Craig Pennington zur jüngsten Ölpreisentwicklung
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Der Rohölpreis, der die Marke von USD 67 pro Barrel durchbrochen hat, dominiert weiterhin die Schlagzeilen in Wirtschaftsmedien und den allgemeinen Medien. Wodurch wurden die jüngsten Preiserhöhungen verursacht?
Wir befinden uns mitten in der Urlaubssaison, und die Nachfrage nach Benzin vom weltweit größten Verbraucher, den USA, schnellt in die Höhe, weil die Amerikaner mit dem Auto in den Urlaub fahren. Strukturell gesehen wurde in diesem Markt während der letzten fünf bis zehn Jahre nicht ausreichend investiert. Es sind Versorgungsschwierigkeiten in beiden Richtungen vorhanden – vorgelagert und nachgelagert, d.h. Erschließung und Produktion sowie Raffinerien – , was in Verbindung mit einer erhöhten Nachfrage zu Druck auf die Preise führte. Was speziell die Raffinerien anbelangt, so wurde die Auslastung durch die intensive Nutzung auf ein sehr hohes Niveau angehoben. Dadurch gab es in letzter Zeit fast wöchentlich Unfälle und die Versorgung wurde unterbrochen. Aus diesem Grunde haben die Benzinvorräte einen niedrigen Stand erreicht.
Ein weiterer Faktor ist das erneute Terrorismusrisiko. Die Spannungen wurden durch jüngste Warnungen vor Angriffen in Saudi- Arabien verstärkt, wobei die Wiederaufnahme der Uranumwandlung im Iran, dem zweitgrößten OPEC-Produzenten (Organisation der Erdöl exportierenden Länder) die Anleger ebenfalls nervös macht. Viele gehen davon aus, dass dieser erneute Einsatz von Atomenergie der erste Schritt des Irans für den Bau einer Atombombe ist. Politische Konsequenzen aufgrund der Spannungen zwischen dem Iran und den USA, wie beispielsweise Sanktionen oder ein militärischer Angriff, könnten die Versorgung stoppen und zu weiteren Höchstpreisen führen. Die jüngste Wahl des iranischen Präsidenten, der ein Verfechter eines harten Kurses ist, zeigt, dass diese Bedrohung sicherlich für geraume Zeit vorhanden sein wird.
Und wie sieht dies auf lange Sicht aus? Wie hat sich der Ölpreis von USD 15 im Jahre 1998 auf heute weit über USD 60 entwickelt?
Hauptsächlich ist dies auf ungenügende Investitionen zurückzuführen. Als die Ölpreise 1998 einbrachen, wurden die Investitionsausgaben für Erschließung und Produktion gedrosselt.
Gleichzeitig waren Unternehmen von den rückläufigen Förderraten in der Nordsee und den USA (beides reife Märkte) unangenehm überrascht und zögerten, die Produktion in nicht der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) angehörende Märkte zu verlagern. Dies war teilweise auf die Risiken der Länder mit einem weniger stabilen Regime und unausgereiften Unternehmensstrukturen zurückzuführen, jedoch auch darauf, dass die Erschließung dieser neuen Bereiche aufgrund der großen Entfernung zu den Heimatmärkten teuer war.
OPEC-Länder, wie Saudi-Arabien und der Iran, erhöhten bei niedrigeren Preisen ihre Investitionen ebenfalls nicht. Ihr Staatshaushalt, der weitgehend von Erdöleinnahmen abhing, geriet unter Druck. Außerdem war und ist die Bevölkerung dieser Länder jung, die Arbeitsmärkte waren und sind nicht sehr diversifiziert, die Arbeitslosigkeit war hoch, und dies bedeutete, dass die Sozialausgaben ebenfalls hoch waren. Die Länder hatten kein Geld, um in neue Produktionen zu investieren. Abgesehen davon hatte die OPEC bereits vor dem Rückgang ihres globalen Anteils an der Erdölförderung ungenutzte Kapazitäten frei und folglich keinen Anreiz für weitere Kapazitätserhöhungen.
Die Ölindustrie durchlief somit einen von niedrigeren Investitionen gekennzeichneten Zeitraum. Dies alleine hätte möglicherweise nicht zu diesen Preisspitzen geführt, wenn das globale BIP-Wachstum während der letzten beiden Jahre nicht ganz so stark gewesen wäre. Die Nachfrage nach Öl stieg jedoch in 2004 wegen der gleichzeitigen weltweiten Konjunkturerholung enorm an. Wir konnten in den Volkswirtschaften großer Industrieländer ein erneutes Wachstum beobachten, einhergehend mit der strukturell stärkeren Nachfrage aus China und Indien – beides Öl importierende Länder. Eine ohnehin knappe Versorgungslage verschlechterte sich über Nacht. Mangelnde Investitionen in neue Ressourcen führten zusammen mit der drastischen Nachfrageerhöhung zu einem enormen Druck auf die Preise.
