Kommentar
06:53 Uhr, 14.10.2014

Der Aufschwung, der an den Menschen vorbei geht

Die Kursbewegung an den Börsen lässt zwar anderes vermuten, die US Wirtschaftsdaten haben vergangene Woche allerdings wieder überzeugt. Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe waren deutlich unter den Erwartungen. Das untermauert die Story vom US Wirtschaftsaufschwung. Dieser geht allerdings an den meisten Menschen vorbei.

Löhne noch immer unter Vorkrisenniveau

Der neueste Einkommensbericht in den USA, der im September veröffentlicht wurde, zeigt einige Verbesserungen. Er zeigt aber auch, dass die Krise noch lange nicht endgültig überwunden ist. Von 2011 bis 2013 stiegen vor allem die hohen Einkommen. Die erste Grafik zeigt die Einkommen in den USA in 20%-Schritten. Als „lowest“ sind die untersten 20% der Einkommen bezeichnet, „second“ die nächsten 20% usw. Die Einkommen der untersten 20% sind von 2012 auf 2013 gerade einmal um 2 USD pro Jahr gestiegen. Das ist so wenig, dass man nicht gerade von einem Reallohnzuwachs reden kann. De facto stagnieren die Löhne in allen Gesellschaftsschichten. Nur die Löhne der obersten 20% können seit dem Krisentief 2010 wieder zulegen. Sie sind damit immer noch unter dem Vorkrisenhoch. Bei einem Jahreseinkommen von knapp 200.000 USD dürfte der Schmerz darüber allerdings begrenzt sein.

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Die Einkommensungleichheit nimmt weiter zu

Der Trend, dass hohe Einkommen steigen und niedrige Einkommen gerade einmal so stagnieren, führt zu einer immer größeren Einkommensspreizung. Am besten lässt sich das erkennen, in dem man die Einkommen der unteren Einkommensschichten als Prozentsatz der Topverdiener darstellt. Das zeigt die zweite Grafik. Die untersten 20% verdienen nur 10% dessen, was die obersten 20% verdienen. Die obersten 20% verdienten im Durchschnitt im Jahr 2013 knapp 200.000 USD. Die untersten 10% verdienten demnach ca. 20.000 USD.

Der Trend der Einkommenskonzentration dauert schon seit Jahrzehnten an und betrifft alle Einkommensklassen, die nicht zu den Top 20% oder Top 10% gehören. Die untersten 20% verdienten immerhin vor 50 Jahren einmal 17% dessen, was die Topverdiener nach Hause brachten. Jetzt sind es nur noch 10%. Die nächsten 20% (von 20 bis 40%) der Bevölkerung verdienten einmal knapp ein Drittel dessen, was die Top 20% verdienten. Jetzt ist es nur noch ein Fünftel.

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Es ist eigentlich egal, welche Einkommensgruppe man sich anschaut. Der Trend ist überall der gleiche. Je geringer die Einkommen sind, desto deutlicher wird das. So lange das Einkommen in allen Gruppen steigt, ist das nicht wirklich ein Problem. Man könnte sagen: Hauptsache die Reallöhne steigen. Das tun sie leider nicht. Die erste Grafik, die die Reallöhne darstellt, zeigt einen eher flachen Trend in den Einkommensgruppen. Bis zum Jahr 2000 stagnierten die Reallöhne oder stiegen teilweise sogar etwas an. Die untersten 20% verdienten im Jahr 2000 24.000 USD im Jahr. Aktuell sind es nur noch 20.900. Bei einem ohnehin geringen Einkommen ist ein realer Einkommensverlust von 15% schon eine ganze Menge.

Dass Wachstum und Aufschwung an den meisten Menschen vorbeigeht, zeigt auch die dritte Grafik. Hier wird dargestellt wie viel des Reallohnzuwachses auf die unterschiedlichen Gruppen entfallen. Die Top 1% bekommen seit Jahren einen überwältigenden Großteil des Wachstums ab. 60 bis 70% des Reallohnzuwachses findet in dieser Gruppe der Top 1% statt. Das zeigt die Grafik ganz rechts (Anteil der Top 1% am Wachstum). Die anderen Balken zeigen das absolute Wachstum. Von 1976 bis 2007 wuchsen die Reallöhne der Top 1% um durchschnittlich 4% pro Jahr. Unter Präsident Bush wuchsen die Reallöhne dieser Einkommensgruppe um 10% pro Jahr. Der Durchschnitt musste sich mit einem Reallohnwachstum unter 1% pro Jahr begnügen.

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Der Durchschnitt ist stark von den Top 1% geprägt. Betrachtet man die unteren 99% der Gesellschaft, dann lag der Lohnzuwachs bei 0,6% in den vergangenen 30 Jahren. Unter Clinton war es immerhin etwas besser. Seit 2000 geht der Reallohnzuwachs aber wieder zurück.

Kann das noch lange gut gehen?

