Kommentar
09:57 Uhr, 16.10.2015

Das kann doch nicht gut gehen

Im Sommer wurden die Kurse in die Knie gezwungen. Seit die Jahresendrallye nun läuft wird gekauft als gäbe es kein Morgen mehr. Der Dax hat in den vergangenen zweieinhalb Wochen knapp 10% gut gemacht. Ist das nachhaltig?

Fundamental hat sich zwischen Juli und Oktober wenig geändert. Die Trends hingegen sind vollkommen andere. Während Aktien bereits im Mai ihr bisheriges Jahreshoch markierten und daraufhin bis Mitte August langsam abwärts tendierten, dann Ende August in einen Crash übergingen und nun schnell steigen, hat sich auf der Makroebene wenig getan. Wenn man überhaupt eine Veränderung auf der Makroebene erkennen kann, dann eine Wende zum Schlechteren. Der Markt ignoriert dies vollkommen.

Die Börse handelt die Zukunft. Mit viel Fantasie kann man vermuten, dass Anleger eine Verbesserung der Lage erwarten. Nach der Eintrübung der wirtschaftlichen Aussichten muss man jetzt kaufen, wenn man über die kommenden 6 Monate von einer Verbesserung ausgeht. Diese Erwartung wird vermutlich enttäuscht werden.

Wirtschaftlich befindet sich China nach wie vor im Abschwung. Die Situation ist absolut unverändert im Vergleich zu August. Der einzige Unterschied ist die Wahrnehmung. Als China den Yuan abwertete waren Anleger in Panik. Sie befürchteten eine neue Weltwirtschaftskrise. Rein historisch gesehen kommen solche Krisen nicht häufiger als alle 5 Jahre vor. Die Wahrscheinlichkeit für eine neue, globale Krise war im August praktisch null. Gefühlt lag sie bei 100%. Inzwischen haben Anleger erkannt, dass die Welt nicht in die Rezession fällt. Zwischen „ausbleibender Weltwirtschaftskrise“ und „Aufschwung“ besteht ein großer Unterschied. Anleger haben relativ schnell vom Krisenmodus in einen Euphoriemodus gewechselt. Wird das nicht bestätigt, dann ist die Enttäuschung groß.

Für Anleger weltweit gilt die US Börse als Taktgeber. Fallen die Kurse dort, dann ist in anderen Regionen kaum mit neuen Allzeithochs zu rechnen. Als Anleger muss man sich daher detailliert mit der US Wirtschaft auseinandersetzen.

Die US Wirtschaft steht auf einem soliden Fundament. Eine Wachstumsbeschleunigung ist jedoch nicht mehr zu erwarten. Die Wachstumsrate von 3,9% im zweiten Quartal 2015 markiert vermutlich ein zyklisches Hoch. Der Stellenaufbau verlangsamt sich. Zu der Gesamtzahl an Beschäftigten (140 Mio.) kommen immer weniger neue hinzu. Das bedeutet: immer weniger zusätzliche Konsumenten. Die US Wirtschaft ist stark vom Inlandskonsum abhängig. Konsum kann über drei Arten gesteigert werden: steigende Reallöhne, mehr Arbeitnehmer oder mehr Kreditaufnahme. Die Reallöhne steigen nicht und US Konsumenten haben ihr Kreditlimit schon fast wieder erreicht. Was bleibt, das sind mehr Beschäftigte. Genau hier flacht der positive Trend ab. Ein überproportionales Konsumwachstum ist absolut unwahrscheinlich.

Für Unternehmen bedeutet ein moderat steigender Konsum nur moderat steigende Gewinne. Unternehmensgewinne sind letztlich das, was die Kurse langfristig bestimmt. Momentan werden die leicht steigenden Gewinne aus dem US Geschäft von anderen Faktoren wettgemacht. Der starke Dollar reduziert die Auslandsgewinne. Unterm Strich fallen die Gewinne dadurch bei vielen Unternehmen. Der Abschwung in China und vielen anderen Schwellenländern wird das Gewinnwachstum ebenfalls nicht unterstützen. Es ist mittelfristig auch hier von einem negativen Beitrag auszugehen – also sinkenden Gewinne.

