Kommentar
16:05 Uhr, 11.12.2015

Darum wird nicht mehr investiert!

Die Erholung der Wirtschaft läuft – sowohl in den USA wie auch in Europa. Die Erholung ist jedoch unglaublich schleppend. Ein Grund: es wird so wenig investiert wie in keinem anderen Aufschwung.

Entgegen aller Theorie und Erfahrung ist der aktuelle Aufschwung anders. Er ist zäh und schleppend. Das US Wachstum pendelt zwischen 2% und 2,5%. Das ist ein Drittel weniger als in den vergangenen Boomjahren. In der Eurozone bewegt sich das Wachstum wieder langsam Richtung 2%, aber auch das liegt weit unter den vergangenen Wachstumsraten. Deutschland befindet sich mit einer Wachstumsrate von gut 1,5% im „Ausnahmezustand.“ Diese Expansionsrate wird gefeiert als wäre sie zweistellig, dabei ist sie am unteren Ende dessen, was die Deutsche Wirtschaft von 1990 bis 2008 gewohnt war.

Ein wichtiger Grund für den trägen Aufschwung ist das Ausbleiben von Investitionen. Grafik 1 zeigt, wie sich die Investitionen in den USA zu Beginn einer jeden Rezession seit 1948 entwickelt haben. Die Daten zeigen die Entwicklung von Beginn einer Rezession bis zum Ende des darauffolgenden Aufschwungs.

Der aktuelle Investitionszyklus ist so zäh wie keiner zuvor. Erst im 19. Quartal nach Beginn des Abschwungs im Jahr 2007 erreichte das Investitionsvolumen wieder den Vorkrisenwert. Vor Beginn der Rezession wurden jährlich 1,97 Billionen Dollar investiert. Das Investitionsvolumen bezieht sich auf den privaten Sektor exkl. Immobilien. Die Marke von 1,97 Billionen wurde erst Anfang 2012 wieder überschritten. Seit Anfang 2014 stagnieren die Investitionen bei 2,2 bis 2,3 Billionen Dollar.

Den bisherigen, traurigen Rekord hielt der Abschwung, der 2001 begann. Hier dauerte es 16 Quartale, bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht wurde. Die Rezession davor (1990) hält den drittuntersten Platz. Der Aufschwung nach 1990 und die Investitionen zeigten letztlich den längsten Aufwärtstrend, doch bis das Vorkrisenniveau wieder erreicht wurde dauerte es 9 Quartale.

Zusammengefasst kann man sagen: je länger man in der Geschichte zurückgeht, desto schneller erreichte das Investitionsniveau nach einer Rezession wieder das Vorkrisenniveau. Je kürzer die Rezession zurückliegt, desto länger dauert es. Das ist kein Zufall. Grafik 2 versucht eine Erklärung zu geben.

Die Entkopplung von Investitionen bzw. die Verlangsamung des Investitionswachstums nach einer Rezession begann in den späten 70er Jahren. Das fällt mit einer Entkoppelung von Produktivitätswachstum und Reallohnsteigerungen zusammen.

Die gleichzeitige Verlangsamung des Investitionswachstums und die Entkopplung von Lohnsteigerungen und Produktivität sind kein Zufall. Lange Zeit war das immer langsamer werdende Produktivitätswachstum ein Rätsel. Man konnte zwar sagen, dass die immer geringeren Investitionen dafür verantwortlich waren, doch wieso immer weniger investiert wurde, war lange Zeit ungeklärt.

Unternehmen haben es durch ihre eigene Politik und die Politik der Regierungen geschafft, das Reallohnwachstum sehr, sehr niedrig zu halten. Wenn sich eine Wirtschaft nun in einem Aufschwung befindet und die Nachfrage steigt, dann haben Unternehmen zwei Möglichkeiten die höhere Nachfrage zu bedienen: sie können entweder in neue Maschinen investieren, um mehr zu produzieren oder sie können mehr Menschen einstellen, um die Produktion zu steigern.

Die Investition in neue Anlagen steigert die Produktivität. Mit neuen Maschinen und zusätzlicher Automatisierung produziert ein Arbeitnehmer mehr. Geschieht letzteres und wird nicht investiert, sondern mehr Personal eingestellt, dann steigert das den Output, allerdings nicht die Produktivität. Der Output pro Arbeitnehmer steigt nicht. Der Gesamtoutput steigt lediglich, weil mehr Menschen produzieren.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, weshalb nicht mehr investiert wird, um die Produktivität zu steigern. Das hat zwei Gründe. Arbeitskräfte sind relativ billig (Reallöhne steigen kaum) und es ist weniger risikoreich, die Produktion durch mehr Personal zu steigern als durch Investitionen. Baut ein Unternehmen neue Fabriken und kauft neue Maschinen, dann sind das einmalig hohe Kosten, die sich erst nach vielen Jahren rechnen. Wenn die Nachfrage sinkt, nachdem investiert wurde, dann hat das Unternehmen hohe Ausgaben getätigt ohne eine entsprechende Rendite damit erwirtschaften zu können.

Bei Arbeitskräften ist das anders. Fällt die Nachfrage, dann können Unternehmen in vielen Ländern Arbeitnehmer schnell entlassen. Die Kosten fallen dann einfach weg. Sind Investitionen erst einmal getätigt, dann bleiben Unternehmen auf den Kosten sitzen, wenn die Nachfrage sinkt. Mehr Personal einzustellen bedeutet, dass die Kosten nur steigen, wenn die Nachfrage steigt. Sinkt die Nachfrage, dann lassen sich die Kosten schnell wieder reduzieren, indem Menschen entlassen werden.

Kurzfristig macht die Überlegung absolut Sinn. Langfristig ist das ein Problem. Je weniger investiert wird, desto weniger wettbewerbsfähig werden Unternehmen. Rein ökonomisch betrachtet ist die Logik wie folgt: wer mehr produziert, indem einfach mehr Menschen eingestellt werden, der hat unabhängig von der Nachfragesituation relativ konstante Stückpreise. Wer mehr produziert, indem die Produktivität gesteigert wird, hat langfristig sinkende Stückkosten.

Langfristig gesehen ist es besser in Produktivitätssteigerungen zu investieren. Unternehmen, die vor allem das nächste Quartal im Blick haben sind natürlich nicht unbedingt an den langfristigen Vorteilen von Investitionen interessiert...

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3 Kommentare

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  • tschak
    tschak

    DANKE; Schöne, einfache Erklärung von variablem VERSUS fixen Kostenblock.

    16:22 Uhr, 13.12. 2015
  • Garten
    Garten

    ... vielleicht sieht man aus dieser Perspektive auch, dass wenig steigende Löhne (geringe Sparquote) und entsprechend stärker steigende Kapitaleinkünfte der (höhere Sparquote der viel verdienenden) Eigentümer auf Dauer nicht so wirklich zu Wachstum führen. Dies meint auch Paul Krugman ...

    18:44 Uhr, 11.12. 2015
  • Gandalf
    Gandalf

    Schöner Artikel, vielen Dank!

    Ob der Zusammenhang wirklich besteht bzw. in dieser (monokausalen) Form, kann man sicher diskutieren. Auf jeden Fall paßt die Hypothese gut in die aktuelle Phase kurzfristiger (kurzsichtiger?) Unterehmenssteuerung.

    16:32 Uhr, 11.12. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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