Kommentar
13:36 Uhr, 28.05.2014

Das unbekannte Territorium negativer Zinsen

Erwähnte Instrumente

  • EUR/USD
    ISIN: EU0009652759Kopiert
    Kursstand: 1,3614 $ (FOREX) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • Grundsätzlich: Negative Zinsen sind schlecht, weil sie die Zukunft gegenüber der Gegenwart entwerten
  • Es ist kaum zu erwarten, dass negative Zinsen auf Zentralbankeinlagen das Kreditge-schäft in den Peripherieländern beleben. Dem stehen die hohen Risiken entgegen
  • Der Vorteil der Einführung negativer Einlagenzinsen: Sie signalisiert Handlungsfähigkeit, kann aber schnell wieder zurückgenommen werden.

Die Europäische Zentralbank war bisher nicht zimperlich, neue Wege in der Geldpolitik zu gehen und Instrumente auszuprobieren, die es bisher noch nicht gab. Jetzt diskutiert sie wieder über etwas, was bisher weit-gehend tabu war: Negative Zinsen. Viele lehnen eine solche Maßnahme ab, weil es keine Erfahrungen damit gibt. Was würde passieren?

Negative Zinsen gab es bisher immer nur in Ausnahmesituationen. So hat beispielsweise die Schweizer Notenbank zeitweise negative Zinsen auf Guthaben von Ausländern erhoben, um spekulative Kapitalzuflüsse abzuwehren. Der deutsche Finanzminister profitierte, als ihm Investoren im Verlauf der Eurokrise eine Prämie dafür zahlten, in seine Papiere investieren zu können. Dänemark wollte eine Aufwertung verhindern. Interessanterweise hat Japan die Erhebung negativer Zinsen zur Bekämpfung der Deflation nie erwogen.

Grundsätzlich sind negative Zinsen problematisch. Der Zins ist der Preis der Zukunft gegenüber der Gegenwart. Je niedriger der Zins, umso geringer wird die Zukunft be­wertet. Umso unrentabler also Sparen und Investieren. Das kann eine Gesellschaft vorübergehend tolerieren. Auf Dauer ist es kontraproduktiv. Wir leben auf Kosten unserer Kinder.

Gleichzeitig bedeuten negative Zinsen eine Prämie für Bargeldhaltung. Die Menschen bringen ihr Geld nicht mehr zur Bank, sondern verwahren es unter dem be­rühmten Kopfkissen. Auch das liegt nicht im Interesse des Staates. Es fördert Umgehungen wie Schattenwirt­schaft und Schwarzgeld.

Nun handelt es sich bei der von der EZB ins Visier ge­nommenen Maßnahme nicht um so etwas Großes wie die generelle Einführung von negativen Zinsen. Es geht vielmehr nur darum, Einlagen von Banken bei der Zen­tralbank mit einem negativen Satz zu belegen. Betroffen ist also direkt nur der Finanzkreislauf. Die Realwirtschaft wird nur mittelbar tangiert.

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Die EZB möchte damit drei Dinge erreichen: Die Bele­bung des Kreditgeschäftes der Banken vor allem in den Peripherieländern, eine Abwertung des Euros auf den Devisenmärkten und eine Belebung des innereuropäi­schen Geldmarktes. Zusammen soll das die Inflation wieder nach oben bringen. Ich habe Zweifel, ob es ge­lingt.

Zum Kreditgeschäft: Kredite werden vergeben, wenn es eine entsprechende Nachfrage der Unternehmen gibt, wenn die Risiken nicht zu hoch sind und wenn die Ban­ken genügend Eigenkapital haben. Es ist höchst un­wahrscheinlich, dass eine Bank mehr Kredite vergibt, nur weil sie für ihre Einlagen bei der Zentralbank einen Strafzins zahlen muss. Wenn das wirklich einmal sein sollte, so stellt das die üblichen Entscheidungsvorgänge bei Finanzinstituten auf den Kopf. Das kann auch nicht im Interesse der Europäischen Zentralbank als oberster Bankaufseher liegen.

Zum Devisenmarkt: Derzeit sprechen alle ökonomischen Faktoren für einen schwächeren Euro: Die höheren Zin­sen in den USA, die Aussicht auf eine in Zukunft restrik­tivere Geldpolitik der Fed, das hohe Wirtschaftswachs­tum, die Verringerung des US-Leistungsbilanzdefizites und die zahlreichen politischen Krisenherde in der Welt. Dass sich der Euro unter diesen Umständen gleichwohl nicht abschwächt liegt allein daran, dass es erhebliche Kapitalzuflüsse in die Peripherieländer Europas gibt, die von einem Ende der Krise profitieren wollen. Ein negati­ver Einlagenzins würde diese Zuflüsse eher noch erhö­hen.

Zum Geldmarkt: Natürlich würden Banken im Falle von Strafzinsen auf Zentralbankeinlagen überlegen, Über­schussreserven verstärkt am Geldmarkt anzulegen. An­dererseits sollte man sich hier keine Wunder erwarten. Der Geldmarkt war schon bisher eine attraktive Alterna­tive, weil die Banken hier Geld verdienen konnten. Wenn sie trotzdem Geld bei der Zentralbank hielten, so weil die Anlage bei Banken innerhalb der Wäh­rungsunion immer noch als unsicher gilt. Darauf deuten auch die Target-Salden hin.

Die positiven Wirkungen negativer Einlagenzinsen sind also begrenzt. Gleichzeitig gäbe es aber auch negative Nebeneffekte. Die Banken hätten zusätzliche Kosten. Sie würden sie auf ihre Kunden, vor allem im Privatkun­dengeschäft, abwälzen. Das schafft unnötigen Ärger. Zu­dem würden sie ihre Einlagen bei der Zentralbank weiter reduzieren. Das verschlechtert ihre Liquiditäts­vorsorge. Die Zentralbank würde sich das Tor zu weite­ren Liquidi­tätsmaßnahmen wie den dreijährigen LTRO's (Longer Term Refinancing Operations) verschließen. Welche Bank würde sich Liquidität auf Vorrat (und ge­gen einen Zins) besorgen, wenn sie für die Haltung des Geldes noch einmal Zinsen bezahlen müsste? Schließ­lich ganz wichtig: Wenn die EZB wieder aktiv wird, ver­ringert das die Bereitschaft der nationalen Regierungen, weitere Reformen zu unternehmen.

Für den Anleger

Bewahren Sie ruhig Blut, wenn die EZB beschließen sollte, negative Einlagenzinsen einzuführen. Das allein ist kein Grund für einen Anstieg der Inflation oder wei­tere strukturelle Verbesserungen in der Währungsunion. Es ist eher ein Placebo. Damit könnten die Befürworter weiterer Lockerungsmaßnahmen ruhig gestellt werden, ohne dass größerer Schaden angerichtet wird. Anders als ein großes Quantitative-Easing-Programm mit Käu­fen von Staatsanleihen hat eine solche Maßnahme den Vorteil, dass sie leicht und schnell wieder rückgängig ge­macht werden kann. Märkte reagieren erfahrungsgemäß auch auf Placebos manchmal positiv.

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