Kommentar
11:48 Uhr, 05.10.2015

Das ist die größte Gefahr für unser Wirtschaftssystem!

Wenn der freie Markt versagt müssen Maßnahmen ergriffen werden, um das Versagen zu korrigieren. Dafür wird es höchste Zeit.

In den vergangenen Jahren wurde viel über die Geldpolitik debattiert. Es wurde diskutiert, ob Notenbanken so viel Macht haben sollten und ob es nicht besser wäre, die Zinspolitik an feste Regeln zu binden. Feste Regeln haben einen klaren Vorteil. Notenbanken können nicht mehr nach eigenem Ermessen Billionen in den Markt pumpen. Nachteil ist das Versagen der Regeln.

Die wirtschaftliche Entwicklung im Zusammenhang mit der Geldpolitik der Notenbanken wird noch immer nicht besonders gut verstanden. Bis es soweit ist, werden noch viele Jahre vergehen, denn so viele Theorien es auch gibt, sie bleiben, was sie sind: Theorien. In der Ökonomie entstehen Theorien und Modelle oft auf Basis von beobachteten Daten. Die Modelle versuchen die beobachteten Daten zu erklären. Oftmals gelingt das jahrelang sehr gut, doch dann taucht eine Situation auf, in der das Modell auf einmal gar nicht mehr passt.

Der Zusammenhang von Beschäftigung und Inflation wird durch die Philips-Kurve beschrieben. Im Prinzip zeigt sie einen einfachen Zusammenhang: je niedriger die Arbeitslosigkeit, desto höher die Inflation. Die US Notenbank kämpft gerade damit, an diesen Zusammenhang noch zu glauben. Das Modell beschreibt das, was derzeit geschieht, einfach nicht besonders gut.

In den USA wird nach wie vor diskutiert, ob die Zinspolitik der Notenbank nicht nach einer festen Regel gestaltet werden soll. Dazu soll die Taylor-Regel angewendet werden. Hier wird der Zins mechanisch aufgrund von Inflation und Output der Wirtschaft bestimmt (nähere Hintergründe in einem früheren Artikel von mir). Die Taylor Regel mag für viele Jahrzehnte den korrekten Zins vorgegeben haben, doch wenn sich das Umfeld verändert, dann kann die Regel grandios scheitern. Die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind so komplex, dass sie noch viel zu wenig verstanden werden. Wirklich langfristig zuverlässige Regeln zu finden ist sehr schwierig.

In einem Bereich wäre es recht einfach, doch dieser Bereich wird ignoriert. Es ist dabei ein Bereich, der die Wirtschaft eines Landes komplett auf Grund laufen lassen kann. Man sollte dem Bereich also viel mehr Aufmerksamkeit schenken als es derzeit getan wird. Dabei handelt es sich um die Reallohnentwicklung.

Die Reallohnentwicklung ist seit Jahren eine Enttäuschung. Das gilt nicht nur für Länder wie die USA. Es gilt in gleichem Ausmaß für Deutschland und viele andere Länder gleichermaßen. Grafik 1 zeigt die Reallohnentwicklung in den USA. Der dargestellte Index ist mit leichter Abwandlung ein vom BLS (Bureau of Labor Statistics) zur Verfügung gestellter Index. Dieser zeigt eine leicht steigende Tendenz der Reallöhne.

Andere Indizes deuten eine andere Entwicklung an. Sie zeigen nach unten und gehen von sinkenden Reallöhnen aus. Ob die Reallöhne in den vergangenen Jahren leicht gesunken oder leicht gestiegen sind ist sekundär. Viel wichtiger ist die Lücke, die zwischen der Reallohnentwicklung und der Produktivität klafft.

Die Lücke findet sich nicht nur in den USA. In Deutschland ist sie gleichermaßen erkennbar. Während die Produktivität tendenziell steigt, bleiben die Reallöhne stabil. Seit 2010 steigen sie, doch sind damit noch immer nicht höher als 1992. Das ist ein wirtschaftliches Problem.

