Fundamentale Nachricht
10:30 Uhr, 29.10.2018

Das Comeback der Schwellenländer

Die Befürchtungen hinsichtlich Handelsspannungen und einer Ansteckungsgefahr für Schwellenländer allgemein sind nach Einschätzung von Goldman-Sachs-Finanzexperte Andrew Wilson überzogen.

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  • S&P 500
    ISIN: US78378X1072Kopiert
    Kursstand: 2.629,54 Pkt (Chicago Mercantile Exchange) - Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung

New York (GodmodeTrader.de) – In den vergangenen Monaten prägte ein überdurchschnittlich starkes US-Wachstum das Makroumfeld. Das wird sich jetzt ändern, da das US-Wachstum im Vergleich zum starken zweiten Quartal voraussichtlich schwächer ausfällt und sich dem Tempo der übrigen Welt annähert. Diese Konvergenz könnte den Schwellenländeranlagen zu einem Comeback verhelfen, wie Andrew Wilson, CEO für EMEA und Leiter des Global Fixed Income und Liquidity Management Teams bei Goldman Sachs Asset Management, in einem aktuellen Marktkommentar schreibt.

Von der Wachstumsdivergenz im Frühjahr...

„In unserem Ausblick zur Jahresmitte haben wir die folgenden drei Punkte hervorgehoben: 1) Das Wachstumspotenzial in den USA und Japan, 2) die Abwärtsrisiken in Europa und China und 3) ein geringeres Zinsrisiko nach den deutlichen Zinsanstiegen zum Jahresbeginn. Wir waren der Meinung, dass diese Entwicklungen letztlich zu einem ausgewogeneren Risikoprofil führen würden“, so Wilson.

Seither sei der S&P 500 auf einen neuen Höchststand geklettert, während das US-Wachstum mit 4,2 Prozent ein äußerst solides zweites Quartal erlebt habe. In Europa und China seien die Zahlen hingegen schwächer. In Kombination mit den Handelsspannungen hätten die chinesischen Wachstumsaussichten wieder infrage gestanden. Das Wachstum in den übrigen Schwellenländern habe sich schwächer entwickelt als erwartet, hinzu seien länderspezifische Risiken in vielen Märkten gekommen. Das habe zu einer unerwartet niedrigen Performance von Schwellenländeranlagen geführt, heißt es weiter.

…zu einer erneuten Wachstumskonvergenz...

„Wir gehen nun davon aus, dass sich die außergewöhnliche Outperformance des US-Marktes dem Ende entgegen neigt. Im zweiten Quartal profitierten die USA von fiskalpolitischen Maßnahmen auf breiter Front. Dieser Effekt dürfte im Laufe der Zeit nachlassen. Das Wachstum in Europa stabilisiert sich unterdessen – zwar auf niedrigerem, aber nachhaltigerem Niveau als zum Ende des vergangenen Jahres. Die Erholung in Japan, die moderater ausfiel als von uns erwartet, dauert weiterhin an. In China sehen wir eine starke politische Stützung angesichts schwächerer Konjunkturdaten und anderer Risiken, die sich aus den Handelsspannungen ergeben. Das könnte eine Zeit lang für positive Überraschungen sorgen“, so Wilson.

Die Fundamentaldaten der meisten anderen Schwellenländer seien solide und dürften vom Wachstum in den USA profitieren. Er sei der Ansicht, dass die Schwäche der Schwellenländeranlagen eher auf länderspezifische Herausforderungen zurückzuführen sei als auf eine allgemeine Schwellenländerkrise. Insgesamt sehe er eine Konvergenz des globalen Wachstums auf einem gesunden Niveau, nach einer Zeit die von außergewöhnlich positiven Zahlen in den USA geprägt gewesen sei, heißt es weiter.

…und einer anhaltenden Konsolidierung der langfristigen US-Zinsen

„Im Frühjahr gingen wir davon aus, dass das Zinsrisiko nach einer Konsolidierungsphase der langfristigen Zinsen im weiteren Jahresverlauf wieder zunehmen würde. Derzeit deutet allerdings vieles darauf hin, dass diese Konsolidierung noch ungefähr bis zum Jahreswechsel andauert. Für 2018 sind Zinserhöhungen durch die US-Notenbank von circa 45 Basispunkten eingepreist. Das heißt, dass der Markt wohl nicht überrascht sein wird, wenn es noch zu einer weiteren Zinserhöhungen durch die Fed kommt“, so Wilson.

Die Inflation habe sich unterdessen auf niedrigem bis mittlerem Niveau entwickelt, wobei der Anstieg gegenüber dem Vorjahr vor allem auf Basiseffekte zurückzuführen gewesen sei. Er sei überzeugt, dass sich die Fed aufgrund der allmählichen Inflationsentwicklung und der voraussichtlichen Abschwächung des US-Wachstums ihre Optionen offen halten möchte. Sie werde frühestens kurz vor der Dezembersitzung ein anziehendes Tempo bei den Zinserhöhungen für 2019 signalisieren. Er erkenne mehrere Anzeichen dafür, dass sich die Inflation festige. Es dürfte aber noch eine Weile dauern, bevor sie stark genug sei, um die Geldpolitik in noch größerem Umfang zu beeinflussen, heißt es weiter.

