Kommentar
14:20 Uhr, 26.03.2007

Das Problem mit Empfehlungen

von Van K. Tharp, Ph.D.

Viele von Ihnen bekommen wahrscheinlich Newsletter, die spezifische Tradingempfehlungen geben. Die meisten Empfehlungen werden für gewöhnlich für ein gewisses Zeitfenster und bestimmte Marktumstände gegeben. Wenn das Zeitfenster verstrichen ist, oder sich die Marktumstände verändert haben, dann taugt die Empfehlung nichts mehr. Dennoch wissen viele Personen, die diese Empfehlungen bekommen, nichts von diesem Umstand.

Die spezifischen Bedingungen einer Empfehlung zu beachten, gilt für fast alle Arten von Empfehlungen: 1) einer Aktienempfehlung; 2) der Empfehlung eines Angestellten; 3) der Empfehlung eines Kollegen; 4) der Empfehlung eines Produktes, etc. Nehmen wir beispielsweise an, dass ich Ihnen von einem Computer erzähle, den ich persönlich für den besten am Markt erachte. Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diese Empfehlung ausspreche, ist es vielleicht auch der beste Computer am Markt. Nehmen sie nun aber an, dass sie diese Empfehlung erst nach mindestens einem Jahr erhalten. Mit dem Tempo, mit dem die Technologie aktuell fortschreitet, ist kein Computer nach einem Jahr mehr up-to-date. Oder nehmen Sie an, dass ich diesen Computer drei Monate lang besitze, und ihn Ihnen empfehle, weil ich von ihm begeistert bin. Sie gehen nun los und kaufen einen solchen Computer auf meine Empfehlung. Kurz nachdem ich ihn empfohlen habe, stürzt mein Computer jedoch gleich dreimal innerhalb einer Woche ab. Vielleicht mag ich den Computer nach dem ersten Crash noch. Beim zweiten Absturz entwickelt sich in mir jedoch ein Zweifel. Und nach vermehrten Abstürzen, werde ich ihn niemanden mehr empfehlen. Dies negiert jedoch nicht den Umstand, dass ich ihn empfohlen habe, als ich noch von ihm begeistert war, und dass ihn womöglich jemand aufgrund meiner Empfehlung gekauft hat.

Sie sagen jetzt vielleicht, „Okay Van, aber was willst du uns damit sagen?“

Ich habe immer dazu geraten, persönliche Verantwortung für Taten zu übernehmen, egal was passiert. Wenn Sie sich dazu entschließen die Ratschläge von anderen für ein Investment heranzuziehen, dann wälzen Sie einen Teil Ihrer Verantwortung auf die Ratgeber ab. Das ist jedoch durchaus vertretbar, zumindest solange Sie selbst die Verantwortung für die Resultate übernehmen. Und das ist ganz sicher eines der Dinge, die ich ausdrücken will.

Weiters möchte ich auch noch über mein neues Buch, der zweiten Ausgabe von „Trade Your Way To Financial Freedom“ sprechen. Es umfasst mittlerweile fast 500 Seiten, und ich bin auf die neuen Sektionen besonders stolz. In einer dieser Sektionen habe ich mich dazu entschlossen, Newsletter wie Systeme zu behandeln, und Evaluierungen über diese zu erheben, was die Trefferquote, Erwartungen, „Expectunity“ (dieses Wort setzt sich aus Expectancy mal Opportunity, also Erwartung mal Möglichkeit zusammen), und die übergeordnete Qualität des Systems betrifft, das durch die Empfehlungen beschrieben wird.

Einer der besten Newsletter, Extreme Value, war ein sehr wertorientierter Newsletter. Im September 2006 wies dieser die höchste Trefferquote und die beste Gesamtsystemqualität auf. Und aufgrund seines hervorragenden Trackrecords, freue ich mich, dass ich ihn mit anderen teilen kann.

Dennoch hängt ein System sehr oft davon ab, ob es in einem passenden Umfeld evaluiert wird. Wenn der Markt das „Richtige“ tut, dann werden gewisse Systeme auf sich aufmerksam machen. Wenn der Markt dann jedoch nicht mehr das Richtige tut, performen solche Systeme meist sehr schwach.

Wenn Sie einen Newsletter nun als System erachten, dann gibt es noch eine weitere signifikante Variable – den Verfasser des Newsletters. Was passiert, wenn diese Person seine Glaubenssätze oder Überzeugungen ändert? Wenn dies passiert, könnte sich auch der Newsletter komplett verändern. Ich weiß von einem Newsletter, der einen neuen Autor eingesetzt hat, und kurz darauf machte es den Anschein, als würde der Newsletter den Bach runter gehen. Ich werde in diesem Artikel jedoch keine Namen nennen.

Extreme Value war der am höchsten „geratete“ Newsletter in diesem Buch. Er nahm in zwei von vier Kategorien den ersten Platz ein. Dieser Newsletter schlug sich besonders gut, weil der Autor sehr viel Heimarbeit leistete und Aktien fand, die er zu unglaublich niedrigen Preisen im Vergleich zu ihrem tatsächlich Wert kaufen konnte. Einige dieser Aktien wiesen stark unterbewerte Immobilien auf. Andere wiederum wiesen andere Charakteristika auf, die die Aktie zu etwas besonderem machten. Doch man musste schon sehr genau hinsehen, um diese Besonderheiten zu erkennen.

