Das größte emotionale Problem für Trader
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Erst vor einiger Zeit habe ich in meinem Blog gemeint, dass Trader größeren emotionalen Hürden gegenüberstehen als Angst und Gier: Überkonfidenz. Überkonfidenz verleitet uns dazu zu viel Risiko für eine zu kleine Belohnung einzugehen. Sie bringt uns dazu unser hart verdientes Geld auf unbestätigte und nicht getestete Marktsignale zu wetten. Tatsächlich, sogar fast per Definition, beginnen Tradingneulinge in einem Zustand der Überkonfidenz. In welchem anderen Leistungsfeld – sei es nun Sport, Musik oder Schach – würde ein Newcomer versuchen es mit erfahrenen Profis aufzunehmen und tatsächlich daran glauben, gewinnen zu können?
Untersuchte Researcharbeiten von Scott Plous in seinem Buch „The Psychology of Judgment and Decision Making“ belegen, dass Überkonfidenz dann am größten ist, wenn die Chancen von einzelnen Personen nur bei bestenfalls 50:50 liegen korrekt zu sein. Ein Grund hierfür wird die Gambler’s Fallacy (Spielertrugschluss) genannt. Eine Person, die die Marktrichtung einmal am Tag rät, und eine 50:50 Chance hat richtig zu liegen, wird durchschnittlich auf sechs Fälle im Jahr treffen, in denen sie fünf mal in Folge richtig liegt. Einige dieser Zufallstrader werden durch den puren Zufall früh in ihrer Karriere auf diese Gewinnserie stoßen. Entsprechend den Nachforschungen von Ellen Langer führen frühe (aber zufällige) Erfolgserlebnisse den einzelnen Trader dazu bezüglich seiner Fähigkeiten sehr großes Selbstvertrauen aufzubauen – selbst dann, wenn die Aufgabe darin liegt die Ergebnisse von Münzwürfen vorherzusagen! Der Grund hierfür liegt darin, dass sie dazu neigen den Erfolg inneren Faktoren zuzuschreiben, und zwar Können, und ihn nicht auf Wahrscheinlichkeiten bzw. situationsbedingten Gründe zurückzuführen. Der Spieler, dem eine (zufällige) Siegesserie widerfährt, ist davon überzeugt, dass er eine „gutes Händchen“ hat und erhöht seine Einsätze entsprechend. Dass das Resultat desaströs sein wird, ist vorhersehbar.
Verhalten sich Trader anders als Spieler? Nachforschungen lassen darauf schließen, dass dem nicht so ist. Terence Odean hat herausgefunden, dass Trader, die am stärksten überzeugt in ihrer Entscheidungsfindung waren, auch am öftesten getradet haben – und sie daher auch mehr Geld als andere Trader verloren hatten, da sie höhere Transaktionskosten verursachten. Eine provokative Studie der London Business School präsentierte Tradern Preisdaten, und bat die Trader darum Tradingentscheidungen aufgrund dieser Daten zu treffen. Die Trader wurden nicht darüber informiert, dass die Daten durch einen Zufallsmechanismus generiert wurden. Jene Trader, die die größte Überzeugung in ihren Entscheidungen ausgedrückt hatten, waren, wenig überraschend, auch jene, die durchschnittlich am meisten Geld verloren hatten. Die „Illusion der Kontrolle“, die von diesen Tradern demonstriert wird, kann Extreme erreichen, die bereits an der Grenze des Absurden liegen. In Langers Studien, in denen Münzwürfe als Test für „soziale Reize“ präsentiert wurden, beharrten 40 % aller Teilnehmer darauf, dass sie ihre Fähigkeiten das Ergebnis zu erraten mit Übung verbessern könnten. Und 15 % der Teilnehmer glaubten, dass erhöhte Konzentration und der Ausschluss von Ablenkungen ihre Resultate verbessern könnte.