Wenn die Einkommensungleichheit immer weiter zunimmt, muss man sich die Frage stellen, ob das ewig so weitergehen kann. Ewig wird es sicherlich nicht gut gehen. Der Trend kann sich allerdings noch viele Jahre fortsetzen. Im extremen Langzeitvergleich in der vierten Grafik sind die Verteilungen von 1774, 1860 und 2010 dargestellt. Vor 240 Jahren waren bei den Top 1% der Gesellschaft „nur“ 7% der Einkommen konzentriert. Heute sind es deutlich über 20%. Der Trend ist für die Top 10% der Gesellschaft relativ ähnlich. Würde man die Top 20% betrachten, dann ist der Trend nicht mehr ganz so klar ansteigend. Das heißt eigentlich nichts anderes, als dass sich die Konzentration von Einkommen und Vermögen immer weiter nach oben verschiebt. Hatten einmal die Top 20% etwas von diesem Trend, sind es nun nur noch die Top 10%. In einigen Jahren gewinnen dann vielleicht nur noch die Top 5% hinzu.

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Um sich das grafisch noch einmal anders vor Augen zu führen kann man das nominelle Jahresdurchschnittseinkommen der Gesellschaftsschichten vergleichen. Die Top 0,01% der Gesellschaft stellen alles andere in den Schatten. Die Top 1% mit ihren 418.000 USD Jahreseinkommen sehen dagegen fast schon arm aus. Der Durchschnitt der Gesamtbevölkerung ist im Vergleich gar nicht mehr wahrnehmbar.

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Weltweit unter den schlechtesten

Die USA sind weltweit unter jenen Ländern, in denen die Ungleichheit besonders hoch ist, ganz vorne mit dabei. Gemessen wird das über den GINI Koeffizient. Dieser Koeffizient kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Ein Wert von 0 bedeutet eine absolute Gleichverteilung. Hier würde jeder Bürger genau das gleiche Einkommen beziehen. Bei einem Wert von 1 herrscht absolute Ungleichheit. Eine einzige Person würde das gesamte Einkommen auf sich vereinen. Die Werte in den USA sind mit knapp 0,5 schon recht hoch – auch im internationalen Vergleich. Weltweit lassen sich die Länder, die eine noch ungleichere Verteilung haben, fast an einer Hand abzählen. Dazu gehören vor allem südamerikanische und afrikanische Länder. Besonders dramatisch sieht es in Südafrika aus (ein Wert über 0,6).

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Man kann leider nicht genau sagen wo die Grenze liegt, die erreicht werden muss, damit eine Gesellschaft instabil wird. Südafrika weist eine der größten Ungleichverteilungen in der ganzen Welt auf. Es kommt immer wieder zu Ausschreitungen und wirklich sicher sind die wenigsten Regionen. Trotzdem ist es noch nicht zu einer wirklich großen Revolte gekommen. Rein gefühlsmäßig fehlt nicht mehr viel. In anderen afrikanischen Ländern sehen wir regelmäßig Umstürze. Kommt eine Volksgruppe an die Macht, versucht sie den Reichtum bei sich zu konzentrieren. Das geht einige Jahre gut, bis die Ungleichheit so groß ist, dass jeder, der bessere Verhältnisse verspricht, mit der Bevölkerung einen Umsturz anzetteln kann. Das gleiche Spiel beginnt dann wieder von vorne.

Rein kulturell gesehen haben die meisten Länder keine „Putschkultur.“ Daher ist schwer zu sagen wie es sich genau bemerkbar macht, wenn eine Gesellschaft „kippt.“ Betrachtet man die historischen Beispiele aus Afrika, dann scheint ein GINI Koeffizient von 0,6 wirklich kritisch zu werden. Aus Südamerika kann man die Lehre ziehen, dass bei Werten über 0,55 die Massen auf die Straßen gehen. In der Folge gibt es allerdings selten einen radikalen Wandel, sondern einfach einen Machtwechsel bei Wahlen.

So oder so, die USA sind noch ein Stück davon entfernt eine so hohe Ungleichheit zu erreichen, dass es kippen könnte. Trotzdem ist die Entwicklung bedenklich und ewig kann das so tatsächlich nicht weitergehen.

Clemens Schmale

12 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    ​@Investor

    Ja, dieser Effekt ist von der Globalisierung überlagert. Klar ist, dass von der Globalisierung zunächst die weniger qualifizierten Arbeiten betroffen sind, die in Länder verlagert werden, wo die Löhne geringer sind.

    Wobei durch die Globalisierung Güter preiswerter geworden sind, was den Wohlstand aller erhöhen sollte. Ein Teil von dieser Mehrung des Wohlstands wird von der Geldschöpfung zunichte gemacht. Ein anderer Teil wird von Regierungen in den westlichen Ländern durch wachsende Staatsanteile am Einkommen abgeschöpft. Hier sind vor allem die mittleren Einkommen betroffen, aber auch die niedrigen Einkommen, weil Steuern auf alle Güter erhöht wurden. So gab es ja mal Zeiten, da gab es keine Mehrwertsteuer. So war es die große Koalition aus CDU und SPD, die ab dem 01.01.1968 eine Mehrwertsteuer einführt. Seit dieser Zeit gingen bei jedem Warenumsatz und bei jeder Dienstleistung zunächst 10% und - beim ermäßigten Mehrwertsteuersatz 5 % - in die Staatskasse, heute sind es 19% bzw. 7%. Das trifft natürlich vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten. Ganz zu Schweigen von den Steuern auf Kraftstoffe und Zigaretten.

