Kommentar
18:28 Uhr, 24.02.2022

DAX verliert 4% - Kaufen? Verkaufen? Aussitzen?

Kursbewegungen von 5% im DAX sieht man nicht jeden Tag. Das ist Panik. Auch wenn man sich als Anleger gedanklich auf Krisen vorbereitet, wenn man mittendrin steckt, ist es nicht so einfach.

Erwähnte Instrumente

  • DAX
    ISIN: DE0008469008Kopiert
    Kursstand: 14.052,10 Pkt (XETRA) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • DAX - WKN: 846900 - ISIN: DE0008469008 - Kurs: 14.052,10 Pkt (XETRA)

Historisch betrachtet ist Panik am Aktienmarkt ein Kaufsignal. Als 2008 das globale Finanzsystem zusammenzubrechen drohte, machten Investoren wie Buffett die Geschäfte ihres Lebens. Der Rat, bei Panik zu kaufen, geht lang zurück. Angeblich hat Baron Rothschild damit bereits im 18. Jahrhundert geworben.

So gut und einfach der Rat klingt, in der Praxis ist er nicht leicht umzusetzen. Da kann die historische Trefferquote noch so hoch sein. Tagesbewegungen wie am Donnerstag waren beim DAX in der Vergangenheit Garanten für mittel- bis langfristig interessante Einstiegspunkte (Grafik 1).

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Tagesbewegungen von 5 % und mehr deuten an, dass Panik erreicht und das Tief nicht weit ist. An solchen Tagen zu kaufen, erfordert jedoch gute Nerven. Das gilt vor allem deshalb, weil die Kurse selten gleich am nächsten Tag wieder in einen Aufwärtstrend übergehen.

Niemand weiß mit Sicherheit, ob einem Tagesverlust von 5 % weitere solcher Verluste folgen. Ob 2008, 2001 oder 1987, wenn Panik herrscht, benötigt der Markt oft einige Zeit, um sich zu beruhigen. Wer 1987 beim ersten Tagesverlust von mehr als 5 % kaufte, wies vier Wochen, drei und sechs Monate später immer noch einen Verlust aus (Grafik 2).

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Das galt auch, als die Kurse das zweite, dritte und vierte Mal an einem Tag mehr als 5 % verloren. Erst beim fünften Mal kam es in der Folge zu einem Rebound und positiver Performance auf Sicht mehrerer Wochen und Monate. Panik ist nicht einfach definiert. Ein Einbruch von 5 % kann das Ende oder erst der Anfang sein.

Das Tief genau zu erwischen ist so gut wie aussichtslos. Wer während einer Panik kaufen will, muss ins fallende Messer greifen. Das Risiko weiter fallender Kurse ist groß. Persönlich habe ich damit Erfahrung im März 2020 gemacht. Als der S&P 500 damals auf 2.700 Punkte fiel, begann ich zu kaufen.

Seither war ich immer fast vollständig investiert. Persönlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass es tatsächlich zu einer Eskalation in der Ukraine kommt, wie wir sie nun sehen. Im Nachhinein ist man schlauer und wünscht sich natürlich, dass man die Investitionsquote reduziert hätte. Da das nicht geschehen ist, fehlt mir im Vergleich zu damals die hohe Cashquote, um z.B. 30 % des Depots jetzt in Aktien zu lenken und dann einige Tage abzuwarten, wie sich die Lage entwickelt.

Doch selbst wer eine hohe Cashquote hat, kauft nicht ohne Bedenken. Oftmals sind die Bedenken von Anlegern sogar so groß, dass am Ende gar nicht gekauft wird. Hat man erst Angst, die ja auch begründet ist (man muss nur auf die Kurszettel blicken), weist man einer weiteren Zuspitzung der Lage eine zu hohe Wahrscheinlichkeit zu.

Wer weiß schon, welche Sanktionen nun erlassen werden? Wer kann beurteilen, ob andere Länder der Ukraine nicht doch militärisch beistehen und wir plötzlich einen europäischen Flächenbrand erleben? Was geschieht, wenn Nachbarländer durch fehlgeleitete Militärschläge unabsichtlich in den Konflikt hineingezogen werden? Schlimmere Szenarien sind schnell ausgedacht. Es muss nicht einmal in Europa zu einer weiteren Eskalation kommen. China könnte die Ablenkung nutzen, um Taiwan einzugliedern.

Mit solchen Gedanken will man eigentlich keine Aktien kaufen. Daher verpassen es Anleger meist, bei Panik zuzugreifen. Wer kauft, bereut es, wenn nach einem sehr kurzen Rebound die Kurse wieder fallen und verkauft. Wildes Hin und Her verursacht Transaktionskosten und reihenweise Realisierung von Verlusten.

Am Ende muss jeder die Lage selbst einschätzen und entscheiden. Hätte ich eine hohe Cashquote, würde ich eine erste Tranche europäische Aktien kaufen, mit der klaren Absicht, für Jahre zu halten. Da das nicht der Fall ist, habe ich mich für einen Short auf den Vstoxx entschieden. Das braucht übrigens noch bessere Nerven als jetzt Aktien zu kaufen und ist nicht zum Nachmachen empfohlen.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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