Kommentar
09:53 Uhr, 11.06.2014

Das Experiment der Zentralbanken: Blindflug ohne Erfahrung? - Von wegen!

Zentralbanken experimentieren mit der Wirtschaft, indem sie über die Geldpolitik versuchen alles zu steuern (Zinsen, Inflation, Wachstum, Erwartungen, Vermögenswertpreise). Sie machen keinen Hehl daraus, dass sie alles zu steuern versuchen.

Gleichzeitig ist die Wirkung der Politik eine große Unbekannte. Kollege Simon Hauser hat dazu einen sehr guten Kommentar verfasst.

Ein Grund, weshalb die Wirkungen nicht ganz klar und eindeutig sind ist sicherlich die fehlende Erfahrung. Wenn man allerdings ein wenig in der Geschichte der Zentralbankbilanzen wühlt, dann stellt man fest: das alles gab es schon einmal.

Die Bilanz der amerikanischen Notenbank ist massiv aufgebläht. Die Summen sind eigentlich zu hoch für ein Experiment. In Prozent des BIPs gemessen, liegt die Fed Bilanz bei etwa 26% des Bruttoinlandsproduktes. In den 50 vorangegangenen Jahren lag der Prozentsatz nur selten nahe der 5% Marke. Geht man dann noch ein paar Jahre länger zurück, dann wird es interessant. Nach der anfänglichen Straffung der Geldpolitik nach dem Crash 1929 begann die Notenbank ab 1931 die Zügel zu lockern - und zwar nicht zu knapp. Die Bilanz wurde von 5% des BIPs auf gut 23% heraufgeschraubt. Ganze 9 Jahre wurde gelockert. In der aktuellen Krise sind wir in Jahr 7. Das ist schon sehr ähnlich, zumal die Lockerung dieses Mal noch etwas aggressiver war als in den 30er Jahren.

Was nach dem Höhepunkt der Lockerung passierte zog sich sehr in die Länge. Erst 20 Jahre nach dem Höhepunkt der Bilanzaufblähung erreichte die Bilanz wieder ein Normalmaß. Damit können wir uns ausmalen wie schnell es diesmal gehen wird...

Insgesamt dauerte der Prozess der Rettung der Wirtschaft durch die Fed damals 30 Jahre. Einschränkend muss man dazu sagen, dass evtl. der Zweite Weltkrieg den Prozess nicht gerade beschleunigte. Dennoch: die 8 Jahre, die Fed Chefin Yellen momentan für eine Reduktion der Bilanz auf ein Normalmaß vorschweben, scheinen ziemlich ambitioniert. Unter 10 Jahren scheint das fast nicht zu schaffen zu sein, wenn die Wirtschaft nicht plötzlich aus dem Nichts beginnt mit 5% pro Jahr zu wachsen.

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Die Historie gibt nicht nur Aufschluss darüber wie lange der ganze Prozess dauert, sondern auch welche Auswirkungen die Bilanzerweiterung hatte. Das Wachstum scheint es beflügelt zu haben, wohl angetrieben durch ein Niedrizinsphase. Die Zinsen fielen damals 13 Jahre lang und stiegen danach tendenziell bis 1980. Was also die Länge der Niedrigzinsphase angeht hätten wir nach damaligen Maßstäben erst gut die Hälfte hinter uns.

Einen wirklich guten und direkten Zusammenhang zwischen Fed Bilanz und Inflation lässt sich kaum herstellen. Die Inflation scheint fast unabhängig von der Fed Bilanz zu sein. Die Inflation ist eher eine Funktion des Wachstums und nicht der Bilanz. Das macht auch Sinn. Die Bilanz kann noch so groß sein, wenn das Geld nicht gebraucht wird bzw. die Nachfrage ankurbelt, dann kommt es auch nicht zur Inflation. Wie aktiv und dynamisch die Wirtschaft war, zeigt die Geldumlaufgeschwindigkeit ganz gut. Nur 1942 gab es ein kleines Problem. Die Wirtschaft boomte vom Krieg getrieben, was die Geldumlaufgeschwindigkeit erhöhte, die Fed Bilanz erreichte einen Höhepunkt. Die Mischung ließ die Inflation in die Höhe schnellen. Insgesamt war das aber ein zeitlich sehr begrenztes Phänomen. Wirklich große Angst vor hoher Inflation aufgrund einer großen Notenbankbilanz muss man sich zumindest historisch gesehen nicht machen

Clemens Schmale

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5 Kommentare

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  • Franz123
    Franz123

    Ihr beschwichtigender Vergleich mit den 30er Jahren und der FED-Quote hinkt weil die Schuldenhöhe der privaten Haushalte und des Staates damals deutlich niedriger waren - nicht nur in absoluten und kaufkraftbereinigten Zahlen, sondern auch wenn man sie in Relation zum Bruttosozialprodukt setzt.

    10:52 Uhr, 11.06.2014
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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