    Nicht vergessen werden sollten auch die diversen Interventionen der Regierungen in die Marktwirtschaft und der überwiegend links-grüne Zeitgeist, der es Unternehmern schwer macht ein Unternehmen zu gründen. Unter anderem führt dies dazu, das zu wenig Neues geschaffen wird. Die USA haben zwar im IT-Bereich zahlreiche Neugründungen, aber was das produzierende Gewerbe anbelangt, bietet sich in vielen Bereichen ein desolates Bild. So hatte beispielsweise die Automobilindustrie, die Amerika mal Wohlstand und Ansehen brachte, schon vor Jahren den Anschluss verpasst. Es gab keine vergleichbaren Entwicklungen, die an ihre Stelle hätten treten können. Mir scheint, man hat sich nahezu ausschließlich nur auf militärischem Gebiet weiterentwickelt. Das fördert aber nicht den Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten.

    In einer gesunden, nicht durch staatlichen Einfluss kastrierten Marktwirtschaft, könnten wegfallende Arbeitsplätze durch neue, produktivere ersetzt werden.

    Sicher ist diese Auflistung nicht vollständig. Sie zeigt aber, wo anzusetzen wäre, um Wohlstand für alle zu ermöglichen.

    11:58 Uhr, 14.10.2014
  • 1 Antwort anzeigen
  • Löwe30
    Löwe30

    Dass diese Zunahme der Einkommensungleichheit sehr viel mit dem staatlichen Fiat Geldsystem zu tun hat, wurde von Richard Cantillon theoretisch begründet. Will man diesen Teil der Ungleichheit beseitigen, so braucht man nur ein Geldsystem einzuführen, wie es die Ökonomen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie vorschlagen.

    "Die Inflation ist das Mittel, über das sich diese Individuen und Gruppen auf Kosten der allgemeinen Öffentlichkeit bereichern.[...]

    Der unaufhörliche Zufluss von Papiergeld macht die Reichen und Mächtigen reicher und mächtiger, als sie wären, wenn sie ganz und gar auf die freiwillige Unterstützung ihrer Mitmenschen angewiesen wären. Da sich das politische und wirtschaftliche Establishment über die Inflation auch vor Konkurrenz schützt, führt sie zu einer geringeren sozialen Mobilität. Die Reichen bleiben länger reich und die Armen länger arm als in einer freien Gesellschaft.[...]

    Es wäre nicht verfehlt, Inflation als großangelegten Raubzug der Wenigen, politisch gut verknüpften gegen die politisch hilflosen Massen zu charakterisieren. Sie geht immer einher mit der Konzentration von politischer Macht in den Händen jener, die eine Banklizenz besitzen und jenen, die die Monopolstellung der Produktion des Papiergeldes innehaben. Sie führt in eine endlose Schuldenspirale und legt das Schicksal der Gesellschaft in die Hände von geldpolitischen Autoritäten wie Zentralbanken. Am Ende steht die moralische Korrumpierung der Gesellschaft."

    http://www.misesde.org/?p=8124

    Man sollte sich nicht täuschen lassen von der veröffentlichten offiziellen Inflation. Die tatsächlich Inflation ist bedeutend höher. http://www.shadowstats.com/alternate_data/inflatio...

    Auch die tatsächlichen Arbeitslosenraten entsprechen nicht die Wirklichkeit.

    http://www.shadowstats.com/

    Wir leben in einer Welt der Gaukler.

    09:07 Uhr, 14.10.2014
    1 Antwort anzeigen
  • Austrochris
    Austrochris

    ​Endlich mal eine gute Analyse vom US Arbeitsmarkt. Knapp über 40 Millionen die Essensmarken vom Staat brauchen und alle jubeln über die guten Arbeitsmarktzahlen.

    Dabei sind das vor allem schlecht bezahlte Jobs die zwar die Statistik beschönigen und somit ein völlig falsches Bild geben . Die Realität sieht so wie ihrem Artkel aus Herr Schmale !

    08:46 Uhr, 14.10.2014
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    ​Danke für die aufschlussreiche Analyse - gleiches sieht man im Häusermarkt. Die aktuelle Erhohlung sieht man nur bei Objekten > 1 Mio. USD. Die Objekte, die vom Wert her darunter liegen, sinken weiter vom Preis.

    08:19 Uhr, 14.10.2014
  • Manfred Riedl
    Manfred Riedl

    ​Wie immer super Kurz und auf den Punkt gebracht.

    Bitte machen Sie so weiter

    08:09 Uhr, 14.10.2014
  • ​Ist doch nicht nur in den USA so, Europa holt auf. Mich würden dabei die Zahlen für Europa und speziell für Deutschland Interessieren.

    07:51 Uhr, 14.10.2014
    2 Antworten anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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