die gewählte Zeiteinheit in einem präparierten Chart ist, desto wichtiger und im Zweifelsfall stärker sind die dort von mir markierten Widerstände und Unterstützungen.
  • Ebenso sind skizzierte Charts nachhaltiger und meistens auch preislich und zeitlich etwas „verlässlicher“, je größer die gewählte Zeiteinheit ist. Dieser Effekt macht sich insbesondere ab Tages- und Wochenchart und erst recht ab dem Monats-Chart bemerkbar.
  • Charttechnisch basierter Handel geht davon aus, dass in Bereichen von starken Widerständen und Unterstützungen Entscheidungen gefällt werden (müssen). Dies kann ein Einbruch/Ausbruch über oder unter diesen Bereich sein oder eben ein stärkerer nachhaltiger oder zumindest temporärer Abpraller gegensätzlich zu der Richtung aus der der Kurs diese Zone erreicht hat.
  • Wichtig: Widerstände und Unterstützungen können relativ hart oder aber auch weich bis dehnbar sein. Wie hart/weich diese sind, ist zum einen von der vorherrschenden allgemeinen Marktlage und dem Sentiment (fear & greed usw.) abhängig und somit von der jeweils aktuellen Marktschwankungsbreite (Volatilität) und am wichtigsten vom aktuell laufenden und übergeordneten strukturellen Aufbau der Wellengrade/Bewegungs-Muster (korrektiv oder impulsiv) innerhalb des betrachteten Charts.
  • Harte Widerstände/Unterstützungen zeigen meistens bereits bei Erstkontakt eine unmittelbare und starke Gegenreaktion.
  • Bei weichen Widerständen und Unterstützungen hingegen wird meistens der gesamte Bereich, in dem diese liegen, durchlaufen oder es geht zumindest grob in die Mitte dieser Zone/n.
  • Bei „elastischen“ Widerständen und Unterstützungen kommt es sogar vor, dass diese temporär über- oder unterboten werden (je nach laufender Kursrichtung).
  • Ist ein Chart zum Beispiel auf Wochen-Basis erstellt und ein Widerstand oder eine Unterstützung werden zu Beginn oder in der Mitte einer Woche über/unterschritten, wird es für die weitere Bewertung maßgeblich sein, wo die Kurse am Ende der Woche zum Handelsschluss stehen und welche Kerzen sich dabei ausgebildet haben.
  • Es ist bei den dehnbaren Widerständen und Unterstützungen auch möglich, dass zum Beispiel 1-2 Wochenkurse darunter/darüber gestellt werden, sich diese Zonen dann aber in einer Zeiteinheit höher letztlich doch noch als nachhaltig erweisen und zum Beispiel auf Monats- oder Quartals-Basis am Ende halten und verteidigt werden können.
  • Ob ein Widerstand oder eine Unterstützung letztlich hart, weich oder gar elastisch sein wird, lässt sich beim Erstellen/Präparieren eines Charts nicht exakt definieren, man kann zwar grob bestimmen ob es eher hart oder weich ist, indem man sich zwecks Gegenprobe durch übergeordnete Zeiteinheiten klickt, letztlich hängt es aber von den unter „Wichtig:“ weiter oben benannten Dingen ab. Somit kann ein und derselbe Bereich durchaus mal hart, mal weich oder auch mal elastisch sein, je nach Marktlage.
  • Wird ein Widerstand nach oben oder eine Unterstützung nach unten durchbrochen und setzt der Kurs in der Folge diese Richtung fort, werden dadurch Widerstände zu Unterstützzungen und umgekehrt. Oftmals kommt es nach gewisser Zeit nochmal zu einem kleinen Rücksetzer an die zuvor durchbrochene Zone, um genau das zu „testen“. Bleibt solch ein Test zunächst aus oder wird erfolgreich bestanden, gilt charttechnisch Im Regelfall, dass der nächste Widerstand oder die nächste Unterstützung in Durchbruchs-Richtung dann als probater Kurszielbereich gelten, solange die zuvor durchbrochenen Zonen nicht wieder aufgegeben werden.
  • Werden ein solcher Widerstand oder eine solche Unterstützung in der Folge tatsächlich erreicht, geht das zuvor benannte Prozedere erneut von vorne los.
  • Generell sind Widerstände und Unterstützungen auf der horizontalen Ebene denen in der vertikalen Ebene überlegen und grundsätzlich etwas verlässlicher. Ausnahmen sind hier in klaren Trendkanälen und echten Dreiecken gegeben, weil dort eine Vielzahl an Kursabprallern an den jeweiligen Linien den vertikalen Support aufwerten.
  • Die stärksten Widerstände und Unterstützungen sind zumeist Kombinationen aus vertikalen und horizontalen Achsen/Trendlinien. Diese kreuzen sich auf der Zeitachse irgendwann. An diesem Punkt sind solche Bereiche zum einen besonders fest und etwas verlässlicher und zum anderen bekommt man dadurch auf der Zeitachse auch einen guten Timing-Indikator, man kann also nicht nur erkennen wo etwas geschehen könnte sondern in etwa auch wann das ungefähr der Fall sein könnte.
  • Weitere Aufwertungen erfahren Widerstände und Unterstützungen durch eine Vielzahl anderer charttechnische Optionen, hier seien nur ein paar davon benannt: parallel laufende Divergenzen (bullisch/bärisch) in den Indikatoren (zumeist RSI, MACD, CCI), parallel laufende Fibo-Cluster aus den v. a. übergeordneten Bewegungsausdehnungen (hier oft 100, 127, 138, 161, 261 und 423 %) oder aber auch zeitgleich dort in übergeordneten Zeiteinheiten liegende GDs (EMA/SMA 10, 38, 50, 62, 100, 200, 423). Je mehr Dinge in einer Zone auflaufen, desto robuster ist sie.