Eine schwierige Investmentlandschaft...

„Die Kapitalmärkte dürften auch in naher Zukunft herausfordernd bleiben, weswegen wir nach wie vor einen dynamischen Anlageansatz verfolgen. Handel und Geopolitik werden zusätzlich für Volatilität sorgen. Da sich das US-Wachstum verlangsamt, könnte es zu einem vorübergehenden Abverkauf bei US-Aktien kommen. Sorgen bereitet uns auch die Haushaltssituation in Italien und die Wachstumsaussichten für das Land. Trotz dieser Herausforderungen erwarten wir, dass Industrieländeraktien dank anhaltender konjunktureller Expansion und solidem Gewinnwachstum bis zum Jahresende gut dastehen werden“, so Wilson.

Er müsse allerdings einschränken, dass er für Industrieländeraktien inzwischen weniger zuversichtlich sei als in unserem Ausblick zur Jahresmitte, da sich die Aktienmärkte mittlerweile deutlich erholen konnten. Auch wenn er sich in diesem Papier auf den Rest des Jahres konzentriere: Je näher 2019 rücke, desto größer werde das Risiko, dass sich das US-Wachstum stärker ausdifferenziere. Maßgebliche Faktoren seien die zunehmende Straffung der Fed-Politik, und die nachlassenden fiskalischen Stimuli, heißt es weiter.

…mit guten Chancen für ein Comeback der Schwellenländer

„Unseres Erachtens wird unterschätzt, wie einflussreich die jüngste wirtschaftliche Outperformance der USA verbunden mit dem schwächeren Wachstum vieler anderer Volkswirtschaften in den vergangenen Monaten war. Dies gilt für die Entwicklung der Vermögenswerte allgemein sowie für die Underperformance der Schwellenländer im Besonderen. Der Übergang zu einer Wachstumskonvergenz, bedingt durch das sich abschwächende US-Wachstum und die Stabilisierung anderer Volkswirtschaften, ist signifikant. Wir gehen davon aus, dass Schwellenländeranlagen am stärksten davon profitieren werden - nicht zuletzt, weil die Befürchtungen hinsichtlich Handelsspannungen und einer Ansteckungsgefahr für Schwellenländer allgemein überzogen sind. Generell gehen wir davon aus, dass die Rallye des US-Dollars nachlassen wird“, so Wilson.

Investmentimplikationen

Aktien blieben seine bevorzugte Anlageklasse, auch wenn er nach der Erholung in den USA und aufgrund der voraussichtlichen Aufwertung des Euro nicht mehr ganz so optimistisch für Industrieländeraktien sei wie in dem Ausblick zur Jahresmitte. Der anhaltende Konjunkturaufschwung und ein solides Gewinnwachstum dürften die Renditen stützen, heißt es weiter.

„Aus strategischer Sicht bleiben wir gegenüber Staatsanleihen weiterhin pessimistisch. Wir glauben, dass die Märkte das Ausmaß der Zinserhöhungen durch die US-Notenbank in den kommenden zwölf Monaten nicht vollständig einpreisen. Allgemeiner betrachtet unterschätzen die Märkte auch, in welchem Maße die niedrigen Anleiherenditen zyklisch bedingt sind und weniger auf langfristigeren Faktoren beruhen. Es dürfte allerdings noch eine Weile dauern, bis sich dies in den Daten widerspiegelt und die Märkte ihre Einschätzung entsprechend anpassen. Auf taktischer Ebene erwarten wir, dass sich die Renditen zehnjähriger US-Anleihen zum Jahresende hin in einer engen Spanne bewegen werden“, so Wilson.

Da die Fundamentaldaten der Unternehmen und das Makroumfeld ein positives Umfeld schüfen, sei es noch zu früh, um sich für eine deutliche Ausweitung der Spreads bei Unternehmensanleihen zu positionieren, heißt es. „Wir nähern uns zwar dem Punkt im Konjunkturzyklus, an dem in der Vergangenheit eine Trendwende in diesem Bereich einsetzte. Wir halten es aber für unwahrscheinlich, dass es im Jahr 2018 noch so weit kommt“, so Wilson.

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Über den Experten

Tomke Hansmann
Tomke Hansmann
Redakteurin

Nach ihrem Studium und einer anschließenden journalistischen Ausbildung arbeitet Tomke Hansmann seit dem Jahr 2000 im Umfeld Börse, zunächst als Online-Wirtschaftsredakteurin. Nach einem kurzen Abstecher in den Printjournalismus bei einer Medien-/PR-Agentur war sie von 2004 bis 2010 als Devisenanalystin im Research bei einer Wertpapierhandelsbank beschäftigt. Seitdem ist Tomke Hansmann freiberuflich als Wirtschafts- und Börsenjournalistin für Online-Medien tätig. Ihre Schwerpunkte sind Marktberichte und -kommentare sowie News und Analysen (fundamental und charttechnisch) zu Devisen, Rohstoffen und US-Aktien.

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