DAX: Bärenmarktrally oder neue Hausse?
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Seit dem zweiten Weltkrieg waren Rezessionsjahre oft gute Aktienjahre. Eine tiefe Rezession und schlechte Stimmung eröffneten meistens gute Chancen am Aktienmarkt. Während der letzten fünf Rezessionsphasen der Bunderepublik Deutschland (1967, 1975, 1982, 1993 und 2003) stieg der DAX im Rezessionsjahr jeweils deutlich an und zwar um 49% im Jahr 1967, 40% in 1975, 14% im Jahr 1982, 47% im Jahr 1993 und 2003 gleich um 37%. Der Index hatte die Rezession im Vorjahr bereits in die Kurse eingepreist. Jedoch gab es beim Dow Jones in der 32-monatigen Baisse zwischen 1929 und 1932 sieben starke Rallys, die im Durchschnitt 60 Tage dauerten und Zuwächse von 30% brachten, bevor der Kurs dann neue Tiefs erreichte. Seit Anfang Juni ist der DAX auf Jahressicht im Plus. Seit Anfang März hat er knapp 50% zugelegt, was zur Frage führt, ob es sich noch um eine Bärenmarktrally handelt oder bereits eine Trendwende eingeleitet wurde.
Ausmaß der Erholungsbewegung
Allgemein verstehen Aktienanalysten unter einer Baisse einen mehrmonatigen Kursrückgang von mindestens 20%. Seit dem Jahr 1965 gab es diesen beim DAX insgesamt zehn Mal. Im Durchschnitt erfolgte ein Kursrücksetzer von 38%, wobei nach 1,5 Jahren der Tiefpunkt erreicht war. Die jüngste Baisse begann im Sommer 2007 und brachte bis zum Jahrestief am 06. März 2009 einen Kursverlust von rund 55%. Die Zeitdauer umfasste knapp 1,7 Jahre. Im Verlauf der Finanzkrise fiel der Index ausgehend von rund 8.000 auf rund 3.600 Punkte. Der Umfang und die Ausdehnung der Kursverluste sind größer als in früheren Baissephasen, einen stärken und längeren Rückgang gab es nur nach dem Platzen der Internetblase in den Jahren 2000 bis März 2003. Im März setzte beim DAX eine Rally ein, die bis Anfang August 2009 zu einem Anstieg bis rund 5.500 Punkten führte, was in der Spitze einem Plus von etwa 50% entspricht. Der Anstieg ist stärker als bei früheren typischen Bärenmarktrallys, wird aber durch die Schwere des vorherigen Verlustes relativiert.
Kein typischer Ausverkauf
Viele Marktteilnehmer argumentieren, dass das Kurstief im März keinen typischen Sell-Off hatte. Während der Asienkrise und der Anschläge nach dem 11. September 2003 gab es einen einen bzw. wenige Tage umfassenden Ausverkauf als Höhepunkt des Crashs. Die Handelsvolumina waren hoch und der finale Kurssturz groß. Der von der Deutschen Börse berechnete VDAX hatte an den Tiefpunkten aller Baissen seit 1992 lokale Höchststände. Im März 2009 hatte sich die Volatilität beim DAX gegenüber dem Hoch vom vorherigen Herbst aber fast halbiert. Dazu ist jedoch anzumerken, dass der VDAX im November 2008 auf ein Allzeithoch von fast 85 Punkten schoss und seine vorherige Höchstmarke damit um 30% überbot. Bis März 2009 hatte sich die Risikowahrnehmung der Anleger wieder reduziert, wobei der VDAX aber weiter bei überdurchschnittlich hohen 40 Punkten notierte. Der eigentlich Sell-Off fand beim Kursrückgang von 6.000 in Richtung 4.000 Punkte statt. Das Märztief 2009 hat lediglich die letzten verzweifelten Anteilseigner von ihrem Leid befreit. Sell-Offs während oder am Ende eines Bärenmarktes müssen nicht unbedingt mit hohen Handelsvolumina einhergehen. Infolge des langen vorherigen Siechtums und der extrem schlechten Stimmung hatten viele Marktteilnehmer bereits vorher kapituliert.
Bewertungsniveau
Fundamentale Kennzahlen helfen bei der Bewertung von Aktienmärkten. In der aktuellen Wirtschaftskrise ist eine Bewertungskennziffer wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis mit Vorsicht zu genießen. Gegenwartsgezogene Zahlen haben nahe des Tiefpunktes einer Rezession wenig Aussagekraft. Der Bloomberg-Konsens erwartete im Vorjahr für die 30 deutschen DAX-Konzerne eine durchschnittliche Gewinnsteigerung von 12%, schließlich ergab sich Ende 2008 jedoch ein Rückgang von über 30%. Aussagekräftiger ist das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Hierbei wird der Kurs in Relation zum anteiligen Buchwert gestellt. Eine Aktie ist umso preiswerter, je niedriger der Wert ausfällt. Bei einem DAX-Stand von 4.000 Punkten liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis des Index bei etwa 1,0. Bei einem Niveau von aktuell 5.500 Punkten beträgt das KBV 1,36. Der Durchschnittswert der letzten 20 Jahre liegt bei 1,55. Demnach liegt die Aktienbewertung rund 12% unter dem langfristigen Durchschnitt.
Rentenpapiere wenig attraktiv
Aktien und Anleihen stehen in einem Konkurrenzverhältnis. Steigende Zinsen zwingen die Aktienkurse früher oder später in die Knie. Derzeit ist der Anleihemarkt nicht sonderlich attraktiv. Das Rentenmarkt-KGV bei zehnjährigen Staatsanleihen beträgt bei einem Zinssatz von 3,5% etwa 30. Der Anstieg der Geldbasis wird dafür sorgen, dass die Inflation und damit die Zinsen im nächsten Aufschwung deutlich steigen werden. Folglich wird die Zinsstrukturkurve langfristig steiler werden. Die US-Inflationsrate erreichte im Jahr 1980 auf Jahresbasis einen Wert von extrem hohen 14%. Paul Volcker, der von 1979 bis 1987 US-Notenbankpräsident war, erhöhte die Leitzinsen auf zeitweise mehr als 20%, was verdeutlicht, wohin die Reise bei den Zinsen langfristig gehen kann.
Fazit
1. Insgesamt hat das Ausmaß der Erholungsbewegung einen finalen Charakter. Das März-Verlaufstief wird nicht mehr erreicht werden. Die Trendwende ist vollzogen, von einem neuen Bullenmarkt kann aber keine Rede sein.
2. Einen lehrbuchmäßigen Sell-Off wird es nicht mehr geben.
3. Aktien sind im historischen Vergleich nicht übermäßig günstig, aber auch nicht teuer. Folglich besteht infolge der zu erwartenden mühseligen Wirtschaftserholung noch Rückschlagspotenzial.
4. Bei 4.000 Punkten liegt das Kurs-Buchwert-Verhältnis des DAX bei 1,0. Abgaben darunter wird es nicht mehr geben.
5. Der Index wird auf längere Sicht volatil in einer großen Seitwärtsrange schwanken, wobei es länger als in früheren Krisen dauern wird, bis sich wieder stabile Trends entwickeln.
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