Kommentar
08:06 Uhr, 13.07.2019

Datenmissverständnis: Ist es eigentlich ein Aufschwung?

Selbst bei den notorisch langsamen Notenbanken ist inzwischen angekommen, dass die Wirtschaft nicht mehr boomt. Man kann es aber auch ganz anders sehen.

Man soll ja bekanntlich keiner Statistik trauen, die man nicht selbst gefälscht hat. Wenn man die Daten nur lang genug bearbeitet, kann man praktisch für oder gegen alles Argumente aufbauen. Das gilt auch für die US-Wirtschaft. Diese wuchs Anfang des Jahres noch mit annualisierten 3 %. In wenigen Wochen kommen die Daten für das zweite Quartal. Das Wachstum dürfte sich deutlich abgeschwächt haben. Die Konsensprognose liegt derzeit bei 1,8 % Wachstum. Das Modell der Notenbank von Atlanta sieht weniger als 1,5 %. Ähnlich verhält es sich beim Modell der Notenbank von New York. Alles deutet auf einen Abschwung hin, zumindest im abgelaufenen Quartal. Was danach geschieht, steht momentan noch in den Sternen.

Oftmals gibt der Zinsmarkt Aufschluss über den Gesundheitszustand der Wirtschaft. Der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe fällt. Dieser Trend wird klar vom Zinsmarkt untermauert. Es gibt unterschiedliche Arten wie man den Einkaufsmanagerindex mit den Zinsen vergleichen kann. Eine Möglichkeit ist in Grafik 1 dargestellt. Es zeigt die Veränderung der Zinsen gegenüber dem Vorjahresmonat. Als Maßstab gilt der Durchschnitt der 10-jährigen und 2-jährigen Anleiherendite.

Man könnte genauso gut die Zinskurve abbilden und käme zu keinem anderen Schluss. Die Daten kann man auf verschiedene Arten zusammenfügen. Anstatt den Einkaufsmanagerindex so darzustellen wie er ist, kann man es auch mit den Zinsen harmonisieren und ebenfalls die Veränderung gegenüber dem Vorjahr abbilden (Grafik 2).


Die Kernaussage hat sich damit überhaupt nicht verändert. Beide Datenreihen zeigen deutlich nach unten. Jetzt kommt aber der große Trick. Wir verschieben einfach die Zinsveränderung um 18 Monate nach vorne und invertieren die Zeitreihe. Steigt die Kurve, zeigt das einen Rückgang der Zinsen an. So wird aus Grafik 2 eine neue Grafik (Grafik 3).

Jetzt zeigen die Zinsen nach oben. Der Einkaufsmanagerindex sollte demnach relativ bald auch wieder nach oben drehen. Bis Ende 2020 sollte er wieder 8-10 Punkte zulegen können und dann statt bei gut 50 Punkten bei 60 Punkten stehen. Ein so hoher Wert zeigt eine außergewöhnlich positive Dynamik in der Wirtschaft.

Die Daten sind immer noch die gleichen, doch die Story ist eine vollkommen andere. Aus einem Abschwung wurde ein nahender Aufschwung. Die Darstellung aus Grafik 3 hat keinesfalls einen geringeren Wahrheitsgehalt als jene aus Grafik 1 und 2. Doch was lässt sich nun darauf schließen. Beides kann ja nicht gelten.


Will man beides zusammenbringen, kann man folgende Aussage treffen: aktuell befinden wir uns im Abschwung, aber der nächste Aufschwung lauert schon um die Ecke. Alles spricht derzeit gegen einen Aufschwung. Schon dem gesunde Menschenverstand widerstrebt dieser Gedanke. Theoretisch ist aber durchaus möglich, dass die Party noch einmal in die Verlängerung geht. Das würde viele Anleger auf dem falschen Fuß erwischen. Der Aktienmarkt hat dabei die Angewohnheit, der größtmöglichen Menge an Anlegern den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Eine wirtschaftliche Wende nach oben würde genau das tun.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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