Analyse
13:00 Uhr, 13.05.2016

Das Problem mit dem Gewinnwachstum

Die Berichtssaison ist im vollen Gange und zeigt wie schwer es für Unternehmen ist zu wachsen. Das gilt nicht nur für den Rohstoffsektor, sondern für alle Branchen.

Erwähnte Instrumente

  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 2.064,11 Pkt (Chicago Mercantile Exchange) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung
  • S&P 500 - WKN: A0AET0 - ISIN: US78378X1072 - Kurs: 2.064,11 Pkt (Chicago Mercantile Exchange)

Der Gewinnrückgang im Rohstoffsektor ist keine Überraschung. Was hingegen durchaus überrascht ist das zähe Wachstum in anderen Branchen. Entweder bleibt das Wachstum unter den Erwartungen oder Unternehmen schrumpfen. Erklärungen dafür gibt es viele, doch die wenigsten sind wirklich stichhaltig.

Unternehmen führen immer wieder den starken US-Dollar als Grund für fehlendes Wachstum an. Nun muss man allerdings festhalten, dass ein starker Dollar das Wachstum historisch gesehen selten zum Erliegen gebracht hat. Darüber hinaus wertete der Dollar in den letzten 12 Monaten kaum noch auf. Im vergangenen Jahr pendelte der DOllar-Index in einer Range von ±5 %.

Seit Ende 2015 nennen Unternehmen nun vermehrt gestiegene Lohnkosten für langsameres Wachstum bzw. schrumpfende Gewinne. Auch das ist bestenfalls eine notdürftige Entschuldigung. Die Löhne steigen weltweit nur sehr zaghaft an. In den USA ist das Lohnwachstum ein klein wenig höher als andernorts, doch auch dort halten sich die Kostensteigerungen mit 2 % pro Jahr in Grenzen.

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Vielmehr scheint das fehlende Gewinnwachstum auf einen anderen Umstand zurückzuführen zu sein.

In den USA, aber auch weltweit, liegt das Produktivitätswachstum nur noch knapp über der Marke von 0 %. Auf Jahressicht stieg die Arbeitsproduktivität in den USA um 0,6 %. Das heißt, dass mit der gleichen Anzahl an Ressourcen nur 0,6 % mehr produziert werden kann.

Grafik 1 zeigt das Produktivitäts- und Gewinnwachstum für die USA seit 1948. Beide Zeitreihen laufen parallel. Je mehr ein Unternehmen mit konstanten Ressourcen produzieren kann, desto stärker wächst der Gewinn.

Wächst die Produktivität nicht, dann ist das Wachstum nur sehr langsam. Unternehmen können nur mehr produzieren, indem sie mehr Personal einstellen. Die Kosten für die Produktion sinken dabei nicht. Im Gegenteil, sie steigen mittelfristig, da die Lohnkosten stärker steigen, wenn erst Vollbeschäftigung erreicht ist. Die Margen sinken.

Die US-Wirtschaft leidet noch nicht unter Arbeitskräftemangel. Die Situation ist allerdings regional sehr unterschiedlich. Zudem herrscht in einigen Branchen eine Knappheit an qualifizierten Arbeitskräften.

Das mangelnde Produktivitätswachstum erklärt das langsame Gewinnwachstum, aber auch das zähe Wirtschaftswachstum. Vereinfacht ausgedrückt ist die Wirtschaftsleistung die Summe aller produzierten Leistungen (Güter und Dienstleistungen). Die Wirtschaftsleistung steigt, wenn mehr produziert wird. Da pro Arbeitnehmer jedoch eine konstante Menge produziert wird, wächst die Wirtschaft nur, wenn mehr Menschen eingestellt werden. Das Jobwachstum hat Grenzen und so hat auch das Wirtschaftswachstum ohne Produktivitätssteigerungen enge Grenzen.

Das „gesunde“ Wachstum einer Wirtschaft wird durch die Produktivität bestimmt. Geht man im Extremfall von Vollbeschäftigung aus, dann kann die Wirtschaft nur so schnell wachsen wie die Produktivität steigt. Wächst die Wirtschaft dennoch schneller, dann überhitzt sie. Von einer Überhitzung sind wir in den USA und in vielen anderen Regionen noch ein Stück entfernt. Eine Überhitzung tritt jedoch nicht ein, wenn die Wirtschaft mit 4 % oder 5 % expandiert, sondern in Deutschland z.B. mit gut 2 %.

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Über die Gründe des mangelnden Produktivitätswachstums herrscht keine Einigkeit. Pessimisten gehen davon aus, dass es an Innovation fehlt. Persönlich halte ich das nicht für sehr plausibel. An Innovationskraft mangelt es nicht und schon in früheren Zeiten dachte man immer wieder, das Ende des Wachstums sei erreicht, weil nun keine bahnbrechenden Innovationen mehr möglich seien. Ein Extrembeispiel: Noch vor 200 Jahren dachte man, die Pferdekutsche sei das höchste der Gefühle im Transport. Dann kamen die Eisenbahn und das Auto.

Man muss mit Annahmen vorsichtig sein, die davon ausgehen, dass Innovation und Fortschritt kaum noch möglich sind. Das Problem des mangelnden Produktivitätswachstums ist vielmehr eine Folge der Großen Rezession. Unternehmen hörten de facto auf zu investieren und hinken noch immer mit Investitionen hinterher. Unternehmen sind risikoscheu und überdenken jede Investition mehrfach, bevor sie einen Dollar oder Euro ausgeben.

Ein anderer Aspekt ist etwas diffuser, aber ebenso stichhaltig. Die hohe Arbeitslosigkeit, die viele Jahre anhielt und in Europa noch immer an der Tagesordnung ist, hat einen großen Einfluss auf die Produktivität. Wer jahrelang unbeschäftigt war, verliert Wissen und Fähigkeiten. Wer nach langer Zeit wieder in den Arbeitsmarkt eintritt, muss neu eingelernt werden. Das ist viel Zeit, in der die Produktivität gering ausfällt.

Bis Unternehmen wieder mehr investieren und Arbeitnehmer im Durchschnitt wieder die Produktivität der Vorkrisenzeit erreichen, werden noch Jahre vergehen. Überdurchschnittliches Gewinn- und Wirtschaftswachstum wird auf absehbare Zeit gering bleiben.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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