Je produktiver ein Arbeiter ist, desto mehr Output erzeugt er. Wenn nun aber mehr erzeugt wird, die Menschen jedoch nicht mehr verdienen, wer soll dann den zusätzlichen Output kaufen?

Auf diese Frage hat noch kein Land dieser Welt eine Antwort gefunden, dabei ist die Frage überlebenswichtig. Reallöhne steigen nicht. Gleichzeitig wird mehr produziert. Die Rechnung kann auf Dauer nicht aufgehen. Sie geht momentan nur auf, weil sich Haushalte und Regierungen verschulden. Sie geben Geld für Produkte aus, welches sie nicht über Arbeit verdienen.

Die Möglichkeit, mangelnde Lohnsteigerungen durch Kredite auszugleichen, hat Grenzen. Eine solche Grenze wurde 2008 in den USA erreicht. Die Folgen waren katastrophal. Haushalte haben sich inzwischen entschuldet. In dieser Zeit kompensierte die Regierung die fehlenden Konsumausgaben durch hohe Staatsdefizite. Jetzt sinken die Defizite, dafür geben die Konsumenten wieder mehr aus, indem sie ihre Kredite ausweiten. Es ist nur eine Frage der Zeit bis das wieder schief geht.

Das Kernproblem ist letztlich, dass Unternehmen die Produktivitätssteigerungen nicht mehr in Form von Lohnerhöhungen an die Mitarbeiter weitergeben. Bis in die 70er Jahre war das üblich. Seitdem die Löhne nicht mehr im gleichen Ausmaß steigen wie die Produktivität, weist die US Wirtschaft eine Abwärtstendenz bei Wirtschafts- und Produktivitätswachstum aus. Ersteres ist ein klarer Zusammenhang, letzteres nur eine Vermutung. Wen Mitarbeiter vom Erfolg eines Unternehmens nicht mehr profitieren, dann ist der Anreiz für Leistungssteigerungen wahrscheinlich gering.

Wie dem auch sei, viele Wirtschaften werden brutal gegen die Wand fahren, wenn die Löhne weiterhin stagnieren und die Produktivität wächst. Unternehmen erwirtschaften durch die „Lohndisziplin“ höhere Margen als früher. Dieses Geld, der Gewinn, wird an den Faktor Kapital (und nicht Arbeit) ausgeschüttet. Der Faktor Kapital verdient heutzutage deutlich besser als Arbeit, obwohl er nicht notwendigerweise mehr zur Produktivität beiträgt.

Die Überkompensation des Faktors Kapital begünstigt die Konzentration von Vermögen und Einkommen. Ist die Konzentration zu hoch, dann wird das System instabil. Es wird nicht morgen und auch nicht übermorgen zu einem Systemkollaps kommen. Geht die Entwicklung hingegen so weiter wie bisher, dann wird er sich nicht vermeiden lassen. Es wird allerhöchste Zeit, dass die Reallohnentwicklung einer Regel unterworfen wird (gekoppelt an Produktivitätssteigerungen), denn das derzeitige Marktversagen gefährdet das ganze Wirtschaftssystem.

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23 Kommentare

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  • Henry Clark
    Henry Clark

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    00:56 Uhr, 09.10. 2015
  • kopfsache
    kopfsache

    die usa sind jetzt bei 62,5% erwerbsquote angekommen. die anderen nehmen nicht am "erwerbsleben" teil. also wenn ich das jetzt nüchtern betrachte, pumpte die fed billionen in den finanzmarkt um was genau zu tun ??? was hilft da die beste medizin, wenn der patient länst tod ist :-(

    17:21 Uhr, 05.10. 2015
  • Ricco
    Ricco

    Zitat: Der Zusammenhang von Beschäftigung und Inflation wird durch die Philips-Kurve beschrieben. Im Prinzip zeigt sie einen einfachen Zusammenhang: je niedriger die Arbeitslosigkeit, desto höher die Inflation. Die US Notenbank kämpft gerade damit, an diesen Zusammenhang noch zu glauben. Das Modell beschreibt das, was derzeit geschieht, einfach nicht besonders gut.

