Kommentar
14:49 Uhr, 03.05.2016

Wie ausländische Anleger den deutschen Fiskus prellen

Die Kapitalertragsteuer mindert die Rendite von Aktien-Investments enorm. Warum nicht einfach umgehen? Dachten sich Investoren im Ausland, und fanden tatkräftige Helfer in deutschen Banken.

Um was geht es ?

Investoren machen Geschäfte in Aktien rund um den Dividendenstichtag. Dabei werden in Zusammenarbeit mit Banken steuerliche Lücken ausgenutzt, die den Staat um Milliarden bringen - alleine seit 2011 rund 5 Mrd. Euro, wie das Handelsblatt und andere Medien berichten, die sich zu Recherchezwecken zusammengeschlossen haben. Ganz vorne mit dabei: Die Commerzbank - in der Finanzkrise vom Staat gerettet.250 Fälle seien alleine in den Jahren 2013 bis 2015 nachzuweisen.

Wie funktionieren Cum Cum Geschäfte?

Jedes Jahr nach der Hauptversammlung schütten deutsche AGs die Dividende aus. Dabei wird grundsätzlich Kapitalertragsteuer (bei Privaten in Form der Abgeltungsteuer) fällig, auch für ausländische Investoren. Handelt es sich bei den Aktionären um inländische Kapitalgesellschaften, können diese die Dividende steuerfrei vereinnahmen. Der Trick: der ausländische Investor verleiht seine Aktien an eine Bank mit Sitz in Deutschland. Diese erhält die Dividende und gibt Aktien plus Dividende kurz darauf an den Investor im Ausland zurück. Die Steuerersparnis wird geteilt.

Wie sieht es rechtlich aus?

Jahrelang nahmen die Behörden die eigentlich offensichtlichen Steuerumgehungen hin. Der BFH stellte zunächst sogar die Rechtmäßigkeit fest, urteilte allerdings im August 2015 in einem Einzelfall, dass kein Anspruch auf Steuererstattung bestehe, wenn eine Wertpapierleihe im Spiel ist. Seitdem prüft der Fiskus Erstattungsmöglichkeiten.

Was sagen die Banken?

Die Finanzinstitute beharren darauf, lediglich rechtlich geschickt Gesetzeslücken zu nutzen, wie schon zuvor bei den ähnlichen gelagerten "Cum ex"-Geschäften (Dividendenstripping).
Mehr als 100 Finanzdienstleister und Geldhäuser aus dem In- und Ausland stehen im Verdacht, an solchen Deals beteiligt gewesen zu sein.

Und was unternimmt der Staat?

Der reagiert mit neuen Gesetzen. Die Besteuerung von Investmentfonds soll neu geregelt werden. Der Plan: Aktien müssen mindestens 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag gehalten werden , um Kapitalertragsteuer anrechnen lassen zu können. Das Gesetz soll Rückwirkung zum 1. Januar 2016 entfalten.

Was ist mit der Moral?

Waren/sind diese Geschäfte illegal oder nur unmoralisch? Die einen argumentieren, der Staat sei selber schuld, wenn er solche Lücken überhaupt erst entstehen lässt. Andere meinen, es handele sich letztlich um organisierten Betrug. Das letzte Wort werden in dieser Frage Gerichte haben.

21 Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    @Chronos

    Grundsätzlich haben Sie nicht Unrecht, dem Staat geht es um die Einnahmen. Und die genannte und ggf. rückwirkende Änderung trifft mal wieder die Falschen... So kann das eigentlich nix werden.

    Allerdings ist die Aussage "26,785% Rendite ohne Aufwand und Risiko" doch etwas kurzsichtig - woher sollen denn Einnahmen für Krankenhäuser, Schulen, Straßen und Lehrer kommen? Dem "weggenommenen" Geld steht doch auch eine Leistung für die Allgemeinheit gegenüber, oder? Einnahmen könnte man aber auch fairer generieren, z.B. in dem man endlich die Ultraverreichung stoppt...

    Grundsätzlich könnte man für Otto-Normalanleger aber auch z.B. zu einer Besteuerung wie im Jahr 2008 zurückkehren: Steuerfreiheit auf Gewinne wird nach einer Haltefrist von 1 Jahr gewährt. Könnten Sie sich damit anfreunden? Ich schon :-)

    Viele Grüße

    14:45 Uhr, 04.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Chronos
    Chronos

    Moral? Eigentlich will der Staat ja nur seine Einnahmen optimieren.

    "Die Besteuerung von Investmentfonds soll neu geregelt werden. Der Plan: Aktien müssen mindestens 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag gehalten werden , um Kapitalertragsteuer anrechnen lassen zu können. Das Gesetz soll Rückwirkung zum 1. Januar 2016 entfalten."