Eine unterschiedliche Art der Überkonfidenz zeigen Untersuchungen von Tradern und Investoren, wobei diese nach ihren Erwartungen für den Markt gefragt wurden. Trader fühlen sich besser in Bezug auf ihr Können Marktrichtungen vorherzusagen, als dies gerechtfertigt wäre. In solchen Studien, wie sie beispielsweise von Investors Intelligence durchgeführt wurden, nannten sich über 70 % der Befragten entweder Bullen oder Bären – und das obwohl es ein Faktum ist, dass sich der Markt in der Mehrheit aller Fälle in Seitwärtszonen bewegt. Nachforschungen, die von Hersh Shefrain in seiner Nachbetrachtung der Behavioral Finance Studie, Beyond Greed and Fear, zitiert wurde, belegt, dass Trader nach verlängerten Anstiegen am bullishsten sind – wobei wenig erfahrene Trader am bullishsten überhaupt sind. Dies ist ein Paradoxon, da Marktreturns rein historisch betrachtet immer dann am höchsten waren, wenn Jahre der fallenden Kurse vorangegangen waren, und nicht Jahre der Stärke. Genauso ist es nicht ungewöhnlich Put-Call Ratios zu sehen, die nach einer 5-Tages-Periode von zurückgehenden Kursen erhöht sind, und dass obwohl es Faktum ist, dass Returns im Durchschnitt dann am höchsten sind, wenn fünf Tage der Schwäche vorangegangen sind, und nicht fünf Tage der Stärke. Man kann ganz einfach sagen, dass Trader von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen – und vertrauensvoll anhand dieser (falschen) Erwartungen handeln.
Ist es möglich sich gegenüber Überkonfidenz zu immunisieren? Meine persönliche Therapie um Überkonfidenz den Kampf anzusagen liegt darin meine Tradingideen zu testen und folgendes zu berechnen: a) wie oft genau mein Muster in der Vergangenheit erfolgreich gewesen wäre und b) wie groß mein P/L Vorteil innerhalb dieser Zeitspanne gewesen wäre. Diese Statistiken, über die ich auch in meinem Blog schreibe, bestärken mich in meiner Auffassung der inhärenten Unsicherheit der Märkte und bereiten mich auf die durchaus mögliche und sehr reale Möglichkeit vor, dass ich, egal mit welcher Idee, falsch liegen könnte. Dies wiederum hat mir in Bezug auf Risikomanagement sehr geholfen, da es sehr unwahrscheinlich ist, dass ich einen großen Anteil meines Tradingkapitals auf eine unsichere Position setze – selbst wenn die Chancen zu meinen Gunsten stehen. Die Vergangenheit ist nur selten eine Garantie für die Zukunft, doch wenn man annimmt, dass die Zukunft nicht besser sein wird als die Vergangenheit, können wir die Nachteile ganz nüchtern erfassen und Überkonfidenz vermeiden.
Die besten Trades sind meiner Meinung nach jene, die einem historisch gesehen einen Vorteil bieten, der mich davon überzeugt, dass meine Idee die richtige ist, jedoch gleichzeitig über die potentiellen Nachteile informiert, die mich davon abhalten überkonfident zu werden. Dass man plant, dass jeder Trade ein potentieller Verlusttrade ist, scheint auf den ersten Blick ein wenig kontraproduktiv, es hilft jedoch dabei Risikomanagement diszipliniert einzuhalten und Überkonfidenz zu vermeiden. Und das führt unter dem Strich zu riesigen Unterschieden.
TJ-Fazit:
Überhöhtes Selbstvertrauen kann für den Tradingerfolg noch schlimmere Auswirkungen haben, als Angst und Gier das tun.
Um Überkonfidenz entgegenwirken zu können, muss man sich jederzeit die Risiken eines einzelnen Trades vergegenwärtigen.
Verschiedene Studien belegen, dass das Verhalten von Tradern und Spielern oftmals sehr ähnlich ist.
Autor: Brett N. Steenbarger, Ph.D. Dieser Fachartikel wurde im Tradersjournal veröffentlicht.
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