Kommentar
07:00 Uhr, 18.03.2010

Das neue Produktinformationsblatt – so überflüssig wie ein Kropf

Nun ist es also endlich da, das erste lang ersehnte dreiseitige „Produktinformationsblatt" des Deutschen Derivate Verbandes (DDV) - zunächst noch als Muster für die Kategorie Bonus-Zertifikate, später soll es dann alle elf identifizierten Bereiche umfassen. Ziel dabei ist, das jedes am Markt gelistete Papier gegenüber dem Anleger seinen eigenen standardisierten „Steckbrief" bekommt. Das Branchenorgan folgt damit aufbauend auf dem Grundraster des Bundesverbands deutscher Banken, brav den Forderungen von Bundesregierung und Anlegerschutzorganisationen nach einer Vereinheitlichung.

Zusatznutzen Fehlanzeige – Hauptsache der Kunde zahlt

So weit so gut – endlich also eine Information mit der auch der häufig etwas unbedarftere Anleger etwas anfangen können sollte. Also „nicht immer nur diese unverständlichen Term- oder Factsheets der einzelnen Anbieter, die sowieso nur für geübte Investoren lesbar sind." Doch welche Enttäuschung - bereits der erste Blick macht unweigerlich klar, dass da etwas mit schneller Nadel zusammengestrickt wurde, was es sowieso schon immer von Anbieterseite her gibt. Keinerlei Zusatzinformation geschweige denn eine bessere Aufbereitung des Ganzen. Zudem sind auch die Produktblätter natürlich nur statischer Natur und können dem potentiellen Investor bei einem späteren Einstieg keine zusätzliche Hilfestellung geben. Da hilft auch eine ähnlich wie in jedem beliebigen Produktflyer gestaltete Szenarioanalyse wenig, die hier allerdings ganz witzig in Ampelfarben dem Anleger sagt, was gut oder schlecht für ihn ist. Dies zeigt wiederum, dass hier mehr Marketing-Leute am Werk waren als echte Zertifikate-Spezialisten. So bleibt dem DDV in seiner Presseerklärung auch nichts weiter übrig, als die zusätzlich im Produktinformationsblatt enthaltene und von der Mehrzahl seiner Mitglieder berechnete Risikokennzahl fast schon als das siebte Weltwunder zu betrachten. Was dabei aber übersehen wird, ist, dass jede weitere Auflage an die Branche ganz unnötigerweise die Produktkosten in die Höhe treibt. Denn eines ist sicher, die Emittenten werden wohl kaum ihre Zusatzaufwendungen aus der eigenen Tasche bezahlen.

„Wer nicht will, der hat schon"

Insofern wäre etwas weniger Aktionismus von allen an dem Projekt beteiligten Seiten dringend vonnöten gewesen, zumal die neue Zusatzinformation gerade ihre vom DDV propagierte Eignung für Anleger schuldig bleibt, die bisher nichts oder nur wenig mit Zertifikaten zu tun hatten. Dies führt wiederum zu dem an dieser Stelle immer wieder angesprochenen Kernproblem des Ganzen, Zertifikate ähnlich wie Konsumgüter zu behandeln, die grundsätzlich jedem Anleger nutzbar gemacht werden können. Ein absoluter Irrglaube und Kardinalfehler, denn wer nicht ein gewisses Faible für strukturierte Investments bzw. zumindest eine gewisse Bereitschaft, sich dieses anzueignen, mitbringt, ist bei mindestens 95 Prozent aller gelisteten Papiere fehl am Platz. Das dabei ein großer Teil der Bevölkerung durch das Raster fallen muss, dürfte eigentlich jedem klar sein und ist angesichts der Komplexität der Materie auch ganz normal. In kaum einer anderen Branche wird zumindest informationstechnisch schon so viel von den einzelnen Anbietern für die Aufklärung der Kunden getan wie hier. Dazu passt deshalb auch der alte Trinkspruch vom Pferd, dass man immer nur zur Tränke führen kann, „saufen" also in diesem Fall sich mit derivativen Produkten zu beschäftigen, muss es bzw. der Investor aber immer noch selbst. Das Dumme dabei nur: Der moderne Mensch möchte sich in seiner Freizeit mit allem beschäftigen, nur eben nicht unbedingt mit Zertifikaten. Bereits gängige Begriffe in diesem Zusammenhang wie „Option" oder „Future" lösen bei den meisten Mitmenschen fast schon Schmerzgefühle aus.