    Würde man die Arbeitslosenzahlen nicht dermaßen schönigen, könnte diese Regel noch stimmen. Diese Pfuscherei geht jetzt nach hinten los..

    15:36 Uhr, 05.10. 2015
  • Swiss Investor
    Swiss Investor

    Kann es nicht sein, dass die Weltwirtschaft wie kommunizierende Röhren funktioniert. In gewissen Teilen der Welt (China Vietnam Afrika Osteuropa etc.) sind die Löhne zu tief, daher ist die Produktivität höher (es wird zu tieferen Kosten produziert). Dieses Ungleichgewicht kann nur gelöst werden, indem wir billiger produzieren, also den Output erhöhen mit tieferen Kosten. Darum müssen bei uns die Reallöhne sinken und in den andern Ländern steigen, bis annähernd das gleiche Niveau erreicht wird - aber das wird noch Jahre dauern.

    Das Kapital ist flexibel und fliesst dorthin, wo der grösste Gewinn lockt, es wird sich deshalb vermehren und erzielt darum auch mehr Rendite, wie Arbeit.

    14:59 Uhr, 05.10. 2015
  • shark
    shark

    Zu Recht weisen Sie Hr..Schmale auf die zunehmende Vermögens-und Einkommens-konzentration hin, sowie stagnierende bzw sinkende Reallöhne .

    Das strukturelle Umfeld von heute ist desweiteren durch eine sehr hohe Verschuldung in allen Bereichen gekennzeichnet, sprich Privathaushalte,Firmen Staat ..

    Die Probleme heute liegen auf der Nachfrageseite,weil es in vielen Bereichen an Kaufkraft bzw Kreditspielräumen fehlt und nicht auf der Angebotsseite Leider wurde dies bisher von den Staaten bzw Notenbanken nicht erkannt bzw negiert und darum

    steuern wir tendenziell auch in eine Deflation .!.

    13:15 Uhr, 05.10. 2015
  • Marco Soda
    Marco Soda

    Ein Beispiel im Frühjahr wollte ich meinen Wagen erneuern, der Kaufvertrag für den neuen war Unterschriftsreif, für den alten lag ein Gutachten vor. Es gab keinen der Interessenten der diesen bezahlen wollte, Abschläge von 20-25% waren die Regel, nicht das beste beispiel aber ein Hinweis !

    13:13 Uhr, 05.10. 2015
  • Floyd K
    Floyd K

    "Dieses Geld, der Gewinn, wird an den Faktor Kapital (und nicht Arbeit) ausgeschüttet."

    Das mag in den USA noch stimmen. In Deutschland ist es sehr fragwürdig. Immer wieder wird "vergessen", dass der Staat durch sein überbordendes Steuer- und Abgabensystem Arbeitnehmer und auch die Unternehmen erheblich mehr belastet. Schließlich liegt die Verdoppelungsrate der staatlichen Einnahmen bei ungefähr 10 Jahren!

    Das Mehr an Produktivität kassieren Finanzämter und Behörden, also die Politik. Die aber können mit diesem Segen überhaupt nicht umgehen und produzieren immer mehr Schulden, aber das ist schon wieder eine neue Geschichte...

    Jedenfalls hat die simple Sozi- Betrachtung, das die bösen Unternehmer ihre Zusatzgewinne nicht weitergeben eine systemische Lücke, wenn man den großen Abkassierer dazwischen einfach außer Betracht lässt.

    13:11 Uhr, 05.10. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    siehe hierzu nochmal 12:45 mehr Geld bei den Verbrauchern wird nicht viel nützen

    13:02 Uhr, 05.10. 2015
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    wieso aber, ist doch unter Punkt 1 enthalten ??

    12:57 Uhr, 05.10. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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