Charttechnisch basiertes Handeln an Widerständen und Unterstützungen

  • An Widerständen und Unterstützungen bieten sich zwei hauptsächliche Handels-Szenarien an: Handeln eines Ausbruchs in Trendrichtung oder Handeln eines Abprallers in Gegenrichtung. Da direkte Ein/Ausbrüche in Trendrichtung zumeist eher in recht starken und dynamischen Trendphasen vorkommen, dürfte es in Summe gefühlt in deutlich über 50 % der Fälle (grob geschätzt 60/40 oder gar 70/30) zumindest temporär zunächst zu Abprallern in die jeweilige Gegenrichtung kommen oder zumindest zu einem Übergang in eine Art stabile Seitenlage, in der das Kräfteverhältnis eine Zeit lang ausgelotet wird, bis dann eine Entscheidung getroffen wird..
  • Strategisch kann man wie folgt vorgehen:
  • Konter-Trade: Ein Kurs erreicht eine Zone mit einem vermeintlich starken Widerstand oder einer starken Unterstützung. In solch einem Fall kann man es intraday probieren (je nach Verlauf bieten sich hier die jeweils erste und letzte Handelsstunde an oder der Handel rund um den Mittag etwa zur Hälfte der laufenden Handels-Session). Dazu geht man im Regelfall in deutlich kleinere Zeiteinheiten als den Tages/Wochen/Monats-Chart, zumeist wird der Stunden-Chart gewählt. Bildet sich hier gegen Ende der Stunde eine passende Kerze aus (groß und dynamisch in Gegenrichtung des laufenden Haupttrends, oder eine mögliche Umkehr-Kerze wie ein Hammer oder Doji) stellt man den „Fuß in die Tür“, indem man eine erste Position aufbaut.
  • Zu Beginn eines solchen Trades ist nicht ansatzweise klar, dass man auf das richtige Pferd gesetzt hat, entsprechend sollten Risk/Money-Management hier Vorrang vor falscher Gier und Hoffnung haben. Wege zur Risiko-Minimierung bzw. zum Kapitalerhalt sind das Herabsenken der Positionsgröße oder das Setzen eines engen SL recht eng am letzten Bewegungs-Hochs/Tiefs also etwas darunter/darüber. Dies kann intraday dazu führen, dass man mehrere Anläufe benötigt und jeweils mit kleinen Verlusten ausgestoppt wird. Der Einstieg nach einer passenden 4h- oder gar Tages-Kerze ist diesbezüglich zunächst etwas entspannter, kann aber dazu führen, dass sich die Kurse schon relativ weit vom Tageshoch/Tief entfernt haben und sich dadurch das Risiko leichter erhöht, weil ja parallel der Abstand zu einem möglichen SL ungleich größer ist, als z. B. bei einem Einstieg, der über den Stunden-Chart gewählt wurde. In Summe wird mal das eine mal das andere von Vorteil gewesen sein, letztlich ist es auch davon abhängig, wie viel Zeit man aufwenden kann und möchte, um solche Einstiege zu finden/suchen.
  • Konter-Trades scheitern je nach Marktlage oftmals direkt (und das auch wie oben geschildert zur Not mehrfach in Folge) oder entwickeln sich nach zunächst gewünschter Handelsrichtung wieder in die Gegenrichtung. Gerade in den ersten Tagen eines Konter-Trades ist es deshalb wichtig, die laufenden Strukturen in kleinen Zeiteinheiten auf Nachhaltigkeit zu prüfen, ergeben sich dort nur korrektive Muster, ist es ab einem gewissen Punkt sinnvoll seinen SL enger nachzuziehen, um so entweder kleinere Gewinne sichern zu können oder halbwegs auf Einstand aus der Position heraus zu kommen.