Und wie sieht die Situation Ihrer Meinung nach in der Zukunft aus? Meinen Sie, dass auf den Märkten im 4. Quartal und im Jahr 2006 eine weitere Verknappung stattfinden kann?
Der Markt ist weiterhin gespannt. In den OPEC-Ländern gibt es nur wenig freie Kapazitäten. Sollte es zu einer einschneidenden Versorgungsunterbrechung – ganz egal, ob im Irak, in Saudi-Arabien oder sogar in Venezuela – kommen, ist unklar, wie die OPEC reagieren wird.
Die Wirbelsturmsaison, die bis Ende Oktober dauern kann, stellt auf der Versorgungsseite einen weiteren Faktor dar. Wir haben bereits gesehen, wie zahlreiche Wirbelstürme im Golf von Mexiko die Lagerauffüllung behindert haben. Der Umfang des Vorratsabbaus (d.h. wie viel Öl verbraucht wird) wird dadurch beeinflusst, wie kalt der Winter wird, insbesondere im Nordosten der USA, wo die Nachfrage während der „Heizperiode“ am höchsten ist. Obwohl die Heizölvorräte derzeit gut aussehen, sind die Märkte nervös. Wenn man noch geopolitische Risiken im Nahen Osten ins Kalkül zieht, könnten die Preise noch weiter in die Höhe schnellen.
Die Versorgung aus Ländern, die nicht zur OPEC gehören, ist weiterhin enttäuschend. Ein Beispiel dafür sind die Schwierigkeiten, die BP mit ihrer Thunderhorse-Bohrinsel hatte. Es wurde erwartet, dass die Lieferung im 4. Quartal dieses Jahres einsetzen würde. Allerdings sind einige erhebliche technische Probleme aufgetreten, weshalb die Förderung wohl frühestens im nächsten Jahr auf Touren kommen wird.
Auf der Nachfrageseite ist trotz der höheren Energiepreise weiterhin ein starkes Wachstum zu beobachten. Die US-Wirtschaft scheint solide zu sein, weshalb wir von dort bei weiterer Konjunkturerhöhung evtl. eine verstärkte Nachfrage beobachten werden.
Es besteht zwar die Möglichkeit, dass die Märkte zwischen dem Ende der Urlaubssaison in den USA und dem Beginn der Heizperiode nachgeben, wobei aber auch eine weitere Anspannung des Marktes im 4. Quartal durchaus im Bereich des Möglichen liegt.
Wie wird sich eine Marktanspannung auf die globale Nachfrage auswirken?
Dies lässt sich nur sehr schwer einschätzen. Im Grunde genommen ist ein hoher Ölpreis eine Verbrauchssteuer. Viele Sektoren könnten betroffen sein: So bezahlen Einzelhändler beispielsweise mehr für die Lieferung ihrer Waren zu ihren Geschäften, die Fertigungskosten von Chemieunternehmen erhöhen sich, Werke haben mit höheren Betriebskosten zu rechnen. Die europäischen Hersteller beschweren sich bereits lautstark über den Einfluss der höheren Ölpreise auf ihre Kosten. Die Frage ist, wie lange Unternehmen in der Lage sein werden, die Verbraucher vor höheren Preisen zu schützen, d.h., wie lange dauert es, bis die Preiserhöhungen an den Verbraucher weitergegeben werden?
Andererseits muss darauf hingewiesen werden, dass sich hohe Energiepreise heute weniger auswirken werden, als dies während vergleichbarer Perioden mit drastischen Preisspiralen der Fall war, wie zum Beispiel während der Ölkrise in den frühen 70er Jahren. Dies ist vor allem auf die erhöhte Energieeffizienz und den geringeren Ölverbrauch als Prozentsatz des BIP zurückzuführen. Seit den frühen 70er Jahren haben sich die Energiekosten erheblich verringert.
Die großen Volkswirtschaften der Welt – Japan, die Eurozone und die USA – sind weit energieeffizienter als früher. Die Verbraucher bekommen die Auswirkungen von Preiserhöhungen nicht in dem Maße zu spüren, wie dies der Fall war. Außerdem haben asiatische Volkswirtschaften, wie Indonesien und China, die beide große Erdölimporteure sind, diese Auswirkungen durch den Einsatz von Preisstabilisierungsfonds minimiert, die so konzipiert sind, dass die Volatilität der Ölpreise reduziert wird.
