Kommentar
09:55 Uhr, 07.08.2012

Der Franken, der Euro und eine neue DM

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Gleichzeitig de facto ein Teil des Euroraums sein und dennoch eine eigene Zentralbank haben. Wer schafft dieses Kunststück?

Es ist die Schweiz. Seit bald einem Jahr ist der Franken an den Euro gekoppelt – per Untergrenze bei 1,20 Franken pro Euro. Wird die Marke unterschritten, greift die Schweizerische Nationalbank ein. In diesem Zeitraum ist die Eurokrise mehrfach eskaliert, was regelmäßig zu einer Flucht in den Franken führte. Mehrfache Interventionen der SNB am Markt resultierten in einem Aufblähen der Bilanz, die bereits rund 365 Mrd. Franken Devisenreserven ausweist, gut 60% davon im Euroraum. Die SNB erwirbt ausschließlich Anleihen mit Topbonität, und dürfte inzwischen einer der größten Gläubiger der Bundesrepublik sein, wenn nicht sogar der größte. Die Schweizer könnten deutlich über 10% der deutschen Anleihen halten, die genaue Zusammensetzung der Devisenreserven ist nicht bekannt. Die Annahme, dass die extrem niedrigen deutschen Renditen Schweizer Ursachen haben, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die überwiegende Investition in Bundesanleihen hat für die Schweiz einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt. Sollte der Euro wider Erwarten auseinanderbrechen, wäre die Schweiz in einem riesigen Ausmaß in einer deutschen Nachfolgewährung investiert. Natürlich unter der Prämisse, dass es zu einer ungekürzten Umstellung aller deutschen Schulden käme. Sicher ist das nicht, es wäre auch denkbar, dass in einem solchen hypothetischen Fall die Anleihen in Euro denominiert blieben. Auf diesem Wege hätte sich Deutschland einen ordentlichen Teils seiner Schulden de facto entledigt.

Aber bleiben wir realistisch: Der Euro wird wahrscheinlich weiter bestehen. Und wenn die Eurokrise auf irgendeine magische Art und Weise gemeistert wird, dann wird der Euro gegenüber dem Franken auch irgendwann wieder deutlich aufwerten. Und dann kann die SNB die Devisenreserven sogar mit schönem Gewinn wieder abbauen
So gesehen ist die Bindung des Franken an den Euro zwar ein Vabanquespiel, aber es gibt doch einige Varianten, in denen der Ausgang erfolgversprechend ist. Die Risiken sind allerdings auch immens. Wenn sich die Weichmacherfraktion in der EZB durchsetzt, wird die SNB immer mehr Euro kaufen müssen und dann bleibt vom einst harten Franken wohl nichts mehr übrig. Irgendwann wird die rapide ausgeweitete Franken-Geldmenge unweigerlich die Inflation nach oben schrauben, in einem Land das schon jetzt mit den höchsten Lebenshaltungskosten Europas „gesegnet“ ist. Da die Schweiz wie kaum ein anderer Staat von direkter Demokratie durchdrungen ist, besteht eigentlich die größte Gefahr für die SNB-Politik der Franken-Bindung darin, dass das Volk selbst die Renationalisierung des Franken erzwingt. Von so viel Macht kann die Bevölkerung Resteuropas nur träumen.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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