Eines der Dinge, die mich an diesem Newsletter, wie bei den meisten Value-orientierten Akteuren, gestört hat, war, dass er keine Stopps in seine Empfehlungen inkludiert hat. Um dem Redakteur nicht unrecht zu tun, möchte ich anmerken, dass die meisten Value-orientierten Anleger keine Stopps verwenden. Sie wollen das Investment so lange halten, bis sie es nicht mehr als unterbewertet wahrnehmen. Daher musste ich annehmen, dass ein Einbruch von 25 % einem R entsprach. Wäre ein Titel also auf Null gefallen (was nicht einmal ansatzweise passiert ist), dann hätte dies einen Verlust von 4 R dargestellt. Gesamt betrachtet mag ich diesen Newsletter immer noch, dennoch hat sich etwas geändert, was mich zum Nachdenken anregt.

Der Autor spricht in keiner Weise über die Positionsgrößenbestimmung. Und tatsächlich machen Value-orientierte Anleger, wie Warren Buffet Statements wie „Diversifikation ist nur ein anderes Wort für Ignoranz“, also ist es leicht nachzuvollziehen, warum dies so ist. Wie auch immer dem sei, empfahl der Redakteur in der Januar Ausgabe von Extreme Value, dass Sie Ihr gesamtes Kapital in lediglich vier Aktien (und alle diese haben große, bekannte Namen) stecken könnten (oder sollten). Und dass Sie ihr Geld dort für eine lange Zeit lassen sollten. Wenn Sie dies getan haben, dann sollten Sie für ihr Leben ausgesorgt haben. Es tut mir zwar sehr leid dies zu sagen, aber jeder, der solch eine Empfehlung gibt, wird von Bord gehen. Und ich habe das Gefühl, dass es meine Pflicht ist, Sie zu warnen. Begegnen Sie Aktienempfehlungen immer mit der gebührenden Sorgfalt, und seinen Sie immer vorsichtig (und verstehen Sei Ihr Risiko) wenn Sie Regeln bezüglich der Positionsgrößenbestimmung oder der Risikokontrolle ignorieren, die wir für gewöhnlich lehren.

Verteilen Sie niemals Ihr gesamtes Kapital auf lediglich vier Aktien – vor allem mit der Absicht diese für immer zu halten. Im Laufe der Zeit verschwinden auch die größten Unternehmen, und Sie werden nicht wissen, ob dies früher oder später passieren wird. Gehen Sie in das „EpcotCenter“ im Disney World, Orlando. Werfen Sie einen Blick auf die großen Firmen, die in den 60er Jahren alles mögliche gesponsert haben. Diese Firmen waren die Lieblinge der Wall Street. Und wo sind sie heute? Wo ist Xerox? Wo ist Eastman Kodak? Und wo ist GE, seit Jack Welsh im Ruhestand ist?

Wir planen die Newsletter-Empfehlungen alle 6 bis 12 Monate zu aktualisieren, und sie höchstwahrscheinlich in weiterer Folge als Spezialreport abrufbar zu machen. Wir werden unsere Liste vermutlich Ende Juni aktualisieren, und es würde mich nicht überraschen, wenn Extreme Value weiterhin einen großen Vorsprung hätte, weil der Redakteur bereits in der Vergangenheit exzellente Empfehlungen abgegeben hat. Dies unterliegt jedoch der Prämisse, dass Sie lediglich 1 % Ihres Portfolios mit jedem Trade riskieren. Wenn Sie sich auf einzelne Investments konzentrieren und dabei quasi Haus und Hof riskieren, und diese dann für immer halten, dann sind Ihre Resultate entweder kometenhaft gut oder desaströs.

Ich möchte allen die sich an Newsletterempfehlungen halten, zwei grundlegende Faktoren großartigen Investments empfehlen. Vergessen Sie niemals einen Stopploss für den Worst-Case parat zu haben. Und konzentrieren Sie sich zu jeder Zeit auf weise Positionsgrößenbestimmung. Und wenn jemand sagt, dass ein Investment so gut ist, dass Sie auf keine der beiden Empfehlungen hören sollen, dann laufen Sie so schnell Sie Ihre Beine tragen.

Falls Sie im übrigen einen Newsletter kennen, den Sie mit den anderen Newslettern vergleichen wollen die wir evaluieren, dann schicken Sie uns ein Set an R-Vielfachen von den geschlossenen Trades des Newsletters und wir bestimmen die Systemqualitätszahlen und werden ihn in unseren Juni-Report inkludieren. Diesen Report erhalten Sie von uns völlig kostenlos. Das Format für die R-Vielfachen sollte in jener Form erfolgen, wie wir sie in der zweiten Ausgabe von „Trade Your Way To Financial Freedom“ empfehlen.

TJ-Fazit:
Empfehlungen sind immer mit Vorsicht zu genießen. Der Zeitpunkt und die Rahmenbedingungen sind ausschlaggebend.

Verwenden Sie auch dann Stopps, wenn Sie eine value-orientierte Strategie befolgen.

Stecken Sie Ihr Geld niemals in lediglich 4 Aktien und lassen diesen dann für die Ewigkeit in Ihrem Depot. Erstellen Sie einen Worst-Case-Plan.

Übernehmen Sie für die Befolgung von Empfehlungen selbst die Verantwortung. Denn Sie haben sich auch dazu entschlossen, diesen nachzukommen.

Quelle des Artikels: www.traders-journal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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