Vor allem aber scheinen die Verbraucher belastbar zu sein. Die effektiven Auswirkungen der höheren Benzinkosten scheinen nicht allzu groß zu sein. Die Preise müssten sich schon enorm erhöhen, damit wir eine drastische Veränderung der Nachfrage beobachten können.
Sollten Anleger in ihren Portfolios große Bestände an energieabhängigen Titeln beibehalten?
Obwohl der Sektor im Jahr 2004 und im laufenden Jahr eine hervorragende Performance brachte, meinen wir, dass weiteres Aufwärtspotenzial vorhanden ist. Besonders attraktiv sind derzeit die Onshore-Gasunternehmen in den USA, wo eine Erdgasknappheit herrscht, die inländische Produktion rückläufig ist und die Importe aus Kanada ebenfalls zurückgehen.
Ultra Petroleum, EOG Resources und Quicksilver gehören zu den Unternehmen, die von dieser Versorgungsknappheit wahrscheinlich profitieren werden. In Europa wäre es dagegen angesichts der jüngsten starken Preiserhöhungen und der positiven relativen Outperformance nicht völlig überraschend, wenn wir bei den Titeln der Ölriesen wie Royal Dutch, ENI und BP eine Verschnaufpause beobachten könnten. Verglichen mit anderen Bereichen des Marktes generieren diese Unternehmen jedoch einen erheblichen frei verfügbaren Cashflow, der durch stark erhöhte Dividenden und Aktienrückkäufe an die Aktionäre zurückgegeben wird. Wir betrachten die europäischen Energietitel weiterhin als gute Anlage.
Sind Öldienstleister eine gute Möglichkeit, mit einem hohen Ölpreis zu spekulieren?
Sicherlich sind im Bereich der Öl-Dienstleister einige sehr attraktive Anlagemöglichkeiten vorhanden. Diesen Dienstleistungsunternehmen kommen höhere Investitionsausgaben der Ölriesen, die die Versorgung erhöhen möchten, am meisten zugute. Zudem ist auf die Konsolidierung dieser Branche in den späten 1990er Jahren zurückzuführen, dass jetzt weniger Marktteilnehmer vorhanden sind, um die höhere Nachfrage zu befriedigen.
Wichtig ist, dass die Unternehmensleitungen jetzt darauf achten, keine Überkapazität aufzubauen, da die Industrie in der Vergangenheit von Volatilität gekennzeichnet war und die Kapazitäten zu schnell erhöht hat. Beispiele guter Spekulationsmöglichkeiten sind Nabors, BJ Services (beide USA), Wood Group und Sondex (beide GB).
Von welchen Hauptrisiken wird die Erdölindustrie bedroht?
Die größte Herausforderung besteht im Zugriff auf Ressourcen. Die meisten Restvorkommen befinden sich in Ländern, in denen Unternehmen nicht tätig sein wollen oder dürfen. Der Nahe Osten ist für westliche Unternehmen weiterhin schwierig. In Lateinamerika wollen die meisten Regierungen einen Anteil vom Kuchen, solange die guten Zeiten an den Ölmärkten andauern. Die Regierungen von Ländern wie Venezuela und Bolivien ignorieren die Unverletzlichkeit von Verträgen, erhöhen Steuern und verlangen außerdem eine Rückerstattung der Steuern auf Gewinne. Aufgrund der weitaus höheren Ölpreise als bei Vertragsabschluss, versuchen die Regierungen, neue Bedingungen auszuhandeln und mehr zu verlangen.
So hatte z.B. das spanische Unternehmen Repsol Schwierigkeiten in Bolivien, wo sich ein großer Teil der Reserven des Unternehmens befindet. Die Regierung hat die Steuern vor kurzem auf 50 % erhöht, was sich auf die Möglichkeit und Bereitschaft von Repsol auswirken wird, dort geschäftlich tätig zu sein. Viele Unternehmen könnten sich aus Ländern zurückziehen, die ihnen diese hohen Sätze berechnen. Dies könnte sich beim globalen Versorgungswachstum negativ niederschlagen.
Zu den anderen Risiken gehört der Irak. Wie geht man da vor? Es stellt sich auch die Frage, ob Saudi Arabien seine Märkte den westlichen Ölgesellschaften jemals wirklich öffnen wird und ob Russland, nachdem die Regierung ihre Marktkontrolle jetzt verschärft, Ausländern verschlossen bleibt?
Quelle: Schroders
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