Lieber ein richtiges „Standing" als unnötige „Add-ons"

Die vollmundig ausgerufene Transparenzoffensive des Verbandes, geht deshalb auch weitgehend am eigentlichen Ziel vorbei und darf immer nur als „Nebenkriegsschauplatz", nicht aber wie bislang als Selbstzweck verstanden werden. Was hier eindeutig fehlt, sind Herzblut und der Mut, auch einmal Stellung für „seine" Branche zu beziehen. Das beginnt bereits bei der Ablehnung von so unnötigen Dingen wie einem soundsovielten Produktinformationsblatt, mit dem kein weiterer Anleger gewonnen, geschweige denn besser aufgeklärt wird und sollte dort enden, wo der einst so gute Ruf einer aufstrebenden Anlageklasse auf dem Spiel steht, nämlich in der breiten Öffentlichkeit, die wenig Interesse dafür besitzt, wie ein bestimmtes Papier in einzelnen funktioniert. Stattdessen können leider noch immer, wie auch diese Woche wieder in einschlägigen Diskussionssendungen geschehen, Anlage-Zertifikate unkommentiert zum Sündenbock für alles, was im Finanzwesen schief läuft, gestempelt werden. Wo bleibt da die Richtigstellung bzw. überhaupt eine Form von Interessenvertretung der Branche in den Medien, die zumindest einen Teil der völlig überforderten Bevölkerung zum Nachdenken bringen könnte? Der eigentliche „Point of sale" ist derzeit nämlich eher dort zu finden und nicht unbedingt immer nur am Bankschalter. Lehman und seine Folgen lassen sich eben nicht so einfach nur aussitzen und totschweigen, wie bislang wohl immer noch gedacht. Schade nur, dass es Charakterköpfe wie Uli Hoeneß, die alles für ihren „Verein" tun, in der Zertifikatebranche nicht gibt.

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Über den Experten

Armin Geier
Armin Geier

Armin Geier beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren sehr intensiv mit Anlage-Zertifikaten. Begonnen hat sein berufliches Interesse im Jahr 2000, als er bei einem Münchner Internet-Portal über mehrere Jahre die erste Datenbank für diese spezielle Materie aufbauen konnte und dadurch die rasante Entwicklung dieser Spezies damals noch ganz hautnah Produkt für Produkt mitbekam. Wie sehr sich die Zeiten seitdem verändert haben, kann man allein an der Explosion der Produktzahl von anfangs nicht einmal 3.000 auf heute über eine Million Stück erkennen. Bei seinen nächsten Stationen wechselte er dann ganz in den journalistischen Bereich über, ohne seine Vorliebe für die diversen Produktstrukturen aufzugeben, an denen ihm nach wie vor gerade wegen ihrer asymmetrischen Chance-Risiko-Profile sehr gelegen ist. Insbesondere interessiert ihn dabei die Möglichkeit, aus Einzelansätzen langfristig funktionierende Strategien zu entwickeln. Leider wird dieser Zielsetzung seit Lehman vor dem Hintergrund einer immer kurzfristigeren Denkweise an den Märkten von Emittentenseite immer weniger entsprochen. Bei der BörseGo AG/Godmode-Trader ist Armin Geier seit sechs Jahren mit journalistischen Beiträgen in diversen Rubriken und Publikationen als Experte für Anlage-Zertifikate präsent.

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