In den letzten Quartalen konnten Konsumgüterproduzenten noch einigermaßen gut abschneiden. Das lag vor allem an niedrigen Rohstoffpreisen. Konsumenten hatten mehr Geld zur Verfügung, um Konsumgüter zu erwerben. Gleichzeitig sorgten die niedrigen Rohstoffpreise für fallende Gewinne bei Rohstoffproduzenten. Viele rutschten in die Verlustzone. Mittelfristig dürften Rohstoffpreise wieder steigen und damit auch die Gewinne der entsprechenden Sektoren. Gleichzeitig wird der Gewinn im Konsumgüterbereich stagnieren oder rückläufig sein, weil Verbraucher wieder mehr für Energie ausgeben müssen. Unterm Strich stagnieren die Gewinne bestenfalls.

Die Grafik zeigt den Dow Jones Industrial seit 1896 und die Entwicklung des Gewinns je Aktie. Die Gewinne brechen seit Ende 2014 weg – getrieben vom Rohstoffsektor und einem starken Dollar. Der Einbruch ist inzwischen ziemlich signifikant. Es ist nicht mehr nur ein kleiner Rückgang wie 2011. Wenn Anleger auf einen baldigen Turnaround setzen, dann sind sie sehr optimistisch.

Es fehlt derzeit an Impulsen, die die Gewinne steigen lassen könnten. Der US Dollar bleibt auf absehbare Zeit stark, die US Wirtschaft kühlt sich ab und viele Schwellenländer befinden sich in einer Rezession oder im Abschwung. Woher soll unter diesen Umständen Gewinnwachstum kommen?

Die derzeitigen Kurssteigerungen gehen an der fundamentalen Situation vorbei. Saisonal befinden wir uns im besten Quartal des Jahres. Die Jahresendrallye läuft und wird – unterbrochen von kleineren Kursrücksetzern – weiterlaufen. Spätestens Mitte des ersten Quartals 2016 werden Anleger die fundamentale Entwicklung nicht mehr ignorieren können. Wenn der Dollar bis dahin keinen Abwärtstrend etabliert und Rohstoffe wieder zu fallen beginnen, dann wird der Markt weiter korrigieren.

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11 Kommentare

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  • 1 Antwort anzeigen
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Es herrscht also 100% Optimismus? Bei wem?

    Man könnte es ja auch andersrum betrachten: Wie würde sich denn ein Staatsbankrott von Brasilien oder Saudi-Arabien auf die Börsen weltweit auswirken?

    13:00 Uhr, 16.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • Hoeli
    Hoeli

    Bin kein Verschwörungstheoretiker oder Crash-Prophet. Bin auch nicht Short bis unter die Dachkante positioniert. Das vorweg.

    Aber das was an den US-Märkten (und auch Europa) aktuell läuft ist m.M.n nicht normal. Erst absolute Crash-Stimmung durch China und die Schwellenländer, jetzt werden diese fundamentalen Zerwürfnisse auf einmal durch ein MÖGLICHERWEISE verschobene Zinswende in den USA negiert?!

    Wer bringt eigentlich jedesmal ins Spiel, dass die Zinswende verschoben wird? Auch Dudley hat dies gestern nicht explizit getan, obwohl dies in fast allen Medien so dargestellt wird.

    Und abgesehen davon reden wir immer noch von einer sehr, sehr, sehr moderaten Anpassung der Zinsen, die den aktuellen Status Quo, was die Liquidität am Markt betrifft, sowieso kaum nachhaltig beeinfluss wird.

    Warum wird dieser (ausbleibenden) Zinswende also so viel Unterstützungspotential zugemessen?

    Scheint wohl manchen in die Karten zu spielen. ;-)

    11:05 Uhr, 16.10.2015
    1 Antwort anzeigen
  • ASTLUX
    ASTLUX

    Hallo,

    hier ein interessanter Artikel zum Thema sinkende Gewinne und dennoch steigende Kurse. Parrallele zu 1985. Gewinne der Energieunternehmen sinken zwar, jedoch wirkt sich dies positiv auf die Gewinne der übrigen Unternehmen aus.

    http://uk.businessinsider.com/barclays-profit-marg...

    Nur fällt diese Differenzierung bei einer aggregierten Gewinnbetrachtung sämtlicher DJ Werte nicht auf. Siehe deswegen Figure 4 in dem Link.

    Könnte eine Erklärung sein.

    10:18 Uhr, 16.10.2015
  • ASTLUX
    ASTLUX

    Hallo

    10:11 Uhr, 16.10.2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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