  • Ausbuchs-Trade: Ein Kurs erreicht eine Zone mit einem vermeintlich starken Widerstand oder einer starken Unterstützung und scheint diese Bewegung in Trendrichtung fortzusetzen oder gar beschleunigen zu wollen. In solch einem Fall ist es wichtig, den Weg zu betrachten, den der Kurs bis an diesen Punkt zuvor zurückgelegt hat. Kommen die Kurse nach langer Strecke relativ „erschöpft“ an solch einen Bereich, ist die Gefahr einer Verpuffung recht hoch. Oftmals wird dann noch ein altes Hoch/Tief über/unterboten, daraus entsteht dann aber kein direktes prozyklisches Kauf-Signal. Oftmals wird das dann im Nachhinein als „Fehlausbruch“ bezeichnet. Die Chartbetrachtung der Strukturen kann einen relativ einfach davor schützen, hier auf das falsche Pferd zu setzen.
  • Gab es vor dem vermeintlichen Aus/Durchbruch bereits mehrere letztlich gescheiterte Versuche (am besten mindestens zwei) diese Zone zu durchbrechen und verharrten die Kurse in der Folge nur konsolidierend an/vor diesem Bereich, so dient das meistens nur zum Kraft tanken. In solch einem Fall bilden sich dann oft steigende Dreiecke aus oder die Indikatoren bekräftigen auf die ein oder andere Weise die Wahrscheinlichkeit für einen anstehenden Durchbruch.
  • Insbesondere im zweiten Szenario bietet sich ein direkter StopBuy/StopSell am letzten Hoch/Tief an (je nachdem, ob in einem ein Auf/Abwärtstrend an die Zone gelaufen wird.), denn oftmals erfolgen dann echte Kauf-Signale und direkte Ausbrüche, was das Risiko beim Einstieg meistens derart mindert, dass es nicht zwingend sofort einen SL benötigt. Mit fortlaufender positiver Entwicklung sollte man aber dennoch schauen, an welcher Zone darüber/darunter sich die Kurse denn wieder festfahren und auch dort abprallen könnten, denn nicht selten (aber nicht immer) kommt es dann zu einer kompletten Rücklauf-Bewegung an den zuvor aufgebrochenen Unterstützungs- oder Widerstands-Bereich. Hierbei würden möglicher Weise (zumindest temporär) sämtliche zuvor erzielten Gewinne wieder komplett eingebüßt. Deshalb bietet es sich bei freundlicher Entwicklung nach Einstieg via StopBuy/StopSell irgendwann an, mit einem Trailing-SL zu arbeiten, der einen Teil der Gewinne sichert. Solange dieser nicht ausgelöst wird, reitet man den Trend. Nach dem Ausstoppen im Gewinn sucht man dann im laufenden Pullback einen möglichen Re-Entry, der im Zweifel günstiger erfolgt als der ausgelöste Trailing-SL.

Weitere Anmerkungen:

Bei einem „Fehlausbruchs-SetUp“ kann es parallel auch zu einem interessanten Konter-Trade kommen, hier wäre dann das jeweilige Hoch/Tief der BlowOff-Kerze der ungefähre SL-Punkt eines Konter-Trades. Man muss also an Widerständen und Unterstützungen relativ flexibel und offen für beide Richtungen sein, denn es kann sein, dass ein ursprünglich geplantes Long-Setup sich am Ende zu einem lukrativen Short-Setup entwickelt und umgekehrt.

In robusten Trendphasen (meistens Impuls-Bewegungen) erhält man bei Konter- und Ausbruchs-Trades in der Regel Trefferquoten von 65-70 % oder mehr.

In zähen (korrektiven Mustern) bewegt man sich selten bei mehr als 50 % Treffer-Quote.

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Michael Borgmann

Technischer Analyst

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