    Wenn das so kommt, hat es sich mit Moral, es werden die Spielregeln ja rückwirkend geändert.

    90 Tage Sperre, noch ein Argument gegen ein dt. Depot!

    Mit der Einführung der Abgeltungssteuer wurde jegliche Methodik genommen damit sich die junge Bevölkerung etwas aufbauen kann. Von den Auguren wurde damals auch nicht recherchiert oder Empfehlungen ausgesprochen. Somit haben nur die alten Kader ihren sauberen und freien Bonus.

    Man sollte sich einmal überlegen welcher Handel 26,785 % Rendite abwirft, OHNE sich am

    Aufwand und Risiko zu beteiligen.

    12:25 Uhr, 04.05.2016
  • Löwe30
    Löwe30

    Jeder Euro, den der Staat einnimmt, beschneidet die Freiheit der Bürger. Das führt zu weniger Wachstum und weniger Wohlstand. Bei rund 50% Anteil des Staates am BIP haben wir bereits 50% Sozialismus. Die Auswirkungen konnte man nicht nur im ehemaligen Ostblock sehen, sondern kann man nun wieder z.B. in Venezuela. Dort "fehlt [es] an allem: Milchpulver, Klopapier, Maismehl, Zahnpasta, Öl, Reis - und an Fleisch sowieso...

    Längst sind auch Medikamente ein rares Gut. In manchen Krankenhäusern sind nur noch Notoperationen möglich, weil Ersatzteile für medizinisches Gerät fehlen. Und zu allem Überfluss wird jetzt auch noch das Bier knapp. Dem Getränke- und Nahrungsmittelhersteller Polar geht das Malz aus. Und da der Staat keine Devisen mehr für Importe zuteilt, muss Polar in diesen Tagen das Brauen einstellen. Die Venezolaner müssen so das Drama ihres Landes auch noch nüchtern ertragen." ( http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/venezuel... )

    09:03 Uhr, 04.05.2016
  • Löwe30
    Löwe30

    Der Staat schwimmt im Geld, kann aber nicht mit Geld umgehen. Da ist jeder Euro, der nicht zum Fiskus geht ein guter Euro.

    08:56 Uhr, 04.05.2016
  • Unbedingt
    Unbedingt

    Warum "Ausländer"? - Es könnten doch auch die ominösen Briefkastenfirmen sein. Die müssen ja auch irgendwohin mit ihrem Geld. Es wird immer so getan, als vermehrte sich das Geld dort im Keller...

    08:43 Uhr, 04.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Fredo Escalade
    Fredo Escalade

    Ich finde das alles nur noch irre...

    Als weiterer Part im zwielichtigen Verhalten von Bankern erweist sich nun die "Commerzbank" als "Deutsche Bank" Nummer 2... Glückwunsch, ihr Abzocker und Betrüger!!!

    Mir ist reichlich egal, ob die mit dem Geld der Steuerzahler gerettete CoBa eine "Lücke" ausgenutzt hat oder gesetzeswidrig gehandelt hat. Ich bin längste Zeit Kunde dieses Instituts gewesen und werde zu einer lokalen VR Bank wechseln - das hätte ich schon längst tun sollen, aber nun folgen endlich Taten.

    Btw, die Äusserung des Finanzministeriums ist einfach nur erbärmlich, sinngemäß hieß es: "...alles okay, alles gesetzeskonform, alles roger...".

    Vielleicht sollte man einfach einmal die zuständigen Staatsanwälte und Gerichte ermitteln lassen? Bzw. endlich diesem unsäglichen "Geschäftsgebaren" einen Riegel vorschieben? Aber nein, das ist ja zuviel verlangt...

    Aber 5Mrd Steuerausfälle sind doch Peanuts, schliesslich vergessen manche Finanzminister ja auch gerne einmal 100.000DM Schwarzgeld von Waffenhändlern in der eigenen Schreibtischschublade, gelle!???

    OVER AND OUT.

    18:17 Uhr, 03.05.2016
    1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    der gewinn ist die Stuergutachrift

    17:12 Uhr, 03.05.2016
  • Mitdenker
    Mitdenker

    Und was ist mit der Differenz zwischen Kauf und Verkauf? Also sprich dem Gewinn??? Glaube der Gewinn ist höher als die Dividende....

    17:04 Uhr, 03.05.2016
    1 Antwort anzeigen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

Mehr über Daniel Kühn
  • Anlagestrategien
  • Fundamentalanlyse
  • Value Investing und Momentum-Ansatz
Mehr Experten